Vorab, in Ermangelung eines Bereichs für Jäger und Fischer, was auch irgendwie nicht ganz in ein taktisches Forum gehört, was ich einsehe, obwohl viele Anhänger beider Passionen (ich vermeide absichtlich das Wort -Hobby-, es passt nicht zu diesem ernsten Tun) hier vertreten sind, schreibe ich einmal diese Begebenheit hier hinein.
Das ist die Geschichte von Bruno
Es ist ein Bach der von einem Stausse gespeist wird, der Oberlauf ist an einen Bekannten verpachtet, der Unterlauf ist auf eine Länge von cirka 6 km an meine Wenigkeit verpachtet. Dem Bach wurde schon viel zugemutet, einst war er die Gewähr fünf Gerbereibetriebe mit Wasser zu versorgen, eine Mühle anzutreiben und zwei Schmieden mit dem notwendigen Nass zu versorgen, danach begradigt, vom Reichsarbeitsdienst teilweise mit hochkant stehenden Steinen verbaut, und dann wieder gänzlich vergessen, Abflüsse aller Arten wurden eingeleitet und irgendwann kümmerte sich keiner mehr darum, es ist eben nur der Bach.
Als Kind haben wir unendliche Stunden dort verbracht, mit dem Küchensieb nach Krebsen gestochert, Staudämme gebaut und was weiß ich nicht noch alles. Verpachtet war er damals an den Bäcker, der aber ging nie fischen, eine seltsame Konstellation. In den späten Neunzigern kam eine Neuregelung der oberirdischen Gewässer, die dahingehend betrieben wurde, neue Pachtstrecken abzustecken, sich um die Gewässer kümmern und neue Pächter in Vertrag zu nehmen. Da habe ich damals zugeschlagen und "meinen" Bach, den Bach meiner Jugend, respektive das Fischrecht an mich genommen. Unzählige Besatzmaßnahmen, Säuberungsaktionen und gewässerverbessernde Arbeiten haben mittlerweile ein Fließgewässer geschaffen, das wieder einen einigermaßen stabilen Bachforellenbestand beheimatet. Das ist die Vorgeschichte.
Letztes Jahr im Sommer waren wir, das sind meine Söhne und ich, rege bei der Sache was das Fischen in diesem Bach betrifft. Da der Stausee zu einem Fliegenfischergewässer werden soll, ebenso unsinnig wie kaum möglich, hat man dort Regenbogenforellen ausgesetzt. Das sehr zur Freude der dort beheimateten Hechte und Welse, aber ein nicht unerheblicher Teil dieser wanderfreudigen Gesellen hat den Weg in unseren Bach gefunden. Nicht daß ich etwas gegen Regenbogenforellen habe, aber sie erscheinen mir doch ein wenig gewagt in einem Bach, der einen fragilen Bestand an kleinen bis mittelgroßen Bachforellen hat, was zur Folge hat, einige dieser Burschen zu fangen um sie gut geräuchert zu verspeisen und den Bachforellen ein wenig "Ruhe" zu verschaffen. Gesagt, getan, wir waren hier und da erfolgreich und haben manchen dieser zum Teil stattlichen Fische gefangen.
Aber da gibt es einen Gumpen, versteckt unter Erlen und Weiden, ein uralter Einkaufswagen ist dort noch eingewachsen im Wurzelwerk und dient den Söhnen als Sitzplatz, da habe ich eine Entdeckung gemacht, jede Menge Döbel oder auch Aitel wie andernorts genannt. Einer von ihnen ist anscheinend zu einem besonders prächtigen Burschen abgewachsen, fast 50 cm lang und erinnert mich mit seinem walzenförmigen Körperbau an ein "Minitorpedo". Wir haben ihm den Namen Bruno gegeben, wieso weiß ich nicht. Bruno ist ein großer Fisch, und er ist nicht groß geworden weil er dumm ist, sondern er ist schlau, wie alle großen Fische. Er frißt nicht wenn die anderen fressen und zeigt sich nicht wenn die anderen nach Nahrung steigen, nur manchmal sieht man ihn, wenn man sich Zeit antut und lange genug im Astwerk der Erle wartet.
Kurzum, alle Versuche bleiben erfolglos, er ist nicht zu fangen. Auch ein befreundeter Fliegenfischer versucht es, mit allen Raffinessen, mit den ausgefallensten Fliegen und auch zu den ausgefallensten Zeiten. Frühmorgens, wenn man oft die alten Bachforellen fangen kann, ebenso am späten Abend, Bruno ist mit allen Wassern gewaschen, weder Fischer noch Graureiher machen ihm Angst. Ein einmaliger Bursche, gerade wegen seinem gezackten hellen Strich auf seinem Schädel, vermutlich die Narbe einer Graureiherattacke. Letztes Jahr im Herbst war er weg, na immerhin, zwar nicht gefangen, aber dieser alte Bursche wird den kleinen Bachforellen nicht mehr gefährlich werden.
Gestern morgen war ein richtiger Herbsttag, neblig, verhangen, aber irgendwie warm. Man hat mich also genötigt, bewaffnet mit Rute und einigem Kleinkram, noch eine herbstliche Jagd auf Barsche im Bach anzutreten, allesamt "Geschenke" aus dem Stausee, ebenso gefrässige wie störrische Charakter, immer dazu bereit alles zu vertilgen was ihn ihr Maul hineinpasst. Wir fingen einige, benutzten "Rotaugenfetzen" als Köder, ein nicht mehr so geläufiger Köder, aber immer noch für eine Überraschung gut. Im Gumpen wo Bruno einst seine Kreise bedächtig zog war nichts zu gewinnen, dafür versprach der tiefe Abschnitt, wo einst der Kanal der Gerberei einmündete bessere Aussichten. Am Einlauf dieses Gumpens war es der erste Einwurf, die Pose ging sofort unter, eine erhebliche Gegenwehr und nach kurzem, aber heftigem Kampf befand sich Bruno im Unterfangkescher. Ich konnte es vermutlich genauso wenig glauben wie er, endlich sahen wir uns Auge in Auge. Dort die lidlosen Augen eines geborenen Jägers,beidseitig unter einer Schädelplatte mit einer gezackten Narbe, hier das verdutzte Gucken meinerseits. Er ist vermutlich das Grab des Inhalts mindestens eines Transportsacks der Fischereizuchtbetriebs, aber irgendwie konnte ich nicht den alten Priest den ich einst in Inverness erwarb, zu seinem abschließenden Einsatz kommen lassen. Bruno schwimmt wieder, transportiert in einem großen Eimer mit Wasser, weit unterhalb meiner Pachtstrecke in größerem Gewässer habe ich ihn wieder schwimmen lassen, dort soll er wieder auf Jagd gehen.
Viele Grüße
Roman
PS: Aber ich habe ihm gesagt, wenn die hohen Wasser kommen und alle Wehre wieder für seinesgelichen begehbar bzw. beschwimmbar sind, dann soll er nicht auf dumme Gedanken kommen, ich bin nicht immer gut gelaunt.