Strider WP G10 Recurve Tigerstripes - ein vernünftiger kleiner Kumpel!

  • In den gut 35 Jahren meines sehr regelmäßigen Umgangs mit Messern habe ich tatsächlich bis vor kurzem noch kein „reinrassiges“ Strider besessen – obwohl es eigentlich bei meiner Vorliebe für leidensfähige sehr stabile Gebrauchsmesser naheliegend gewesen wäre. Ein Buck-Strider ML besitze ich allerdings seit einigen Jahren und bin mit dem 7 mm starken Prügel sehr zufrieden.


    Ich gehe – bis auf wenige Lustkäufe wie den des wunderschönen ER Suppressor, den ich hoffentlich nie für den eigentlichen Verwendungszweck brauchen werde und praktisch für kaum einen andern brauchen kann – ziemlich pragmatisch an den Messerkauf heran und kaufe, völlig unbeachtlich des Produzenten, was mir durchdacht, robust und leistungsfähig erscheint: das ergibt ein „Arsenal“ mit Produkten vieler verschiedener Firmen, darunter auch wenig „noble“ Marken wie CRKT oder Ontario (mit guten Messern!). Auch ein Linton, sozusagen einen der „geborenen Feinde“ der Strider-Gemeinde, hab ich „zum Zerschroten“ als Einsatzwerkzeug mal erworben und habe die Legitimität von Bau und Kauf in verschiedenen Foren vehement verteidigt.


    Selbst meine Messer von Extrema Ratio und Blade Systems, jeweils eine ganze Anzahl mittlerweile, habe ich – bei aller Sympathie für die jeweiligen Macher und ihre Konzeptionen - nicht mit dem Willen gekauft, mir eine Sammlung ihrer Produkte anzulegen. Die ERs gehören für mich in ihrem Preissegment zu den robustesten, durchdachtesten und geeignetsten Serien-Einsatzmessern, die BS-Messer haben mir die Möglichkeit gegeben, sehr gute Verarbeitung mit einer auf meine Bedürfnisse und Vorstellungen exakt abzielenden „Punktlandung“ zu verbinden. Auch hier also eine rationale Basis, die dann auch – bei aller Freundschaft – bewirkt, daß ich den ER-Leuten z.B. auch sage, welche Modelle aus ihrem Sortiment mir nun gar nicht zusagen.


    Nun habe ich vor einigen Tagen die Gelegenheit bekommen, von Revierler aus Sammlungsbestand ein Strider WP Recurve mit G10-Griffschalen zu bekommen – und zugegriffen. Verschränkte Wickelgriffe sind nicht meine Favoriten, hier konnte ich also ein Strider mit Griffschalen und ziemlich „alltagsfreundlichen“ Maßen bekommen:


    IMG_8033.JPG


    (Bild von Revierler aus dessen Verkaufsthread gemopst)


    Das 19,7 cm lange Messer mit 9,7 cm langer und 3/8 Zoll (4,8 mm) starker Klinge aus dem pulvermetallurgischen S30V ist tigerstripe-beschichtet, die Wärmebehandlung durch Bos ist sozusagen ein Qualitätsgarant. Mit seiner maximal (am Parierelement) 25 mm hohen Klinge und insbesondere dem 14 mm starken und vorn gerade mal 15, hinten 22 mm hohen Griff wirkt das Messer ausgesprochen zierlich trotz seiner für die Größe recht ordentlichen Klingenstärke.


    Daher wirkt es, obwohl nur knapp anderthalb Zentimeter kürzer als ein ER-Shrapnel oder Fulcrum C, deutlich kleiner als diese – seine Maße (und auch sein Nettogewicht von ca. 140 g) entsprechen ziemlich denen des CRKT Hammond A.B.C., es ist gerade mal „eine Spur“ größer als ein CRKT Stiff KISS.


    Der optische Ersteindruck war so ansprechend wie der der Haptik: Strider „kann“ einfach dieses Muster sehr gut, gerade mit ein klein wenig Abnutzung sieht so eine Klinge sehr natürlich und sozusagen gelassen aus – wie jemand mit viel Einsatzerfahrung. Die Klingenform mit ihren Proportionen und ihrem „gutdosierten“ Recurve erscheint so stimmig wie wirksam. Auch das matte, rau texturierte G10 des Griffs ist nicht nur haptisch angenehm, sondern zeigt diesen cool-erfahrenen Look eines professionellen Gebrauchsgegenstands. Dazu gehören auch die flachen, eingesenkten schwarzen Schrauben – die dicken blanken Schrauben in den Tridents ärgern mich auf jedem Bild...Insgesamt kommt das „kleine Ding“ (na ja, ich hantiere halt auch sehr gern mit Messern wie dem Becker BK9 oder meinem Blade-Sytems Ursus...) bei aller vergleichsweisen Zierlichkeit durchaus als „vollwertiges Messer“ daher!


    Zumindest in meiner, mit Handschuhgröße 8 allerdings unterdurchschnittlich kleinen Hand liegt das Messer im Hammergriff forward ebenso angenehm und definiert wie im Reversegriff sowohl mit umgelegten als auch mit oben aufgelegtem Daumen. Das In-der-Hand-Gefühl ist in allen Handlagen angenehm und wirkt, wegen des nicht zu kleinen Gewichts, „satt“ genug. Ich mag Messer, die ich beim Bewegen in der Hand spüre.


    Für eine deutlich größere Hand ist der Griff mit einiger Wahrscheinlichkeit aber zu klein – und auch zu schlank für ein sicheres Handling in dickeren Handschuhen.


    Nun kenne ich allerdings – bei einiger Vergleichsmöglichkeit – KEIN für jeden Anwender gleichermaßen geeignetes Messer. Man muß das eben wissen, und als Anwender aus der „Kohlenschaufelfraktion“ oder auf der Suche nach einem Feuerwehrhandschuh-tauglichen Messer sollte man dann eben „eins drauflegen“ und vielleicht eher etwas in Richtung EB auswählen...Für Mädels, schlanke Jungs und Micha mit den zarten Händen ist der G10-Griff des WP jedenfalls größenmäßig okay.


    Es hätte auch keinen Sinn gemacht, die schräge Reverse-Daumenauflage der größeren EB-Reihe auch hier anzubringen, dazu ist selbst für meine Hand der Griff zu klein, der Daumen liegt nicht an der Kante auf, sondern legt sich über das Griffende. Dort hätte mir dann allerdings eine Riffelung sehr gut gefallen und funktional Sinn gemacht – vor allem aber vermisse ich vorn auf dem Klingenrücken eine Daumenriffelung.


    Bei Fightern mit geradem Griff ziehe ich zwar den Hammergriff wegen einer festeren, geschlosseneren Handhaltung vor, aber bei einem EDC wie dem WP neigt fast jeder Anwender bei bestimmten Schneidarbeiten dazu, entweder den Daumen oben aufzulegen („Säbelgriff“) oder auch die Klinge unter dem aufgelegten Zeigefinger zu führen, um die Spitze besonders genau dirigieren zu können.


    Nun habe ich zuviel Respekt vor der Sachkunde der Macher, um anzunehmen, daß ihnen so etwas entgeht – der „Verzicht“ auf diese Riffelungen wirkt also ein wenig so, als habe man da etwas zu sparen versucht.


    Ähnliches gilt für die Kydex-Scheide, in der das Messer allerdings ziemlich gut sitzt: Sie ist zwar aus sehr robustem Material, dafür hat man leider nach dem Umfalten darauf verzichtet, durch die vier Bohrlöcher am Rand (oder zumindest durch das oberste) entweder eine Hohlniete oder eine flache Schraube zu ziehen. Tatsächlich hat sich die Kante am oberen Rand schon leicht geöffnet, und erfahrungsgemäß erweitert sich bei Verzicht auf Nieten oder Schrauben dieser Spalt sukzessive durch das Wegstecken des Messers, bis der Kleber reißt.


    Das passiert nicht, wenn man ständig ein TekLok einschraubt – aber gerade dieses schlanke Messer in seiner schmalen und flachen Scheide ist sehr geeignet, um es im Stiefelschaft oder verdeckt innen in einer Einsatzjacke oder –weste zu tragen. Und da stört so ein TekLok sehr.


    Insgesamt also ein paar kleine gestalterische Details, die man durchaus hätte besser machen können – oder für die sich der kleine Mehrbetrag für ihre Berücksichtigung gelohnt hätte.


    Im Gesamteindruck kommt das Messer aber angenehm, stimmig, handlich und praktisch an. Nix mit Hype – es gefällt auch, wenn man nicht auf den dezent teilweise unter der Griffschale versteckten Herstellernamen schielt.


    Auch der Preis – zumindest der beim Kauf aus Revierlers Bestand – riecht nicht nach „Etikettenaufschlag“. Für den Preis eines ER-Shrapnel und deutlich weniger als für ein neues Professional Soldier von CR hab ich hier keinen „Laubsäge-Flachstahl“, sondern ein ziemlich schön designtes, sehr robustes Messer aus pulvermetallurgischem Stahl mit guter Klingenstärke, einem für mich sehr angenehmen G10-Griff und einer brauchbaren, gut passenden Kydex-Scheide (in der mittlerweile zwei Halteschrauben stecken...). Viele TOPS sind da nicht oder kaum billiger, diverse BMs oder Emersons deutlich teurer. Auch so etwas wie ein Blackhawk Crucible Fixed kostet in Deutschland deutlich mehr. Also auch hier kein Hype, keine Heldenverehrung – kein Billigmesser, aber auch kein „Ausreißer“ in diesem Qualitätsbereich.


    Praktischerweise kam das Messer einen Tag vor einem größeren Einsatz bei mir an, an dem Micha im Nomex-„Strampler“ und in Einsatzstiefeln teilgenommen hat. Also – dafür ist es, wie gesagt, bestens geeignet – in den Stiefel damit, unten angebunden, und fertig zur Erprobung. Praktischerweise muß man bei einer Rauschgift-Durchsuchung doch auch mal dies und das aufschneiden. Aber auch Dinge tun, die man – der reinen Lehre nach – mit Messern nicht unbedingt machen sollte, z.B. meißeln oder hebeln. Nun kann ich mich leider erstens nicht mit diesen kleinen „Pry-Tools“ anfreunden, schleppe zweitens soviel Ausrüstung mit mir rum, daß böse Zungen behaupten, in der Beintasche links wär bestimmt ein Schlauchboot und rechts ein Klapp-Hubschrauber , drittens rennt man mitten „beim Spielen“ nicht zwischendurch weg, um aus dem Auto dann doch den Geißfuß zu holen.


    Also wird dann doch mal mit dem Messer ne Leiste weggehebelt oder der TK-Steakklumpen auseinandergemeißelt...daher mag ich robuste Einsatzmesser...


    Das kleine Ding hat sich da sehr gut gemacht, es schneidet mit seinem Recurve und dank des ziemlich hohen Anschliffs trotz seiner Stärke und geringen Klingenhöhe sehr gut und hat mir auch die erwähnte missbräuchliche Nutzung nicht krumm genommen. Die Zukunft wird erweisen, wie es mit der Schnitthaltigkeit steht, ich bin zuversichtlich...


    Mein neues WP ist – alles in allem – ein vernünftiger, zuverlässiger kleiner Kumpel. Angenehm, damit umzugehen, angenehm, ihn an meiner Seite zu haben.
    Mit ein paar kleinen Eigenheiten, die anders vielleicht perfekter wären.
    Aber welcher Kumpel ist schon perfekt?

  • Cooler Bericht. Ausführlich und anschaulich! :cool:

    Wer seine Waffen zu Pflugscharen schmiedet, der wird für jene pflügen, die dies nicht getan haben.


    “We must reject the idea that every time a law’s broken, society is guilty rather than the lawbreaker. It is time to restore the American precept that each individual is accountable for his actions.” -- Ronald Reagan

  • Sehr informativer Bericht. :clap:
    Danke!
    Damit kann ich dieses schönes Teil schon mal von meiner Wunschliste streichen (zu klein).

    "Eet watt gor is, schnack watt wohr is und drink watt kloar is!"

  • Hallo Micha,
    ich schließe mich den Meinungen an.
    Ein sehr interessanter und ausführlichen Bericht, der sich angenehm lesen lässt. :clap:

  • @ toho


    ich mag (und besitze) auch kleine Messer. 8)
    Beim fixed Strider möchte ich jedoch einen Griff, der zu meinen Händen passt (wie z. B. beim Gw/Ar).
    Sonst hab ich zu wenig zum Anpacken (wie auch bei meinem ER Fulcrum C Tanto).
    ;)

    "Eet watt gor is, schnack watt wohr is und drink watt kloar is!"

  • servus
    sehr informativer bericht. dankeschön.
    könnte jemand ein messer in hand vergleichsphoto machen?


    nikko

  • dankeschön :)
    jetzt muss ich nur schauen das ich irgendwo eines günstig bekomme :tellem:
    nikko

  • Hier ein Größenvergleich zu Klingen und Griffen.


    ER Fulcrum C und CRKT Hammond A.B.C. kommen aus der gleichen "Größenklasse", der Griff des Fulcrum ist ebenso lang wie der des WP, hat aber mehr deutlich mehr Volumen - trägt daher aber auch mehr auf...


    Foto0014.jpg


    Dann ein Vergleich mit einem massigen Zehnzöller: Das WP liegt hier auf einem Blade-Systems Ursus


    Foto0016.jpg


    Und schließlich ein Größenvergleich mit verschiedenen anderen (...für meine Verhältnisse..) kleineren Messern:
    Blade-Systems OR Recurve Bowie, CRKT Hammond A.B.C., Strider WP, CRKT Stiff KISS, CRKT Russell Sting


    Foto0020.jpg

  • ...es muß ja unterwegs nicht immer der Marine Raider sein ;)


    Hier das WP mit einer taktischen Lampe und meinem "Stift für ganz böse Briefe" von Forumsfreund "290962"


    Foto0015.jpg


    ...ich nenn ihn ja lieber "Q-Botan", das Aussprechen der Zahlen gibt ja nicht wirklich nen schicken Namen, und er gibt sich wirklich soviel Mühe wie "Q", mir da nette Ausrüstung auf den Leib zu schneidern. :thumbup:



    ...und noch mal was für den helleren Teil des Tages - da gibt's ja auch dunkle Ecken...


    Foto0019.jpg

  • Sehr geiles Messer und schönes Review mit hübschen BIldern zum Tastaturbesabbern, vielen DAnk dafür :thumbup:

    beste Grüße, Alex
    Was willst Du mit dem Dolche, sprich! - Kartoffeln schälen, siehst Du's nicht?

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