And now for something completely different – Strider ED-E8



  • Bezeichnenderweise ist das ED-E8 hier bislang nicht ausführlich vorgestellt worden, was erstaunlich bis bedauerlich ist, weil es – ob man es nun mag oder nicht – auf jeden Fall ein bemerkenswertes und einigermaßen untypisches Strider ist, auf das man einmal einen Blick geworfen haben sollte. In Anknüpfung an den SJ-75-Folder, der angesichts ebenfalls ganz ungewohnter Formgebung, Klingenstärke und Gesamtlook als „strider-untypisch“ selbst oder gerade bei vielen eingefleischten „Striderholis“ nicht ungeteilt positive Aufnahme gefunden hat, präsentiert Strider mit dem ED-E8 etwas bei Klischeedenken gänzlich „Unstriderisches“ – ein hohlgeschliffenes, weniger als achtelzoll“starkes“ Fixed aus 154CM mit ergonomischer Griffgestaltung und feiner Spitze!


    Zu Beginn einmal ein paar Daten zur Vorstellung:


    Gesamtlänge mm: 180 mm (Strider-Angabe 175 mm)
    Griffhöhe max. mm: 28
    Klingenlänge mm / Schneide mm: 75 / 70
    Klingenstärke mm: 2,8 mm
    Klingenhöhe max. mm: 38
    Schliff: hohl
    Anschliffhöhe hinten/vorn mm: 15 / 20
    Nettogewicht g: 70 (Strider-Angabe: 60)


    Der Blick auf Bilder und Datenblatt zeigt: Das Messer paßt nicht in die Anwendungsklischees, die auf den ersten Blick zum Strider-Nimbus einigermaßen dazugehören– es ist weder eine scharfe Brechstange im Sinne der ultrarobusten Viertelzöller, die Strider berühmt gemacht haben, es ist damit auch kein ergeben mißbrauchsgeeignetes Allroundtool. Und – ganz ausdrücklich – es ist auch keine Waffe wie ein paar andere Strider Modelle: Das Messer ist ersichtlich so ausdrücklich als EDC im Sinne von „Every day carry“ und nicht von „Every combatant chopper“ gemacht, daß hoffentlich nicht mal der gestrenge und ultrasensible Herr M. aus W. darin eine Waffe vermuten würde.


    Daran wird hoffentlich auch die Beschichtung und der Look mit den berühmten Tiger-Stripes etwas ändern, die immer noch keiner besser und kaum einer so gut „kann“ wie Strider (…auch wenn Herr O. in seinem hilfreich gemeinten und in der Anwendung zuweilen schlimmstenfalls fatalen Aufsatz auch in der Beschichtung eines Messers Böses erkennen zu können vermeint und Gefahr läuft, aus der bundeswehrgrünen Taschenlampe für den rudimentär sachkundigen Waldmeister Dimpflmoser den Flakscheinwerfer des Grauens zu machen…). Ich mag den Look sehr, auch ohne Striderholic zu sein, die Stripes mit ihrem relativ geringen Kontrast und ihren unscharfen Übergängen ergeben einen sehr coolen, nach längerem Gebrauch ausschauenden und irgendwie „erfahrenen“ Tactical-Look. Man wird ja vielleicht bei aller Sachlichkeit auch einmal eingestehen können, daß so ein Look einfach auch gut gefällt…


  • Was in der Draufsicht natürlich dann zuallererst auffällt, ist die ungewöhnliche Kontur, die ja auch beim SJ-75 zuerst einmal die Strider-Gemeinde verblüffte, zuweilen abstieß. So ein Strider – insbesondere als Fixed – sieht ja ansonsten wirklich oft eher so aus wie das schon sprichwörtliche Stück Flachstahl, vorn robust „angespitzt“, unten mehr oder minder scharf, hinten Band drumgetüttelt – fertig, unkaputtbar, Lebenszeitgarantie inklusive.



    Was hier daherkommt, hat einen geneigten Griff und eine Daumenmulde mit einer sehr guten Auflage nach vorn, deren Position auf der Längsachse auch sehr gut zum unteren Anlagepunkt des Zeigefingers direkt hinter dem kleinen unteren Handschutz paßt. Der weitere Bogen bzw. Abfall des Griffrückens nach hinten paßt forward optimal in den Handballen, die untere Mulde für Zeige- und Mittelfinger paßt zumindest für meine ziemlich kleine Hand ebenfalls sehr gut. Die Fingerkuppen finden dabei zusätzlichen Halt und Orientierung in den v-förmigen Griffschlitzen. Ergonomisch ist das insgesamt wirklich sehr gut gemacht. Gebogene/geneigte Griffe und passende Fingermulden sind ja seit Jahren eines meiner Lieblingsthemen in der Gestaltungsdiskussion – da rennt Strider also bei mir offene Türen ein und überzeugt mit der Kontur!



    Das Messer hält sich übrigens auch reverse ziemlich gut, allerdings sehe ich die Hauptvorteile der Gestaltung im Forward-Griff, und zwar vorzugsweise im Säbelgriff / Filipino-Grip mit aufgelegtem Daumen, wie man das für präzise Schneidarbeiten häufig macht. Soll es noch präziser werden, legt man zuweilen ja auch mal den Zeigefinger auf den Klingenrücken, auch das kann man mit dem Messer richtig gut. Die Spitze liegt dann unter der Zeigefingerkuppe, und man kann damit schneiden wie mit einem Skalpell.



    Die Klingenform liegt irgendwo zwischen der mittlerweile ja auch im Tactical-Bereich sehr beliebten Santoku-Form und einer durch Heruntersetzen der Spitze asymmetrisch gewordenen „Leaf“-Form wie beim ER Shrapnel. Ungewöhnlich wird die Sache durch den Anschliff: Der ist erstens hohl (und zwar ausgeprägt!) und steigt zweitens zur Spitze hin von ca. 15 mm auf ca. 20 mm Anschliffhöhe an.
    Macht man so etwas nicht mit den gewohnten 3/16 oder Viertelzollklingen, sondern hier mit .110, also gerade mal 2,8 mm Klingen“stärke“, ergibt sich beim vorderen cm der Spitze eine „Stärke“ von geschätzt knapp 1 mm bei allerdings einiger Klingenhöhe! Der erste cm des ED-E8 sieht vom Rücken aus wirklich aus wie der eines dünnen Tafelmessers oder Küchenmessers, schneidet dafür allerdings dann auch bis zur Spitze wie ein Winterwind…..



    (hier vom Rücken aus gesehen)




    (hier - von der Schneide aus gesehen - noch deutlicher zu erkennen)


    Übrigens kam das Messer, auch das ist ja nicht jedem Strider gegeben, wirklich SEHR scharf aus der Box.

  • Die geringe Klingenstärke und die äußerst schneidfreudige, aber eben auch ziemlich grazile Spitze, nehmen das ED-E8 aus der Liga der Pry-Bars, schränken aber selbst im EDC-Bereich insgesamt die Allrounder-Eignung darauf ein, daß man das Messer konsequent als Schneidwerkzeug verwenden sollte.



    Die geringe Klingenstärke macht sich auch im Griff bemerkbar – und zwar unangenehm. 2,8 mm sind eher nichts für ein ungewickeltes Ganzstahlmesser. Kommen dann noch scharfe Riffelungen dazu wie insbesondere in der unteren Mulde, wird man das Messer eher in Handschuhen führen wollen – oder es für Anwendungen einsetzen, in denen man nicht lange und mit viel Druck damit umgehen muß. Strider könnte das mit den Riffelungen sicher besser, hat das aber wohl nicht mehr nötig und schlampt ebenso wie bei den Datenblattangaben.


    Man könnte natürlich wickeln, hat dann aber nichts mehr von der Riffelung – und das sehr leichte und auch mit der Scheide extrem flache Messer




    trägt sich eben auch so angenehm als Neckie (…oder bei mir zuweilen auf einem Blackhawk-Paddle am Kongohosen-Bund…). Als Neckie hängt das Messer am befestigten Cord ein wenig hoch, so etwa ab Kopfgr. 60 flappen beim Überstreifen auch mal die Ohren am relativ kurzen Bändsel, hängt es dann mal, trägt es sich aber SEHR angenehm….


    Also gestaltungsmäßig kein Outdoorer für Schnitzen & Co., nichts für ruppigen Allroundeinsatz – dafür aber ein Schneid-EDC für die eher urbane Umgebung oder besser für den eher moderaten Einsatz für Verpackungen, Bänder, störrischen Rosmarin. Mich hat das ED-E8 jetzt im ganzen Urlaub begleitet und diese Jobs erledigt, und zwar richtig gut. Ansonsten trage ich es, wenn entweder kein robuster Gebrauch abzusehen ist oder dafür etwas anderes auch noch zur Hand ist, z.B. ein separates Hebel- und Öffnungstool für Durchsuchungen….



    Kein Abenteuer-Messer, nicht der wilde Outdoorer – aber durchaus etwas für den „normalen“ Anwender mit „normalen“ Schneidjobs im Alltag, wenn er eben auf diesen Tactical-Look à la Strider steht und auch bereit ist, dafür zu zahlen…Man kommt nach Fracht und Steuern leider schnell auf 150 – 160 Euro selbst bei Direktimport, ich hab meins mal schicksalspielenderweise direkt nach dem Eintreffen angeboten, es wollte keiner….


    In der gleichen Preisklasse finde ich das Spartan Enyo wertiger, allroundgeeignetere gute Neckies gibt es weit günstiger, wie z.B. das ESEE Izula oder das KA-BAR Eskabar.


    Man muß also den Look schon mögen, was man durchaus kann, auch ohne Striderholic zu sein. Und man muß den Anwendungsbereich richtig einschätzen und sich darin wiederfinden. Ich selbst bedauere den Kauf des ED-E8 jedenfalls nicht und möchte es auch nicht mehr abgeben. Für Grobes habe ich genug Alternativen im Bestand und bedarfsweise dann auch bei der Hand. Als Zweitmesser und/oder urbanes EDC, insbesondere als Neckie, mag ich für den eigenen Gebrauch das ungewöhnliche ED-E8 gern und gehe gern damit um.


    OT und Nachtrag zu den Bildern:
    Die Ramme war vor Jahren ein Weihnachtsgeschenk von Jasmin :)

  • schönes Review. Kann mich dem nur anschließen.
    Hab eins in der Arbeitstasche für die Arbeit und eins mit Griffwicklung.
    Super EDC für mich. Lässt sich super am Gürtel tragen ohne das es die Hose direkt runterzieht. Und für 99% alles mir anfallenden Schneidaufgaben ausreichend.


    Hier die Bilder :



    T.I.T.A.N. 0081

    Einmal editiert, zuletzt von Mr. Smith ()

  • Hi Leute!


    Micha: Geniales Review eines Messers, das unterwegs zu mir ist :) Der Kommentar mit dem separaten Hebel- und Öffnungstool in Verbindung mit diesem Bild... Ich kann nicht mehr :D :D


    Bin ein großer Freund des klassischen ED und warte nun gespannt auf diesen Neuling, wobei das Messer das nun unterwegs ist nicht bei mir bleibt, sondern bereits verplant ist ;)


    Mich wunderts ein wenig, dass auch über das baby huey noch niemand berichtet hat... Aber das kommt wohl noch ;)


    Danke nochmals für die Bilder und deine Schilderungen!


    AJAX

    Plan - Prepare - Execute

  • Danke fürs Lob! :)


    Gemeint war natürlich primär ein kleineres Tool, wie etwa das von Wilson oder ein TOPS Pry Knife oder ähnliche stabile mit hebeltauglicher Meißelspitze versehene Tools. Strider stellt ja sowas auch her.


    In meinem Fall ist das seit einiger Zeit am großen Einsatzkoppel ein Eickhorn ABW 1, in der großen Einsatztasche ein Brecheisen bzw. ein Hawk mit Stahlstiel und für Türen eben der gezeigte "große Schlüssel". Wichtig ist mir allerdings, "am Mann" etwas zumindest für die leichteren Anwendungsfälle zu haben (Schubladen, Fenster, festsitzende Riegel, Kistenbretter usw.)

  • Super Review hat Spaß gemacht zu lesen. Dankeschön


    gruß Chris

  • Gruß,


    zunächst Micha danke auch ich Dir für Dein, gewohnt sehr gutes, Review dieses interessanten Messers!


    Insbesondere das Foto vom Klingenrücken macht die doch sehr STRIDER untypische - weil schmale Spitze - deutlich.
    Wie Du selber schreibst führt das zu den von Dir bereits genannten Vor- und Nachteilen. Man muss halt wissen was man will.


    MfG
    SKOLL

    So ein Strider - insbesondere als Fixed - sieht ja ansonsten wirklich oft eher so aus wie das schon sprichwörtliche Stück Flachstahl, vorn robust "angespitzt?" unten mehr oder minder scharf, hinten Band drumgetüttelt - fertig, unkaputtbar, Lebenszeitgarantie inklusive.

    P.S.: Hervorragende Zusammenfassung (die den STRIDER-Disliker den
    Kopfschütteln lässt und STRIDERholics wie mich - und ich könnte mir auch
    vorstellen AJAX - grinsend den Kopf nicken lässt! :evil: :thumbup:

    TYRSON

    2 Mal editiert, zuletzt von Skoll ()

  • Wieder ein sehr ausführliches und noch mehr aussagekräftiges Review. Ich bin kein Strideholic und mir ist das Messer auch noch nicht wirklich aufgefallen. Das hast du jetzt geändert. Danke!

    MfG, Joachim
    Nachrichten bitte per E-Mail.

  • Tolles Review....super erklärt.
    Das Ganze mit tollen Fotos untermauert die in mir den Eindruck erwecken,daß man mit´m Micha besser kein Stress anfängt.


    Danke für´s zeigen


    Butch

    Es sind schon viele Dünne gestorben,aber noch kein Dicker geplatzt!

  • Mal nach nem Dreivierteljahr Nutzung hochgeholt:


    Das Messer hat sich bewährt und wird häufig in der beim Bestand fast zwangsläufigen EDC-Rudel-Rotation mitgetragen, meist als Neckie oder in einer Hosentasche. Die Praxis bringt keine Abstriche in der positiven Bewertung, das untypische Striderlein macht einen guten Job, solange man eben damit schneidet.


    Aber Strider bekommt mit diesem Messer für das Ergebnis der zugegeben coolsten Stripes der Szene hin, die Oberfläche eines 154CM-Stahl-Messers mit satten 14 Prozent Chrom so rostanfällig zu machen wie ein unpoliertes C-Stahl-Messer :)
    Letztens hab ich irgendwas Klebriges, wohl auch mit Fruchtsäuren, unterwegs geschnitten und hab blöderweise das Messer in gewisser Eile nur grob abgewischt, ohne es abzuwaschen. Schon nach kurzer Zeit waren die Flanken mit fetten Roststreifen "verziert".


    In dem Trio bis Quartett der albernen 42a-Zeiten ist das ED-E8 sehr oft dabei, ich bin froh, daß sich damals keiner gefunden hat, der es mir abnehmen wollte, als ich direkt zu Beginn damit ein wenig Schicksal gespielt hab :)

  • Deine Meinung teile ich auf ganzer Linie bin froh das ich auch welche habe. Ein spitzen Messer!


    Gruß Chris

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