Hallo Zusammen,
ich hatte schon länger vor mal mein Wissen und meine Eindrücke die ich im Studium erworben habe zu teilen. Dieser kleine Ratgeber richtet sich in seiner Ausführung gezielt an Anfänger und Fortgeschrittene, die etwas mehr über Stahl wissen möchten. Ich bin im Moment im 5. Semester Maschinenbau Fachrichtung Material und Fertigungstechnik, kann somit schon das Ein oder Andere erzählen. Zu Beginn nur ein paar Punkte, falls mir noch etwas einfällt oder Anregungen kommen werde ich editieren. Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit, es soll nur eine kleine Einführung sein, in der ich viele Fachausdrücke vermeiden wollte. Über Anregungen und Kritik würde ich mich freuen. Und sagt wenn ich was vergessen habe.
Stahl
Was ist eigentlich Stahl?
Stahl ist eine Verbindung aus den Elementen Eisen(Fe) und Kohlenstoff©. Bis zu einem Kohlenstoffgehalt von 2,06% reden wir von Stahl, weil in diesem Bereich der Kohlenstoff in seiner „Normalform“ vorliegt und zur Vergütung genutzt werden kann. Ab 2,06% sprechen wir von „Guss“ denn der Kohlenstoff liegt dann auch als Graphit vor.
Was macht Stahl zu einem geeigneten Material für Klingen?
Stahl ist einer der vielseitigsten Werkstoffe die es gibt. Durch Wärmebehandlung und/oder hinzufügen von anderen Elementen, kann man seine Eigenschaften gezielt und effektiv steuern. So gibt es Stähle die enorme Beanspruchungen aushalten und andere, die enorm Verschleiß- oder Korrosionsbeständig sind.
Legierung
Man kann also die Eigenschaften von Stahl verändern, indem man andere Elemente hinzugibt. Man spricht dann von einer Legierung. Eisen kommt in der Natur in Form von Erz vor, was sowohl im Boden ( Skandinavisches Rasenerz) als auch tief im Erdreich zu finden ist. Man findet in diesem Erz meistens auch andere Elemente, die sogenannten Eisenbegleiter. Diese sind Kohlenstoff, Phosphor, Schwefel, Mangan, usw. Schwefel beispielsweise ist ein sogenannter Stahlschädling, da er die Eigenschaften mehr negativ als positiv beeinträchtigt(in der Industrie wegen Kurzspanbildung manchmal bei Automatenstählen eingesetzt). Ziel einer Legierung kann eine erhöhte Verschleissbeständigkeit sein( Karbidbilder) oder eine erhöhte Korrosionsbeständigkeit(Chrom-Nickel-Stähle). Karbide sind Legierungen aus Kohlenstoff mit anderen Metallen und sind sich wie Schokostückchen in einem Cookie vorzustellen.
Die wichtigsten Legierungselemente sind:
Kohlenstoff: sorgt für die Vergütbarkeit des Stahls, erhöht Festigkeit, Verschleißfestigkeit
Chrom: trägt zur Korrosionsbeständigkeit bei(ab 10,5% laut Literatur, allgemein ab 12%) durch Bildung einer „Opfer“ Oxidschicht, trägt zur Einhärttiefe bei
Molybdän: Sowohl Karbidbildner als auch Beitrag zur verbesserten Korrosionsbeständigkeit
Nickel: Korrosionsbeständigkeit
Wolfram: sehr harter und kleiner Karbidbildner
Kobalt: Bindephasenmetall, sorgt für bessere Bindung von Karbiden im Eisen
Wärmebehandlung
Wichtiger noch als die Legierung, ist die Wärmebehandlung. Man kann an dieser Stelle einen guten Vergleich zum Kochen ziehen. Wenn man gute Zutaten nicht verarbeiten und angemessen kochen kann, wird am Ende kein schmackhaftes Gericht entstehen. So ist es auch bei Stahl. Mit wärmebehandelnden Maßnahmen kann man die Eigenschaften des Stahls drastisch verändern. Einige Verfahren sind das Weichglühen, Normalisieren, Grobkornglühen, Spannungsarmglühen und nicht zuletzt das Härten mit Anlassen. Diese Verfahren werden teils alleine aber meist in Kombination ausgeführt. Nehmen wir als Beispiel kurz das Härten mit Anlassen, dabei spricht man von Vergütung.
Hier gibt es 2 Grundlegende Verfahren. Stahl mit einem Kohlenstoffgehalt größer 0,25% eignet sich zum Umwandlungshärten. Dabei wird der Stahl auf eine bestimmte Temperatur erhitzt(lässt sich anhand des C-Gehaltes im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm ablesen). Bei dieser sogenannten Austenitisierungstemperatur entsteht das Gefüge Austenit, welches mehr Kohlenstoff aufnehmen kann als die Gefüge bei Raumtemperatur(Ferrit, Perlit). Nach kurzer Haltezeit auf Austenitisierungstemperatur, wird die Temperatur drastisch gesenkt, was zur Folge hat, dass der Kohlenstoff sich nicht wieder in seine Raumtemperaturgefüge lösen kann. Es bildet sich Martensit. Der Stahl wurde gehärtet. Damit man den Stahl danach auch benutzen kann, wird er angelassen. Dies geschieht bei Temperaturen die deutlich kleiner sind als die Austenitisierungstemperatur und bewirkt, dass sich die entstandenen Spannungen im Stahl lösen. Der Stahl verliert an Härte und gewinnt an Duktilität(Zähigkeit). Er ist Gebrauchsfähig.
Das zweite Verfahren nennt man Ausscheidungshärten. Dieses Verfahren wird bei Stählen mit einem C-Gehalt kleiner 0,25% angewendet, da dieser sich nicht zur Umwandlungshärtung eignet. Benötigt werden dazu noch andere Legierungselemente, im Gegensatz zur Umwandlungshärtung die nur mit Eisen und Kohlenstoff funktioniert. Die Ausscheidungshärtung kann auch für Kupferlegierungen, als Beispiel Cu-Be also Kuper-Beryllium, verwendet werden. Beim „Anlassen“ einer Ausscheidungshärtung passiert der entgegengesetzte Effekt des Anlassens einer Umwandlungshärtung; der Stahl gewinnt an Härte. Grund ist der durch das Ausscheiden bereitgestellte Kohlenstoff. Beispiele dafür sind diverse Besteck-Stähle sowie Spyderco’s Hitachi H1.
Fehlerquellen im Stahl
Da in der Realität leider (oder zum Glück) nicht alles glatt läuft bzw. die Theorie nicht alle Fehlerquellen ausschließt, muss man bei der Stahlherstellung und Behandlung besondere Sorgfalt walten lassen. Mögliche Fehler sind:
Lunker(Gasanschlüsse im Metall, die sich teilweise entfernen lassen),
Schlacke(kann bei der Herstellung abgeschöpft werden),
Seigerungen(konzentrationsunterschiede von z.B Kohlenstoff über den Querschnitt),
Festigkeit
Ich lese ab und zu Beiträge, in denen wild mit Begriffen um sich geworfen wird, die nicht zu dem Gemeinten passen. An dieser Stelle möchte ich niemanden kritisieren, denn im Internet steht nicht immer die Wahrheit und man kann auch nicht alles nachprüfen. Deshalb in Kurzform ein paar Begriffe erläutert.
Festigkeit: Widerstand des Werkstücks gegen Verformung(Torsion, Biegung, Zug/Druck)
Warmfestigkeit: Keine nennenswerte Änderung der Eigenschaften bis zu bestimmten Temperaturen
Verschleißfestigkeit: Widerstand des Werkstücks gegen abrasive(also abtragenden) Beanspruchung
Korrosionsbeständigkeit: Stahl „rostet“ nicht bzw. Stahl bildet keine Eisenoxidschicht auf der Oberfläche.
Zähigkeit: Verhalten des Werkstücks bei Versagen (Bruchdehnung)
Duktilität: Verhalten des Werkstücks bei Verformung( Stichwort: Biegen ohne Brechen; wobei es irgendwann bei geeigneter Beanspruchung immer zum Bruch, also Versagen, kommt)
Belastung: Von außen wirkende Kraft
Beanspruchung: Spannungen die dadurch im Bauteil auftreten. (Belastung ist nicht gleich Beanspruchung)
Kerben
Wenn dann der Stahl nun in Form(eines Messers) ist, gibt es weitere Faktoren, die seine Eigenschaften beeinflussen. Hauptsächlich ist es die Geometrie.
Typische Kerben sind:
Querschnittsänderungen(Absätze),
Schweißnähte(kommt eher nicht bei Messern vor),
Bohrungen,
Gewinde.
Nehmen wir als Beispiel eine Querschnittsänderung die wir alle kennen, der Steckerl. Hier haben wir den klassischen Fall einer Kerbe, denn am Übergang von Klinge zu Erl(der sich ja meist verjüngt) entstehen Spannungsspitzen. Die Belastung kann an dieser Stelle zwar geringer als anderswo sein, die Beanspruchung ist aufgrund der Form(meist in Richtung 90° Absatz mit kleinem Radius) aber um einiges größer, als an anderer Stelle derselben Materialstärke. Man Unterscheidet noch anhand der „schärfe“ der Kerbe, also wie groß die Kerbwirkung an der jeweiligen Stelle ist.