Retro-Tactical: SOG-Bowie von Böker aus Seki

  • Danke an Micha M. für den Begriff. :P


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    Kurzer Geschichtsexkurs: 1963 wurde während des Vietnamkrieges zur Unterstützung der dort operierenden Spezialkräfte das Counterinsurgency Support Office (CISO) gegründet. Standort war Okinawa, Aufgabe war die Beschaffung und Entwicklung von Ausrüstung, die keine Herstellerkennung aufwies und so nicht zu den USA zurückverfolgt werden konnte. Stellvertretender Leiter und kreativer Kopf war der zivile Angestellte Conrad "Ben" Baker. Unter seiner Leitung entstanden Uniformen, Rücksäcke und natürlich Messer. Er entwarf drei Modelle, die heute noch gebaut werden:


    -das Recon Bowie, 7" Klinge, insgesamt gebaut 1.308 Stück in 1964
    -das SOG Bowie, 6" Klinge, insgesamt gebaut 6.600 Stück (1.200 in 1966, 3.700 in 1967 und weitere 1.700 für eine Veteranenkameradschaft Anfang 1968
    -das Scuba/Demo, 7 1/4 " Klinge, insgesamt gebaut 39 Stück, davon 36 im Einsatz verloren gegangen


    Alle Messer hatten schwarze Lederscheiden mit einer aufgesetzten Tasche für einen Schleifstein sowie Griffe aus gepreßten und verleimten Lederscheiben. Recon und SOG hatten schwarz brünierte Klingen aus Kohlenstoffstahl, während das Scuba eine blanke Klinge aus einer rostfreien Legierung hatte, an deren Bezeichnung sich heute keiner mehr erinnnern kann. Produziert wurden sie bei verschiedenen Herstellern in Japan für Stückpreise um die 10$, heute werden sie unter Sammlern um das hundertfache gehandelt. Ein Scuba dürfte deutlich mehr einbringen, wenn denn mal eines wieder auftauchen würde.


    Hier mal mein erster Kontakt (oder auch erster Fix) mit dem Messer, ein zehnseitiger Artikel in der Visier 02/2002, Messer mit Entwickler und Vergleich zu (s)einem Original:


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    Als in den 1980ern die Firma SOG Speciality Knives den Betrieb aufnahm wurde auch die Produktion von Bakers Entwürfen wieder aufgenommen, allerdings ohne Nennung des Designers. Das SOG-Bowie war das erste von SOG produzierte Messer und wurde zum Flaggschiff der Firma, später folgten auch das Recon und das Scuba/Demo. Alle drei Modelle werden heute noch gebaut, wurden allerdings teils massiven Faceliftings unterworfen (bspw. Umstellung des Griffs von Leder auf Kraton) und die Produktion wurde von Japan nach Taiwan verlegt.


    Im Jahr 2003, zum 30 Jährigen Jubiläum der Auflösung des CISO, bestellte Böker bei Hattori in Seki eine auf 300 Stück limitierte Sonderserie des SOG. Ein Stück dieser Serie konnte ich kürzlich ergattern (An dieser Stelle Danke an Georg von G-Gear) und möchte es hier vorstellen.


    Abmessungen:


    Gesamtlänge 28,5cm
    Klingenlänge 16,2cm, davon 14,1cm scharf
    Grifflänge 12cm
    Klingendicke 6,9mm
    Gewicht 330g
    SK5 Kohlenstoffstahl mit polierter Gun Blue brünierung



    Das Messer hat insgesamt vier Gravuren:


    Signatur des Designers
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    Inoffizielles Wappen des "Hauptkunden" des CISO, des MACV-SOG (Military Assistance Command, Vietnam – Studies and Observations Group)
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    Widmung
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    und Nummer
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    Die Scheide ist für meine Begriffe sehr gut gemacht, beim Versorgen hat ein Vorbesitzer mal reingepiekt, das ist angesichts der sehr feinen Spitze auch nicht verwunderlich.
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    Kopportunist #0011

  • Wirklich tolles Messer. Ich besitze selbst ein Sog S1, jedoch ist nur noch die Klinge in guten Zustand, alles andere ist in nem Keller beim vorbesitzer vergammelt :(

    Mfg Andreas




    Ist das Spiel vorbei, landen Bauer und König in der selben Kiste.

  • diese Messer haben mich immer schon interessiert. Das Ganze hat angefangen mit dem Buch -Kampfmesser-, dort sind sie auf Seite 94 abgebildet (das Buch ist die Erstausgabe von 1981, die Seite 94 trägt übrigens keine Seitenzahl, wieso auch immer). Ich konnte alle Kampfmesser in diesem Stil irgendwie nie den Abbildungen in diesem Buch zuordnen. Ich habe mir den Artikel in "Fighting Knives" Fall 1991 zu Gemüte geführt, anscheinend war die Abbildung in dem Buch -Kampfmesser- irgendwie perspektivisch falsch oder die Abbildung wurde "frei Schnauze" gemacht. Das im Buch abgebildete Messer weist den gleichen Schliff aus, sieht aber durch seine etwas breitere Form als das Original weitaus "bösartiger" aus. Was mich auch wundert ist dass der Autor dort schreibt die Parierelemente seien aus Eisen oder Aluminium gewesen.
    Wenn ich dann den Artikel aus -Fighting Knives- sehe mit all den Originalmessern, dann gehe ich mal davon aus dass die Abbildung in meinem Buch etwas aus "dem Leim gegangen ist", weil diese Originalkampfmesser alle relativ schlanke Klingen haben. Die Parierelemente bei den Originalen waren anscheinend auch aus Messing, allerdings in etwas anderer Form, die sahen irgendwie stromlinienförmig aus, den Ausdruck muss man mir verzeihen, aber diese PE´s passen designmässig wirklich in die Sechziger.
    Das Messer hier im Thread ist nach wie vor ein Stück Messergeschichte, vielen Dank für das Vorstellen und die Nahaufnahmen des Messers.
    Viele Grüße
    Roman
    PS: Dieser Ben Baker, ich glaube das war kein richtiger "Zivilangestellter", er trägt auf mehreren Fotos Uniform ohne Rangabzeichen und seine von ihm bevorzugte Waffe ist die Fallschirmjägerausführung des M2 Karabiners, das passt doch irgendwie nicht zu Zivilisten.

    panta rhei

  • Beim Aufgabenzuschnitt seiner Dienststelle - die ja nicht zufällig auch viele "sterile", hinsichtlich Kennzeichnung nicht "rückverfolgbare" oder verbindlich zuweisbare Ausrüstungsgegenstände für Missionen verteilt hat, die offiziell nicht bestätigt worden wären - war Bakers Status vermutlich kein Zufall. Das Outsourcing selbst operativer SE-Missionen im militärischen Bereich an "Fachkräfte" ohne formelle Truppenzugehörigkeit ist ja in den USA durchaus nicht unüblich und hat ja mittlerweile beträchtliche Ausmaße angenommen.


    Der Grund, warum ich diese Messer - mit viel Sympathie - "retro-tactical" genannt habe, liegt darin, daß sie selbst zur Zeit ihrer Diensteinführung eigentlich bereits "retro" waren und sich auch in den Sechzigern doch noch vom damals modernen Stil unterschieden. Das lag daran, daß die Designer nicht vom leeren Blatt oder mit modernen Vergleichsmessern arbeiteten, sondern mit Vorbildern alter großer Jagdmesser und Fighter von Marbles und Randall. Schaut man sich heute mal ein Randall 4-8 an, werden die Analogien schon sichtbar:


    http://media.liveauctiongroup.…0_1.jpg?v=8CD1F0C0ABF8460


    Das Randall hat übrigens dann auch schon wieder ein wenig mehr Klingenhöhe als das SOG-Bowie, insbesondere auch mehr als das Recon-Bowie. Insofern, Roman, empfinde ich die "Perspektivverzerrung" Deiner Vorbilder durchaus als Glücksfall, wenn ich mir Deine Resultate anschaue.


    Deine handgemachten Vietnam-Bowies sind heute das Schönste und Interessanteste, was mir bislang in diesem Bereich untergekommen ist (...und haben mich wohl für Serienmodelle einigermaßen "versaut" :) ).


    Und einen bei den Originalen von den damaligen Anwendern durchaus gescholtenen Nachteil weisen sie nicht auf: Die häufig als zu dünn ausgeschliffen und fragil empfundene Spitze. Man darf ja nicht vergessen, daß selbst diese Messer in der Mehrzahl ihrer Anwendungen als militärisches Werkzeug eingesetzt wurden und nicht ausschließlich als Fighter.


    Übrigens hat auch der SK5 mit der Brünierung, die uns heute das Maul wässrig macht (...ich liebe den Look meines Recon-Bowie!...) bei der Anwendung in Südostasien nicht NUR Begeisterung ausgelöst, denn die Messer galten als ziemlich rostempfindlich im dortigen Klima.


    Insgesamt freue ich mich ausgesprochen, daß diese Messer mittlerweile wieder soviel Interesse und Freude erregen, ich mag sie ebenfalls sehr. Zwischenzeitlich haben Sammler wie etwa Oslofjord solche Messer z.T. über Jahre zu Schnäppchenpreisen angeboten, ohne sie an den Mann bringen zu können, das wäre heute sicher - trotz einer so empfundenen gewissen Flaute beim Sammlermesserverkauf - vermutlich anders. Ich ärgere mich jedenfalls noch heute, daß ich seinerzeit nicht neben dem Recon Bowie auch das SOG Scuba Demo mit Lederscheibengriff gekauft habe :)


    Die heutigen modernen Versionen von SOG mit Kratongriff entfalten für mich leider längst nicht den Zauber der alten Lederscheibengriff-Modelle....

  • Wenn ich gewusst hätte, das SOG das Scuba Demo aus dem Programm nehmen wird, hätte ich viel früher zugeschlagen. Die neuen SOG Messer haben bei weitem nicht mehr den Charme, den sie einmal hatte.


    So ein altes Tigershark oder Scuba Demo hätte ich nur allzu gern. Jetzt war ich wieder mal weg von den Fightern und werde von diesen Klassikern wieder zurückgeholt.


    http://www.youtube.com/watch?v=UPw-3e_pzqU

  • PS: Dieser Ben Baker, ich glaube das war kein richtiger "Zivilangestellter", er trägt auf mehreren Fotos Uniform ohne Rangabzeichen und seine von ihm bevorzugte Waffe ist die Fallschirmjägerausführung des M2 Karabiners, das passt doch irgendwie nicht zu Zivilisten.

    Laut dem Visierartikel hat er in Korea gedient, war während des Vietnamkrieges aber auch als Zivilangestellter durchaus im Einsatzgebiet unterwegs um sich Anwenderfeedback zu holen- Fallschirmabsprünge inklusive. Er hat neben dem US- auch das Thailändische und Südvietnamesische Springerabzeichen erworben.


    Das lag daran, daß die Designer nicht vom leeren Blatt oder mit modernen Vergleichsmessern arbeiteten, sondern mit Vorbildern alter großer Jagdmesser und Fighter von Marbles und Randall.

    Baker sagte im Interview selbst, dass das Vorbild insbesondere für den Griff ein Jagdmesser seines Vaters war, ein Marbles aus den 20ern.

    So ein altes Tigershark oder Scuba Demo hätte ich nur allzu gern.

    Da bleibt leider nur Ebay. Einige Scubas waren da in letzter Zeit drin.

    Kopportunist #0011

  • Ich bin auch froh, daß ich bereits vor Jahren nicht widerstehen konnte und mir ein SOG in der Sonderedition der 5th Special Forces Group in die Sammlung genommen habe.


    Ich meine, das Böker Projekt hat namals Dietmar Pohl angestoßen, als er noch Chefdesigner bei Böker war.


    Nachtrag: Anbei nochmal einige Impressionen sowie - als Vergleich - eine SOG Tech Bowie Special Edition 2005 mit Kydex-Scheide. Das gab es damals irgendow im Angebot und ich wollte es mir als reines Gebrauchsmesser beschaffen. :thumbup:


    DWH

  • Ich habe bei mir bemerkt, daß ich (ohne in Michas Altersklasse zu sein) trotzdem eine Wendung in meinem Sammelinteresse bemerke. Retro paßt schon ganz gut. Die "Striderlust" wird weniger, um das mal als Beispiel für die modern-tactical Messer zu nennen.
    Stattdessen finde ich mehr und mehr Gefallen an zB den Blackjack 1-7 oder HALO Attack mit Stack leather Griffen, die oben gezeigten Bowies machen wirklich Lust auf mehr.


    Ein SOG Seal (Plastikgriff) gehörte zu meinen ersten Messern, damals als Jugendlicher mühsamst zusammengespart und gekauft, als ein Altersnachweis noch keine Sau interessiert hat...


    SOG hat ja auch noch Ledergriffe im Programm, da werde ich wohl mal vorbeischauen müssen. Ein Ka-Bar ist schon im Bestand, sowas gehört in jeden Haushalt.


    Vielen Dank fürs Zeigen, insbesondere auf und mit zeitgenössischem Hintergrund, und vielen Dank für die Erläuterungen!

  • Ich kann mich den Vorrednern nur anschliessen, diese Klassiker haben einen gewissen Charme, den ich bei den vielen Produktionen heutzutage vermisse.
    Ich war schon als Youngster von den alten SOG Modellen schwer fasziniert, und hatte dann später das Glück einige davon zu erstehen.
    Von der Optik her waren die Modelle mit den Lederscheibengriffen klar die Favoriten, von der Haptik waren mir die Kratongriffe lieber, besonders bei nassen Händen.
    Auf dem Bild ein altes Tigershark, ein Tech und ein Scuba

  • Wirklich tolles Messer. Ich besitze selbst ein Sog S1, jedoch ist nur noch die Klinge in guten Zustand, alles andere ist in nem Keller beim vorbesitzer vergammelt :(


    Obenaufs Heavy Duty LP ....eine Lederpflege die es afaik nur in den USA gibt, aber erste Sahne, grade für massiv angegriffene Ledergriffe oder Scheiden absolut Top

    Das Leben ist zu kurz für schlechte Scheiden.

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