Ray Mears, Mors Kochanski und Cody Lundin. Diesen drei ist nicht nur gemein, dass sie wohl zu den prominentesten Vertretern der in den letzten Jahren sehr populär gewordenen Bushcraft-Szene gehören, sondern auch ihre Vorliebe für Messer mit skandinavischem Schliff. Dieser verfügt meist über keine Sekundärfase, verleiht dem Messer eine enorme Schärfe und wird - wie es der Name schon nahelegt - häufig in nordischen Messern verwendet. Persönlich schätze ich diesen Schliff, da er nicht nur äußerst scharf ist, sondern auch relativ einfach nachgeschärft werden kann.
Viele kennen ihn von den Messern der Firma Mora, die besonders auf Grund ihrer Qualität und geringen Preises bevorzugt Einsteigern im Messer- und Outdoorbereich empfohlen werden. Vielen Nutzern sind allerdings die dünnen Klingen oder die teilweise billig wirkenden Plastik- oder mit roter Farbe überzogene Holzgriffe der Moras ein Dorn im Auge. Sucht man etwas Robusteres und Hochwertigeres mit Skandischliff <100€, dann lichtet sich das ansonsten reichhaltige Angebot der Messerindustrie spürbar. Ich wünsche mir beispielsweise bei solch einem Messer einen Flacherl mit 3 - 4 mm Klingenstärke und Micarta-Beschalung. Bei der Suche nach solch einem Messer bin ich unter anderem auf die Firma Casström aus Schweden gestoßen.
Das “Casström No. 10 Swedish Forest Knife”, welches vom besagten Unternehmen Casström AB angeboten wird, gibt es seit Herbst 2012. Seit Anfang 2014 gibt es das Messer bereits in einer aktualisierten und deutlich modifizierten Version, über die ich im Folgenden berichten möchte. Anzumerken ist noch, dass die Neuauflage des No. 10 jetzt auch in flachgeschliffener Ausführung erhältlich ist.
Form und Haptik
Bereits beim Auspacken fiel mir der deutlich abgewinkelte Griff des Messers auf, was ich in der Form bisher noch bei keinem “Bushcrafter” gesehen habe. Natürlich ist es auf den Produktbildern zu sehen aber das Ausmaß war dann doch überraschend, als ich das Messer in den Händen hielt. In die Hand genommen, fällt der Knick nicht so stark auf. Man hätte diese stilistische Eigenart meiner Meinung nach aber lieber gelassen. Darüber hinaus wartet das Messer mit einem teilweise üppigen Griffvolumen auf - im Vergleich zu den Maßen des restlichen Messers. Gepaart mit dem relativ langen Griff ist das Casström wohl besonders für Menschen mit größeren Händen konzipiert worden. Zum Griffende hin werden die Griffschalen immer dünner, um dann Kurz vor dem Griffabschluß wieder dicker zu werden. Ob das dem Handling nun tatsächlich zuträglich ist oder eher aus optischen Gründen gemacht wurde, kann ich nicht wirklich beurteilen. Der Griff sieht im Verhältnis zum Messer eher etwas überdimensioniert aus.
Was mir sehr entgegenkommt: Der Abstand zwischen Klinge und Griff ist beim No. 10 sehr kurz gehalten. Hier ist kein Platz oder wertvolle Klingenlänge “verschenkt” worden, was sich auch positiv auf den Hebel auswirkt. Natürlich erhöht das andererseits auch die Gefahr mit dem Zeigefinger, für den am Griff eine Mulde eingebracht wurde, versehentlich in die Klinge zu rutschen - Vorsicht ist also wie immer geboten.
Für meinen Geschmack ist das Micarta zu wenig abgerundet, was mir beim in die Handnehmen des Messer ein wenig das Gefühl vermittelt, als hätte ich einen rechteckigen Griff in der Hand. Hier muss der Hobbybastler also bei Bedarf etwas Material mit Feile und Schmiergelpapier abtragen. Für mich wäre diese Modifkation kein großes Problem, für manch anderen aber vllt. ein K.O. Kriterium.
Nach Rücksprache mit dem Designer des Messer wurde mir die Information gegeben, dass das Griffdesign absichtlich so gewählt wurde, da man sich von dem normalerweise runden Design der skandinavischen Messern abheben wollte. Zudem soll das rechteckige Design dem Benutzer auch bei Dunkelheit eine Orientierung geben, wie er das Messer hält. (Im Dunkeln oder bei schlechter Sicht mit einem scharfen Messer zu hantieren wäre mir allerdings zu gefährlich.)
Funktion
Bedingt durch seinen Schliff ist das Casström No. 10 Swedish Forest Knife eher für das Schnitzen von Holz und dem Schneiden von faserigem Material in der Natur geeignet. Vom Spalten oder gar Hacken sollte auf Grund der feinen und anfälligeren Schneide abgesehen werden, da man sich diese sonst schnell ruiniert. Apropos Schneide...die war bei der Auslieferung zwar anständig scharf - für mich geht es aber meistens noch schärfer als das, was die Firmen ausliefern. Deshalb habe ich nach dem Anfertigen der ersten Fotos und einigen Tests erst mal die Klinge rasiermesserscharf geschliffen.
Die Standardaufgaben, die man an ein solches Messer stellen würde, hat es in meinen Augen recht gut absolviert. Das Schnitzen und Auffächern von Holz ging - abgesehen von der bereits angesprochenen “eckigen” Handlage - wie erwartet recht gut. Natürlich sind Messer mit einer Klingenstärke von 2-3 mm etwas schnittiger. Hier müssen eben Abstriche gemacht werden, wenn man eine etwas robustere Klinge haben möchte.
Um die Belastbarkeit des Messers und die Anfälligkeit für Schäden an der Schneide etwas auszuloten, habe ich etwas auf Holz gehackt und gespalten. Sollte man wie gesagt nicht machen, hat der Schneide allerdings keine Ausbrüche oder sonstigen Schäden beschert - und das nachdem ich die Schneide bei ca. 2x11° auf 0 ausgeschliffen hatte!
Das Casström wird in einer schwarzen Lederscheide geliefert. Ohne viele Vergleiche oder Erfahrungen mit Lederscheiden zu haben, würde ich sie als “den Zweck erfüllend” beschreiben. Soll heißen: sie wirkt etwas rustikal verarbeitet und die Nähte sind nicht besonders elegant. Die Gefahr, dass die Scheide auseinander fällt, das Messer nicht sicher hält oder man sich den Keder bzw. die Scheide beim Zurückstecken des Messers “zerschneidet”, sehe ich allerdings nicht. Von daher bin ich mit ihr zufrieden.
Qualität und Verarbeitung
Allgemein würde ich die Verarbeitungsqualität des Messers als recht gut einordnen. An der Klinge gab es für mich nichts auszusetzen. Der Schliff wurde beidseitig symmetrisch angebracht und verfügte bei Auslieferung über eine leichte Sekundärfase.
Am Griff fielen mir vereinzelnd winzige aber dennoch mit dem Auge erkennbare Spalte zwischen Erl und Griffschale (bzw. deren schwarzen Linern) auf. Aus diesem Grund bin ich geneigt anzunehmen, dass entweder kein oder etwas zu wenig Kleber auf den Erl aufgetragen wurde. Ich bezweifel allerdings, dass das negative Konsequenzen (=Rost unter den Griffschalen) nach sich ziehen wird.
Ansonsten ist auch der Griff, der mit Messing vernietet wurde, ordentlich verarbeitet und das Schliffbild der beiden Griffschalen als nahezu identisch zu bezeichnen.
Als kleine Anmerkung: Mir ist einigermaßen wichtig zu wissen, woher meine Messer stammen. Also habe bei der Firma Casström, genauer gesagt bei Herrn David Cassini Bäckström nachgefragt und die Auskunft erhalten, dass Casström das Messer extern fertigen lässt, allerdings sowohl Herstellung als auch Materialien aus Europa stammen, was mir persönlich sehr gefällt.
Spezifikationen
Gesamtlänge: 22 cm
Klingenlänge: 10 cm
Grifflänge: 12 cm
Griffdicke: max. 2,2 cm
Klingendicke am Ricasso: 3,2 mm
Griff: Grünes Micarta
Klingenstahl: Böhler K720 (@58-60 HRC, Herstellerangabe)
Resumée
Bei meinen Vorbereitungen zu diesem Review habe ich den Eindruck gewonnen, dass das Casström No. 10 ein bisher zu wenig beachtetes Messer im deutschsprachigen Raum zu sein scheint, denn Erwähnung findet es so gut wie nirgends. Doch besonders Menschen mit großen Händen, denen die Messer der Konkurrenz zu dünn bzw. deren Griffe zu kurz sind, sollten mal einen Blick auf das No. 10 werfen, das mit einem sehr niedrigen Preis daherkommt. Zu beziehen ist es entweder direkt über den Hersteller in Schweden oder seinen britischen Distributor. Mit dem No. 10 erhält man ein sehr solides, gut verarbeitetes und praxistaugliches Messer.
Ich hoffe euch hat mein erstes Review gefallen. Sollten noch Fragen offen sein, bin ich natürlich gerne bereit, diese zu beantworten - soweit es mir möglich ist.
Viele Grüße,
J5
Anmerkung:
- Wie mir Casström auf Anfrage mitteilte, wurde die für mich etwas ungewöhnliche Griffform aus Balance-Gründen gewählt. Kann man wahrscheinlich so machen. Ich hätte es allerdings durch Bohrungen im Flacherl und dünnere Griffschalen gelöst.
- Normalerweise scheint das Messer in der Gegend des Ricassos auch die ca. 4 mm aufzuweisen, die ich dort erwartet hatte. Scheinbar gab es bei dem Batch, aus dem das mir vorliegende Messer stammt, in diesem Punkt eine Abweichung..