Tournique und geeignete Bandage?

  • Wenn man das Pferd von hinten aufzäumt: An welchen Stellen ist ein TQ sinnvoll oder vielleicht unersetzlich, hier rede ich vom zivilen Gebrauch:


    Auszuschließlich Extremitätenverletzungen, und hier eigentlich auch nur Oberschenkel. Die Gefäße am Arm lassen sich alle ausreichend mit einem Druckverband o.ä. versorgen, ein TQ ist hier nicht notwendig. Unterschenkelverletzungen lassen sich ebenfalls sehr gut komprimieren und stellen keine zwingende Indikation zur Anwendung eines TQ dar. Lediglich die Oberschenkelverletzungen, die weit genug weg von der Leistenregion sind, könnten mit einem TQ kontrolliert werden. Kniegelenksnahe Verletzungen sind sicherlich ein Mischbild und von dem Unfallmechanismus abhängig. Auszuschließen von dieser Auflistung sind traumatische Amputationen/Kettensäge/etc.


    Man sieht also, dass das tatsächliche oder realistische Anwendungsspektrum extrem eingeschränkt ist. Wenn man nun abschätzt, wie hoch das Risiko ist, sich selber in den Oberschenkel zu schießen und tatsächlich mehr als eine Gefäßverletzung zu erleiden oder bei entsprechend vorgeschriebener Schutzausrüstung eine Kettensägenverletzung zur erleiden, halte ich die Dringlichkeit für ein TQ im alltäglichen Geraffel für sehr gering.


    Ich will garnicht sagen, dass ein TQ möglicherweise in bestimmten Situationen tatsächlich das Zünglein an der Waage sein kann. Ich bin halt eher der Meinung, dass der Nutzen aufgrund der eingeschränkten Indikation ansonsten sehr gering und daher ein TQ zu vernachlässigen ist. Ich habe keins, aber genug 0815-Standardverbandsmaterial, das reicht und damit bin ich ziemlich entspannt. Wenn man einen Druckverband angelegt hat und es blutet weiter, muss man den Druck erhöhen. Dass das möglicherweise nicht mehr angenehm für das Unfallopfer ist und dass der Druckverband möglicherweise (dem Namen entsprechend) "ziemlich" drückt, ist zu akzeptieren. Ein Druckverband ist kein Hexenwerk, man muss sich nur vielleicht davon verabschieden, den so locker wie beim 1-Hilfekurs zu machen. Ein "Israeli-Wickel" ist da eine vernünftige Alternative.

    2 Mal editiert, zuletzt von K-T ()

  • In zahlreichen Rettungsdienstbereichen sind TQ regelhaft auf Rettungsdienstfahrzeugen verlastet - nicht nur bei der BW in Hamburg, wie hier in einem Beitrag berichtet wurde.


    Gerade im Rettungsdienst ist auch durch professionelle Helfer der TQ durchaus eine probate Versorgungsmöglichkeit - für den Anwendungsbereich (lebensbedrohliche Extremitätenblutung) gibt es auch im Rettungswagen-Hubschrauber keine wirklichen Alternativen, gerade was die Versorgungsgeschwindigkeit angeht. Zumal oftmals im Rettungsdienst viele Maßnahmen parallel durchzuführen sind, gerade wenn es nicht nur eine isolierte Extremitätenverletzung, sondern eine Kombinationsverletzung ist.


    Ich selber habe einen TQ in 4 Jahren Notarztdienst (sowohl Land- als auch Stadtrettung) noch nie benötigt, allerdings ist es gut zu wissen, dass auf den jeweiligen Fahrzeugen das Material vorhanden ist.

  • hanomag
    hier in meiner Gegend sind in den letzten 5 Jahre min. 3 Personen verstorben, welche nur das Anlegen eines TQ´s am Leben gewesen wären.
    Alles Unfälle im Wald, auch mit einer Hilfsfrist von 15min, ist der RTW/NAW nicht so schnell vor Ort.
    2x Kettensäge
    1x Schießunfall auf der Jagd.


    Und es wurden Ersthelfermaßnahmen durchgeführt ink. Druckverband, das hat nicht ausgereicht und die Leute sind trotzdem gestorben?

  • hier in meiner Gegend sind in den letzten 5 Jahre min. 3 Personen verstorben, welche nur das Anlegen eines TQ´s am Leben gewesen wären.
    Alles Unfälle im Wald, auch mit einer Hilfsfrist von 15min, ist der RTW/NAW nicht so schnell vor Ort.
    2x Kettensäge
    1x Schießunfall auf der Jagd.



    Gibt es dazu eine medizinische Stellungnahme bzw. eine Untersuchung? Oder ist das deine persönliche Meinung?

    Rock´n Roll, Ladies and Gentlemen! Cheers, Henrik!

  • Wenn eine Wunde zu groß für nen Druckverband wird, dann bindet man besser ab. Ist doch ganz einfach. Würde jeder mit seinem Kumpel machen und dafür wahrscheinlich Gürtel oder etwas dieser Art benutzen. Weiss aus erster Hand, dass schon mit heraus geschnittenem Autogurt abgebunden wurde.
    Ich denke ein Tourniquet muss man in unseren Landen nicht dauerhaft an den Gliedmaßen tragen falls was passiert. Es ist aber schneller zur Hand und lässt sich auch zwischenzeitlich leichter Öffnen als eine Improvisation.
    Das entsprechende Wissen sollte natürlich dazu gehören. Ausrüstung ersetzt kein Wissen und wenns einen ausklappbaren OP gäbe, so hätte ich diesen nicht dabei. Das Tourniquet mute ich mir aber zu und es ist Bestandteil meiner Notausrüstung.
    Beispiele "Wilderness" in denen ich erfahren konnte, dass ein Druckverband schwierig anzulegen war oder nicht wirklich half (nicht mir passiert, aber direkt oder kurz darauf anwesend gewesen ;) :(
    Schnittverletzungen durch Messer und eine Axt im Fuß,
    Schnitte beim Klettern durch Fels,
    Steigeisen Schnitte tief in Wade bis ins Fußgelenk,
    Eishammer/Pickel nach Sturz quer übern Unterarm.


    Wie auch immer...


    Wenn man geschult ist und weiss was man tut, dann spricht nichts gegen moderne Mittel. bei der Anwendung von recht jungen Materialien, deren Status noch recht vage ist, wäre ich bei der Anwendung bei Fremden ebenfalls vorsichtig.


    Gruß,
    AJAX

    Plan - Prepare - Execute

  • Hi Leute,
    ich denke, das wir hier nicht alle Outdoorfans unter einen Hut stellen sollten!
    Es gibt durchaus einige hier, die weit ab von der nächsten festen Straße unterwegs sind über die ein Rettungsfahrzeug anfahren kann. Diese Art der Rettungsmittel machen sehr wohl Sinn, wenn man damit hantieren kann und geübt ist .. Der Zeitaufwand zum Anlegen ist auf jeden Fall schneller als ein Gürtel oder ähnliches und es funktioniert zuverlässig! Eventuell ist das Handy grade nicht an oder hat keinen Empfang, oder man muss erst einmal den genauen Standort bestimmen, also alles Situationen die richtig Zeit benötigen, wenn es mal eng wird. Eventuell sind die Rettungskräfte auch überfordert und finden Euch nicht gleich, solltet Ihr überhaupt einen Notruf abgeben können.


    Mich findet man nicht mehr ohne ein vollwertiges Erste-Hilfe-Set und Survivalzeugs abseits befestigter Wege, bei der Arbeit erst recht nicht ..


    Bedenkt bitte was Ihr gewinnen könnt wenn Ihr alles dabei habt und was Ihr wirklich einbüßen müsst um es dabei zu haben :rolleyes:

    Beste Grüße
    scts

  • Zitat

    Bedenkt bitte was Ihr gewinnen könnt wenn Ihr alles dabei habt und was Ihr wirklich einbüßen müsst um es dabei zu haben :rolleyes:

    Das sehe ich auch so. Lieber haben und nicht brauchen, als brauchen und nicht haben. Wenn man sich entscheiden muss eine Maßnahme zu treffen sollte man auch entsprechende Ressourcen zur Hand haben. Man braucht seltenst mehr als einen Druckverband aber man bereitet sich auch nicht für den Alltag vor, sondern Situationen, in denen jede Kleinigkeit zählt. Wann und ob man tatsächlich zu drastischen Maßnahmen greift ist eine Einzelfallentscheidung aber warum sollte man sich vorab schon der Möglichkeiten berauben? Mit der Einstellung müsste man sich auch gründlich überlegen ob man sich beim Autofahren anschnallt. Wie oft braucht man denn schon diesen Gurt? Vielleicht eben ein mal im Leben.


    Ich habe TQs in meinem Kit weil - wieso denn nicht?


    Leider ist es auch hier in unserem Vollkasko-Land so, dass man sich auf lange Wartezeiten einstellen muss wenn die eigene Position nicht durch Straße und Hausnummer angegeben werden kann. Selbst wenn - Man stelle sich vor es wäre Winter. Ich hatte vor ein paar Jahren einen Einsatz für den wir 30 Minuten Anfahrt gebraucht haben für 3-4 Kilometer. Die Strecke war eine Hauptstraße ins Nachbardorf. Lasst es mal ein bisschen schneien und ihr seid auf euch allein gestellt. Mit dem RTW ging es nicht schneller und die Feuerwehrleute die geeignete Fahrzeuge zur Verfügung haben müssen oft auch erst von Zuhause zur Wache kommen. Ich habe oft genug in meinen wenigen Jahren im Rettungsdienst gesehen dass diese Sicherheit auf die sich jeder wie selbstverständlich verlässt sehr fragil ist.


    Was die Bestückung des Kits angeht kann ich mich dem ersten Beitrag von Carpe anschließen.


    Gruß


    Daniel

  • Letzendlich ist ein TQ nur ein vorgefertigter Abbund. Genauso gut eignen sich viele Dinge im täglichen Gebrauch. Das habe ich bereits weiter Oben versucht zu erläutern. Ich setze in der 1. Hilfe bei entsprechenden Blutungen einen Abbund und verbinde die Wunde dann entsprechend. Anschließend löse ich den Abbund dosiert und schaue ob mein Verband duchblutet. Sollte die Wunde immernoch pulsiert nachbluten, dann wird direkt aud die Wundstelle ein zweiter Druckverband angelegt. Dazu nehme ich ein VP als Druckkissen, das hat bisher immer funktioniert!
    Zur Verantwortung während der 1.Hilfe gibt es in Deutschland klare Regelungen. Hilfeleistungen sind generell straffrei!!!! Die Untersuchung soll lediglich den Ablauf der Hilfeleistung dokumentieren. Ich hatte bereits ein Anhörung. Zum Schluß hat sich der Staatsanwalt für die geleistete 1.Hilfe bedankt.


    Das ist meine Erfahrung.

  • Ich finde es schon komisch und erschreckend, wie viele Leute ein Tournique haben, führen und nicht einmal den Umgang beherrschen noch darin geschult sind. Der Erste Hilfe Lehrgang bei der Y Bände noch für den Führerschein berechtigt einen dazu, gewisse im Internet angebotene Medicals zu benutzen.
    Ich habe jährlich eine dienstliche EH Fortbildung und mache zusätzlich jährlich eine CLS Fortbildung. Außerdem habe ich meine Fortbildungen im ehrenamtlichen Rettungsbereich.
    Nur weil irgendwelche Statistiken gibt, dass die Überlebenschancen dadurch steigen, muss man nicht gleich auf die neueste Modeerscheinung aufspringen.
    Wozu schleppen einige Quick Lot mit?
    Wer von Euch kennt die Wirkungsweise und weiß ihre wirkliche richtige Anwendung?
    Nopanic, beschreibt sehr gut die richtige Anwendung!
    Die meisten hauen ein Tournique drauf und denken, es ist alles damit getan. Die Nachfolgeversorgung dagegen ist katastrophal und wird zum großen Teil nicht richtig durchgeführt.

  • Völlig richtig. Und ich schreibe es auch nochmal: Der Umgang damit muss sitzen.
    Mit Ausrüstungsgegenständen vom feinsten ist die Hochtour nicht sicher. Es erfordert das nötige Wissen!

    Plan - Prepare - Execute


  • :handshake: Danke. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!

    Rock´n Roll, Ladies and Gentlemen! Cheers, Henrik!

  • Nun gut :
    Es steht kein Cat Tournique UND AUCH SONST nix zur Verfügung - Du befindest Dich 10 km mitten im Nix aus Deinem Unterschenkel schießt der "Bordeux" -- was machst Du da ....ausbluten?



    Ich finde es erstaunlich das im Gesamtkontext nur die Israeli Bandage ( schon bestellt) übrigbleibt.

    By a route obscure and lonely,
    Haunted by ill angels only....

    Einmal editiert, zuletzt von Orval ()

  • Das komische ist ja, die verschiedenen Konzepte wie ITLS/PHTLS/ETM werten verschiedene Statistiken / Studien aus und ITLS/PHTLS haben TQ und Co in ihren Ausstattungen dabei.


    Das lernen wie man ein TQ anwendet, dauerte keine 15 min bei meinem ITLS Kurs.
    bei meinen TCCC Kursen war dies weit umfangreicher.

  • Orval,


    "... Sonst nix zur Verfügung....."; Allein im Wald und ganz "nagsch"! Dann ist das Schicksal und somit sollte man vielleicht mit beten anfangen oder es versuchen zu lernen. 8o ;( :rolleyes:
    Spaß beiseite. Lösungsansatz: arterielle Blutung durch beherzten Griff zur Hauptader (Oberschenkel oder unter dem Knie) versuchen zu kontrollieren. Schnürsenkel aus dem Schuh ziehen (Gürtel aus der Hose) und einen Abbund herstellen. Kugelsschreiber, Handy oder ... dabei nutzen. Jetzt die noch blutende Wunde mit einem Verbandspäckchen versorgen. Falls nicht vorhanden Stoffstreifen der eigenen Bekleidung verwenden, Wunde blutet nicht mehr. Stein, Holzstück oder Ähnliches suchen! Abbund vorsichtig lösen, Wunde blutete wieder, dann Das gesuchte Teil auf den Verband packen und mit dem Abbundmaterial einen zweiten Druckverband setzen. Voila, hurra das Handy geht noch und es hat auch Empfang, Hilfe alarmieren. Verband kontrollieren, Wasser trinken, Entspannungsübungen machen! Auf Rettung warten.
    Es gibt fast immer eine Möglichkeit eine arterielle oder venöse Blutung zu stoppen. Die Frage ist wie stark blutete es und bin ich überhaupt noch in der Lage zu reagieren.
    Wer das zweifelhafte Vergnügen einer Feldamputation erleben durfte, weiß das der Verunfallte in der Regel einen kapitalen Schock und ein psyschisches Traumata noch zusätzlich bekämpfen muß.
    Im Gefecht kannst Du noch auf Hilfe von Kameraden hoffen. Allein im Wald seh ich es kritisch, Wunde versorgen, meinen auftretenden Schock bekämpfen und den totalen Durchhaltewillen aufrecht zu halten, um aus den Wald zu kommen. Schwer, sehr schwer, extrem schwer!!!! Ich schätze mich daher so ein, dass ich je nach betroffenen Körperteil damit sterbe.
    Beispiel gefällig: Mit der Motorkettensäge allein im Wald arbeiten. Falsch Beinstellung beim Sägen, Kettenschlag, Kettensäge dreht seitlich aus der Hand, schlägt in den Oberschenkel dicht am Rumpf, 2/3 des OS sind durch. Was tun? Bis zum Auto sind es keine 100m. Wo willst Du den Abbund machen, es geht nicht! Hier muß eine kräftige Person die Hauptaterie des betroffenen Beinen im Rumpfbereich abdrücken. Ohne Kraft geht da nicht viel. dabei verliert man ständig Blut und und und... .
    Das Beispiel ist konstruiert. Ein ähnlichen Fall hatte ich im Bekanntenkreis. Allerdings sprang die Kettensäge beim spitzen von Pfählen demjenigen ins Gesicht. Der Mensch lebt und es geht Ihm sehr gut. Aber auch nur weil Er nicht Allein war.


    Wer Allein unterwegs ist, sollte sich vorher mit entsprechenden Szenarien auseinander setzen! Was kann ich tun, wenn das oder das passiert? Den Theoriekram auch mal durchspielen und sehen wie blöd man sich anstellt. Z.Bsp. sind viele Rechtshänder. Unfall mit Verletzung des rechten Armes. Nun muß die Rettung nur durch die linke Hand erfolgen. Versuch macht klug. Deswegen trainieren ja die Retter den Ernstfall. Geh raus, spiele! Jeden Tag üben wir laufen, sprechen, lesen und denken, also übe retten. Dann hast Du viele Lösungsansätze für ein Problem.


    Zurück zum Thema:
    Erlerne den richtigen Umgang mit Deinem "Tool, egal was es ist!", übe, übe, übe, übe, übe........! Dann funktioniert es im Erlebnisfall. Für mich ist Alles gesagt! Ich bin dann mal raus! Übe, übe, übe.........!!!!!!


    Meine ganz persönliche Meinung!

  • :thumbup: Meine Worte!
    Sehr gut geschrieben.
    Besonders der letzte Absatz.


    Ich empfehle den Threat zu schließen.


    Die Erfahrung sagt, dass nichts mehr gescheites nachkommt

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