Stahlanalyse eines chinesischen Serienmessers - Kizer 412A1

  • Guten Abend Buchsenklopper


    Danke dir und Nordwind für den aufwendigen Test. Bin Richtig sprachlos über diese Professionalität. 8o


    LG


    Sacha

    „Wenn du Frieden willst, redest du nicht mit deinen Freunden. Du redest mit deinen Feinden.“

  • auch hier herzlichen Dank an Pascal, der sich derart viel Mühe gemacht hat.


    @Lowend, dein zweiter Satz trifft die Sache sehr gut, aber offen gesagt wundert mich das nicht mehr, man sieht ja durch die enorme Präsenz des Marktplatzes kaum noch etwas anderes.


    Viele Grüße
    Roman

    panta rhei

  • @ Warunit
    Dabei käme höchstens raus, dass/wie Strider den S30v, Busse den INFI, Linder den 440C, Buck den 420hc, Puma den 1.4116 usw. im Griff hat. Repräsentativ wären solche Tests doch nur, wenn man das gleiche Messer von verschiedenen Herstellern im gleichen Stahl herstellen lässt und davon bei mehreren Chargen Stichproben nimmt. Und das für verschiedene Stähle. Ein einziges abgebrochenes Messer ist kein Beweis für irgendwas, außer dass der Wille groß genug war, es zu zerstören.
    Buchsenkloppers Testverfahren ist schon recht aussagekräftig in Bezug darauf, ob 1. der angegebene Stahl verwendet wird und 2. ob es dem Hersteller gelungen ist, ihn im Rahmen einer für den angedachten Gebrauch sinnvollen Härte wärmezubehandeln. Dass je nach Stahlsorte vielleicht nicht das maximum an theoretisch möglicher Härte herausgeholt wird, hat dann aber auch andere Gründe, als technisches Unvermögen. Nämlich eher die Tendenz zum gelegentlichen Missbrauch beim Endbenutzer...

  • Allerdings hätte mich ein anderes Ergebnis schon stark verwundert, da Kizer sich viel arbeit macht um vom "Billig & Kopier China Image" wegzukommen.


    Stimmt. Zwei Messer für Passarounds zur Verfügung zu stellen und Lieferdaten der Stahlbestellungen offen zu legen zeugt von deren Interesse an Transparenz.
    Frank hat da den schönen Satz geprägt, "einfach mal Fakten schaffen". Jetzt ist die Sache ein für allemal geklärt und es muss nicht mehr spekuliert werden.


    Insbesondere das Interesse an den Methoden der Analyse finde ich persönlich erfreulich :thumbup:
    Da die Möglichkeit bestand gibt es noch eine letzte Analyse mittels der Röntgenfluoreszensanalyse. Ich war leider bei der Durchführung nicht dabei und kann nur kurz die Ergebnisse darstellen. Nötig war die letzte Analyse nicht, ich wollte jedoch das Ergebnis der RFA verifizieren, da diese Methode sehr schnell durchführbar ist und zudem noch zerstörungsfrei ist. Leider zeigt sie nicht alle enthaltene Elemente an, die wichtigsten bzw. am meisten enthaltene sind jedoch dabei. Blöderweise haben die vergessen zu dokumentieren wieviel Kohlenstoff drin ist :cursing:



    Nochmal kurz zum Vergleich
    Herstellerangabe - Funkenspektroskopie - Röntgenfluoreszensanalyse
    Kohlenstoff: 1,4 % - 1,3% - /
    Chrom: 14% - 14,19% - 14,49%
    Vanadium: 3% - 2,94% - 3,28%
    Molybdän: 2% - 1,93% - 2,01%
    Niob: 0,5% - 0,407% - 0,48%


    Ich werde zusehen, dass die die Klinge nochmal checken wegen dem Kohlenstoff und bei der Gelegenheit gleich eine Ganzo-Klinge beilegen zur Analyse :thumbup:


    Mfg Pascal

    "Konstrukteur von titanenhaften Endzeitwaffen" + "mit empfindlichem Magen"
    Juchten, 2011 + Der Uffpasser, 2012 ;)

  • Mephistopheles


    da hast du natürlich recht. Hier wird aber immer nur bei der Schnitthaltigkeit auf die Wärmebehandlung eingegangen und da gibt es unzählige auch nicht so elegante Varianten diese zu erhalten. Wer aber mit wieviel sorgfalt auf Korngröße, homogene Gefüge, Verteilung der Karbide etc. achtet sieht man damit nicht. Und da sieht man doch erst wirklich wie Hochwertig das Ausgangsmaterial und die Sorgfalt ist.
    Es ist immer die Rede von der so hohen Qualität bei Hersteller X, aber was man da beurteilt ist nur welcher der Hersteller wie lange mit wie feinem Schleifpapier werkelt und eben wenig bis nichts vom wissenschaftlichen Aspekt.
    Härte ist da der richtige Begriff, denn wenn man weiß wie kann man viel Härte zu einem gewissen Grad mit einer ordentlichen Zähigkeit verbinden, oder man macht sich weniger Mühe und geht an eins der beiden Extreme. Aber hier macht nunmal niemand eine zerstörende Prüfung die eine Aussage darüber machen kann ob ein Messer oder eine Marke wirklich über eine Charge verteilt gleiche Werte oder den beworbenen Wert erbringt oder hat hier mal jemand an mehreren Messern aus Massenproduktion die Härte gemessen?

  • Wer soll das denn machen? Und wieso?


    Die industriellen Hersteller selbst machen so was im Rahmen ihrer Qualitätssicherung, wenn sie ihr Geschäft ernst nehmen. Wenigstens den deutschen Herstellern würde ich in der Hinsicht vertrauen. Die machen teils seit 100 Jahren nichts anderes und wären längst nicht mehr am Markt, wenn sie keine gleich bleibende Qualität liefern könnten. Die genaue Steuerung der Wärmebehandlung im einzelnen (ich nehme an, das ist was du als die "Mühe" bezeichnest) ist dann aber Firmengeheimnis. Warum willst du denn unbedingt noch selbst was kaputt machen? Wo der Hersteller wie gesagt auch mit der Doofheit des Endverbrauchers rechnen muss, sowie die Wirtschaftlichkeit des Herstellungsverfahrens im Blick hat, kann man noch so viel spekulieren wieso und weshalb eine Klinge nicht soundso zäh oder soundso hart ist, obwohl es doch auf dem Datenblatt des Stahls steht. Von der individuellen Geometrie abgesehen.


    Irgendwann bricht jedes Messer oder verbiegt sich bleibend. Die Laborbedingungen einer Untersuchung/Bruchtest wird man aber niemals im täglichen Gebrauch erreichen und somit immer vom Laborergebnis abweichen.


    Die "beworbenen Werte" sind Stahlnummer und Härte. Das wurde hier wissenschaftlich geprüft und bestätigt. Bei einer zufällig ausgewählten Klinge. Das ist natürlich nicht repräsentativ, aber eine zufriedenstellende und Vertrauensbildende Stichprobe.


    Keiner wirbt mit "Dieses Messer können sie mit einem Schonhammer DIN Haumichblau und 8 Schlägen a drölfzig Newton bei 25°C bei 1013hPa in einem Mittelgebirgswald im Juli auf 115 müN 6cm tief und 45cm über dem Boden auf der Nordseite des Stammes horizontal in eine 30 Jahre alte Hainbuche mt 120cm Umfang kloppen und anschließend gleichmäßig innerhalb 10 Sekunden mit einer Person bis 94,6 kg und Schuhgröße 43, Marke Haix/Sohle Vibram belasten, bevor es bricht."

  • Keiner wirbt mit "Dieses Messer können sie mit einem Schonhammer DIN Haumichblau und 8 Schlägen a drölfzig Newton bei 25°C bei 1013hPa in einem Mittelgebirgswald im Juli auf 115 müN 6cm tief und 45cm über dem Boden auf der Nordseite des Stammes horizontal in eine 30 Jahre alte Hainbuche mt 120cm Umfang kloppen und anschließend gleichmäßig innerhalb 10 Sekunden mit einer Person bis 94,6 kg und Schuhgröße 43, Marke Haix/Sohle Vibram belasten, bevor es bricht."


    Priceless! Besser hätte man es nicht auf den Punkt bringen können!

  • Warunit, vielleicht hast Du Sinn und Umfang dieses Tests einfach ein wenig verkannt.


    Buchs hat - übrigens ausgezeichnet und für den vorgesehenen Umfang auch bestens fundiert - probeweise die Materialangabe des Herstellers überprüft, weil DAS für viele Interessenten der Problembereich des Messerkaufs chinesischer Anbieter ist. Es ist ja immer die Sorge da, man spiele bei vielen Anbietern sozusagen beim Vertrauen auf Materialangaben höherwertiger Stahlsorten eine Art "chinesisches Roulette". Wenn ich das hier richtig verstanden habe, ging es DARUM, und das ist Buchs bestens gelungen.
    Mensch, der kann ja nicht nur kochen, man könnte ja fast auf den Gedanken kommen, er hätte nebenbei auch noch gewisse technische Fertigkeiten :)


    Natürlich kann es bei so einer Überprüfung nicht auch noch darum gehen, gleich die gesamte Produktion - und zwar ausdrücklich dann auch noch chargenübergreifend - auf Feinheiten mehr oder minder gelungener Wärmebehandlung zu untersuchen, und zwar dann sinnvollerweise auch noch im Quervergleich mit Produkten möglichst aller Mitbewerber.


    Natürlich wäre das spannend, und Du bist herzlich eingeladen, so etwas umzusetzen und hier vorzustellen. Ich les ja schon ein paar Tage mit und habe eine derartige Analyse bislang tatsächlich noch nirgends finden können - übrigens nicht einmal bei Herstellern im Rahmen vergleichender Marktbeobachtung. Da die WB allerdings nicht zwangsläufig immer gleich oder vom gleichen Dienstleister durchgeführt wird, müßte man das - wenn man schon den von Dir angestrebten Aussagewert anstrebt - auch kontinuierlich als Prüfverfahren fortsetzen. Bonne chance!


    MIR reicht erst einmal, daß Buchs hier technisch fundiert belegt hat, daß zumindest beim vorliegenden Hersteller/Anbieter auch drinsteckt, was draufsteht....


    Buchs, vielen Dank und Kompliment! :thumbup:
    Verneige mich mindestens zwei Zoll (....also etwa einen halben Meter...)

    Einmal editiert, zuletzt von Micha M. ()

  • Hasse jood jemacht Tünn :D
    Und alles mit Fotos dokumentiert, so bleiben eigentlich keine Fragen offen. So gehört sich das ;)


    btw:
    Letztes Jahr auf der IWA war Kizer auch vertreten, leider nur wie ein Mauerblümchen - sehr dezent, fast unscheinbar.
    Wenn jemand von Euch dort hinfährt, solltet Ihr euch die Gelegenheit nicht entgehen lassen, sofern Kizer diesmal auch wieder da ist. Die zwei Mitarbeiter waren sehr relaxed, auch ohne Abschluß in Oxford-Englisch kann man sich mit denen gut unterhalten. Die hatten auch unbunte Messer mit überzeugenden Verkaufsargumenten dabei, die man vorher nicht im Netz zu sehen bekam :thumbup:
    Leider darf man dort nicht am Stand kaufen...


    Gruß Andreas

    Warst Du gerade auf einem Erbsenzählerseminar? Nein, dafür bin ich nicht zuständig, ich spalte ihre Haare!

    Einmal editiert, zuletzt von saerdnA ()

  • Ich habe den Thread da vielleicht etwas anders aufgefasst.


    Nämlich das man einem Hersteller, aus welchem Land auch immer, nicht glaubt das er den beworbenen Stahl auch tatsächlich verwendet.


    Ich lese hier ständig das Hersteller X ja die Wärmebehandlung anscheinend gut im Griff hat, oder besser als Y oder ähnliches.
    Wärmebehandlung ist aber nicht ein heißes Stück Eisen ins Wasser zu werfen um dann eine große Härte zu erreichen.
    Und ein Hersteller könnte so seinen höher angesetzten Preis vielleicht rechtfertigen und man die Behandlung des Stahls als zusätzliches Qualitätsmerkmal sehen.
    Ein Massenhersteller achtet sicher auch auf die Qualität, aber in welchem Maße? Und in wie weit greift er bei einem Fehler ein? Und wenn man was bricht dann heißt es doch sicher nicht selten unsachbemäßer Gebrauch anstatt "oh ja das hätten wir besser machen können".
    Ich denke auch nicht das große Hersteller die Wärmebehandlung ausser Haus machen.


    Härte und Zähigkeit haben auch nichts mit Geometrie zu tun, und ich denke das die Laborbedingungen von einem Biege- oder Zugversuch da auch nicht soooo speziell sind das man im echten Leben damit nichts anfangen könnte.


    Ich habe auch niemanden hier aufgerufen sowas doch endlich zu machen sondern lediglich angemerkt das ich das interessant finden würde, und es eben auch ein Qualitätsmerkmal ist, und nicht nur ob Griffschalen bündig abschließen.


    Ich finde nur interessant das zum einen einem Hersteller in Bezug auf die Echtheit seiner Angaben nicht vertraut wird, aber andererseits bei andern Herstellern nichtmal hinterfragt wird und es ledigleich das "der hat das ja im Griff" gibt. Was teuer ist muss ja gut sein.


  • ...
    Ich finde nur interessant das zum einen einem Hersteller in Bezug auf die Echtheit seiner Angaben nicht vertraut wird, aber andererseits bei andern Herstellern nichtmal hinterfragt wird und es ledigleich das "der hat das ja im Griff" gibt. Was teuer ist muss ja gut sein.


    Das liegt vielleicht daran, dass man "andere" Hersteller schon länger kennt und die Erfahrungen bereits hat, die Du hier vermisst. Kizer ist noch recht neu am Markt und war wegen einer bestimmten Sache erst umstritten, was sich aber schnell gelegt hatte, nachdem der Hintergrund geklärt war.


    Und was die Stahl-/Gefüge-/WB-Frage betrifft, würde das Ergebnis genauso angezweifelt werden können, weil man ja auch da ein Vorzeigestück in die Finger, bzw. unter den Spectrallaser oder das REM bekommen könnte.
    Buchse hat da schon gute Arbeit gemacht und wie man sieht, hatte er auch Spaß dabei. Vllt. hat er ja irgendwann auch die Chance, ein Messer "zur Wahrheitsfindung" komplett zu schrotten, um es von innen zu beleuchten, wer weiß... :thumbup:


    Gruß Andreas

    Warst Du gerade auf einem Erbsenzählerseminar? Nein, dafür bin ich nicht zuständig, ich spalte ihre Haare!

  • Wie saerdnA richtig bemerkte...die "alten Hasen" am Markt kennt man eben, teils sogar aus TV-Berichten über die Produktion und weiß aus zig Erfahungsberichten von Verbrauchern, ob es mehr oder weniger Probleme bei der Anwendung gibt Das ist dann dieses ominöse "im Griff haben". Viel mehr Einblick, außer bei gelegentlichen, privaten Tests wie diesem hier kann man nicht erwarten, außer man bewirbt sich um Praktika bei den Herstellern und da spielen Produktion und Controlling gerne mal gegeneinander, wie überall. Was technisch möglich ist und was wirtschaftlich ist, muss sich dabei nicht mal die Waage halten, die wirtschaftlichkeit gewinnt normalerweise.


    Wenn du die Geometrie aber völlig außer acht lassen willst (was wiederum völlig abseits der Benutzerpraxis ist), dann müssten für einen Vergleichstest der Härtereien bei verschiedenen Herstellern diese mit genormten Stahlbändern einer Sorte aus der gleichen Produktionscharge beliefert werden, die dann jeweils individuell wärmebehandelt werden. Danach müssten diese Bänder dann an ein unabhängiges Labor geschickt und dort untersucht werden.


    So langsam wird es hoffentlich deutlich, warum das noch keiner gemacht hat, denn das könnte teuer werden, mal davon abgesehen, ob die Hersteller überhaupt mitmachen wollen. Und wenn, geben sie sich vielleicht sogar besonders Mühe, was im Endeffekt wieder Null über das Standardprogramm aussagt. Dass ein solcher Wettbewerb und seine Ergebnisse interessant wären...klar, keine Frage. Realistisch ist das aber nicht.


    Obendrein gibt es tatsächlich spezialisierte Härtereien, die auch für große Hersteller im Auftrag die Wärmebehandlung übernehmen, nicht nur in Solingen, sondern auch in Übersee. Ich denke der Name Paul Bos ist recht geläufig (und sein Logo gilt sogar als eigenes Qualitätsmerkmal).


    Von "teuer muss gut sein" war hier auch nicht die Rede. Viele renommierte Hersteller bieten hervorragende Messer in einem niedrigen bis mittleren Preissegment an, unter anderem Mora, Opinel, Victorinox/Wenger, Buck, Cold Steel, Ka-Bar und so weiter. Die mussten sich ihren guten Ruf auch erst erwerben, und das geht nicht, wenn die real vom Kunden erlebte Qualität nicht lange auf einem hohen Niveau bleibt.


    Auf der anderen Seite haben wir hier mit Kizer eine neue, den möglichen Kunden erst Mal unbekannte Marke aus Fernost. Obwohl mittlerweile ein großer Teil der Konsumgüter auf dieser Welt in China, Taiwan oder Korea hergestellt werde, gibt es bei verschiedenen Produkten immer noch genug Vorbehalte gegen diese. Das Betrifft nicht nur Messer, sondern auch die Automobilindustrie. Oft gibt es sogar berechtigte Bedenken, weil frühe Produkte erstens plagiiert, zweitens von minderer Qualität und drittens unter intransparenten Bedingungen hergestellt wurden. Zumindest das Vorurteil des "orientalischen Dosenblechs" konnte jetzt ausgeräumt werden. Die Achsschrauben können natürlich immer noch vernudeln, die Griffschalen abblättern etc. Die Zeit wird's zeigen.

  • Meph und Andreas, ich seh das grundsätzlich wie ihr, aber tatsächlich ist die Sache ja noch ne Nummer komplexer, sobald man wirklich vergleichend mit bleibendem Aussagewert über eine Verifizierung der Materialangabe und des angegebenen Härtegrades hinaus auch noch auf das tatsächliche Ergebnis der WB (über den reinen Härtegrad hinaus) Aussagen machen will:


    - Die Geometrie kann man n i c h t ausblenden, da sie sich selbstverständlich auf die Haltbarkeits- und Schneideigenschaften der Klingen ebenso auswirkt. Und eine für den Zweck suboptimale Geometrie oder auch ein besonders belastungsanfälliges Klingenmaß werden auch bei qualitativ gleich guter WB verschiedene Ergebnisse bringen und zudem die Schwächen einer WB auch unterschiedlich stark hervortreten lassen.


    - Die WB ist n i c h t für den einzelnen Hersteller immer gleich, da sie bei firmeninterner Fertigung ebenfalls Umstellungen, Schwankungen, Verfahrensänderungen usw. unterliegen kann. Außerdem wird, auch wenn es hier mal anders anklang, gerade die Härterei schon gern als Lohnarbeit abgegeben, "Lohnhärterei" ist doch wirklich ein klassischer Begriff in der Metallbearbeitung und natürlich auch in der Messerproduktion


    - Das kann sich wunderbar auswirken, wie bei Paul Bos, es kann aber auch Probleme bringen wie bei der "berüchtigten" Charge großer ER-Federn (Nemesis und MPC), bei der nicht von ER gehärtete Federn eines zwischenzeitlich betrauten Lieferanten große Probleme machten.


    - Sowohl die Auswirkungen unterschiedlichlicher Geometrien als auch von Schwankungen in der WB ein und desselben Herstellers haben "klassische" Beispiele: Ontario hatte mit seinem 1095 mal für eine Zeit Härtungsprobleme, die sich sichtbar aber nur beim RTAK auswirkten, einem zehnzölligen Chopper, der ungleich mehr Prellschlag verkraften muß als ein RAT 3. Kershaw hatte anfangs Härtungsprobleme mit dem Outcast, ebenfalls einem Chopper. Freunde russischer Serienmesser werden auch Beipiele für mehr oder weniger gelungene Chargen-WB bei ein und demselben Hersteller kennen :)


    - Selbst die "alten Hasen" bewahren einen also nicht k o m p l e t t vor unangenehmen Überraschungen, wenn auch eine Bos-Härtung oder übrigens auch die Solinger WB für 440C und D2 schon große Wahrscheinlichkeiten bringen, ein sehr gewissenhaft gehärtetes Produkt mit entsprechend hoher Anwendungseignung zu bekommen (...wenn die Konzeption des Produktes stmmt...).


    - Man müßte dann also schon permanent vergleichstesten, mir ist wirklich KEINE Institution bekannt, die das leistet. Und als Konsument müßte man zudem bei einer Messerbestellung dann noch zusätzlich wissen, welcher Charge des Herstellers das bestellte Messer entstammt. Es gibt ja auch mal Lagerbestände aus Vorvorjahres-Produktion bei einigen Händlern....


    Also nehme ich hin, was Buchs geleistet hat - und das gibt ja schon mal die Kerninformation, daß sowohl die Angaben zum Material als auch zum Härtegrad seriös sind. DAS wollten wir ja sicher wissen....Ich erlaube mir mal den -respektvollen!- Scherz, daß mir das langt, wenn es selbst einem Präzisionsfreak wie "Nordwind" reicht :)

  • Um die WB-"Komplexizität" noch um einen nicht unwichtigen Punkt zu erweitern, der gar nichts mit der eigentlichen WB, sondern mit der Intention des Herstellers zu tun hat:
    Letztes Jahr auf der IWA habe ich mich mit Howard Viele* genau über das Thema unterhalten. Ansatzpunkt oder Aufhänger war mein UKPK mit S30V Klinge. Der Stahl ist bekanntlich "rostfrei" legiert. Nur hatte er irgendwann mal pitting angesetzt, trotz "Pflege" - also Trockenputzen nach Gebrauch. Die konkrete Frage war: "Worauf seid Ihr eher aus? Zähigkeit oder Korrionsfestigkeit?"
    Er sagte: "wenn dein UKPK pitting hatte, dann wird es wohl auf Zähigkeit ausgelegt sein" - er fand die Frage interessant, weil er selbst darüber wohl nie speziell nachgedacht hatte und konnte es auch nicht definitiv sagen, er wusste die Härte nicht. Das UKPK ist auch nicht sein Baby, Eric hatte gerade selbst Kunden, sonst hätte ihn als Entwerfer gefragt.


    Was vllt. nicht so bewusst in den Köpfen der Benutzer steckt, ist, dass verschiedene Hersteller, manchmal u.U. auch ein Hersteller dieselbe Legierung unterschiedlich härten lässt, wegen unterschiedlicher Gebrauchsspezifikation der jeweiligen Serie. Ich nehme z.B. Klappmesser und feststehende Messer aus einer Legierung. Es kann durchaus sein, dass ein Hersteller für diese Messer verschiedene Härtewerte anpeilt, um verschiedene, typische Gebrauchsanforderungen besser zu erfüllen. D.h., das UKPK ist eher auf Zähigkeit ausgelegt, während ein Fixed ich sach mal das Mule aus dem Stahl evtl. eher auf Korrosionsbestand ausgelegt ist - ist nur als Beispiel, ich kenne den Härtegrad eines Mule aus S30V nicht. Falls es das überhaupt gibt...


    Das UKPK hätte "nur" 57HRC aber das Mule z.B. 60HRC - durch diese andere WB für andere Zweckbestimmung sind zwei grundverschiedene Eigenheiten entstanden, was damit auch verschiedene Gefügebilder und Belastungsdiagramme ergeben würde. Es bedeutet aber keineswegs, dass die WB nun bei dem einen besser oder schlechter wäre. Denn der Stahl gibt durch seine Legierung beides her und mit den Klingen kann man trotzdem schneiden und arbeiten. Ob es dem Benutzer deutlich spürbar auffallen würde, ist noch was anderes, beim Nachschärfen ganz sicher... :S
    Auch deswegen kann man sich die nicht-ultimative Aussagekraft solcher "Vergleiche" vllt. besser vorstellen, weil es viele denkbare Kombinationen gibt, nicht nur innerhalb einer Legierung, sondern auch innerhalb eines Herstellers. Nun gibt es aber viele Hersteller, die deutlich mehr als als nur eine einzige oder drei ähnliche Legierungen verwenden...


    * Designer und Messermacher, arbeitet oft mit/für Spyderco - nur falls das jemand nicht weiß.


    Gruß Andreas

    Warst Du gerade auf einem Erbsenzählerseminar? Nein, dafür bin ich nicht zuständig, ich spalte ihre Haare!

    2 Mal editiert, zuletzt von saerdnA ()

  • ...und letztlich werden gerade bei aktuellen Messern auch nicht immer die objektiv geeignetsten Legierungen verwendet, sondern auch schon mal die, die sich besser verkaufen, das ist dann der "Hype" wie bei den pulvermettalurgischen Stählen. Die sind in Beschaffung und Verarbeitung vermutlich erst mal teurer, wenn aber hinterher der Absatz steigt, allein weil statt "440C" nun "D2" draufsteht, dann wirds eben gemacht.


    Dass das Messer am Ende mit dem anderen Stahl im Gebrauch vielleicht auch nicht "mehr kann", bzw. können muss - egal. Aber der Kunde ist happy, weil er mit seinem Spaceshuttletriebwerksstahl ganz vorne mit dabei ist ;)


    Nich zu vergessen wie überzeugend die Verkaufsargumente zusätzlich werden, wenn so ein spezielles Spezialmesser aus Spaceshuttlestahl von speziellen Spezialisten in "darker than black - operations" in einem Land vor unserer Zeit am plate carrier befestigt war, während der Schütze, 34, geschieden, zwei Kinder, 8 Jahre Auslandserfahung von seinem Spotter, 28, verlobt, kinderlos, 5 Jahre Einsatzerfahrung, ein als Terrorist ausgewiesenes Schaf auf 900 Yard mit einer .50 Barrett in die ewigen Weidegründe beförderte um mal wieder was anderes als mac'n'cheese aus der mre-Ration zwischen die Kiemenzu bekommen. Im Buch klingt es später natürlich besser, aber die Fotos vom Messer sind einmalig :D

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