Kein alter Hut - Tanto / Kwaiken mit traditionell-runder Kissaki


  • Kürzlich habe ich einem Bekannten mein Otanashi Noh Ken gezeigt und die Antwort bekommen, das sei ja gar kein Tanto, weil es nicht die eckig-winklige Spitze mit "Unterspitze" und linear ansteigender "Vorderschneide" des American Tanto / Modern Tanto aufweist, das die Tanto-Vorstellung insbesondere der jüngeren Messerfreunde oder auch der nicht so messer-affinen Laien geprägt hat.


    Ähnlich wie beim Bowie, das in seiner Anfangszeit keineswegs immer eine Pandurenspitze, sondern nur eine gewisse Größe aufweisen mußte, hat sich bei den jüngeren Leuten die ihnen vertrauteste, weil allgemein nun verbreitetste Form durchgesetzt und das Begriffsfeld belegt.


    Ohne die Kenner langweilen und beleidigen zu wollen, daher mal ganz kurz "Die Sendung mit dem Micha" über Modern Tanto :)


    Diese Spitzenform ist eine moderne, amerikanische Erfindung und von bestimmten, einzelnen Kissaki-(Schwertspitzenformen) von Schwertern entliehen. Auch die hatten allerdings in den meisten Fällen k e i n e linear ansteigende Vorderschneide. Tanto jedenfalls hatten traditionell hauptsächlich eine vorn bogenförmig zur meist rückenspitzen Spitze ansteigende Schneide. Allerdings gab es schon traditionell durchaus sogar auch mittelspitze und beidseitig geschärfte Formen.


    Schwert und Tanto unterschieden sich in der Grundgestaltung im Umriß nicht zwingend sehr voneinander, was unter einem Shaku (etwa 30 cm, also ca. einem Fuß....bis auf den "buchsischen Fuß", der nach der "buchsischen Unschärferelation" irgendwo zwischen einem halben und einem Meter liegen kann) Klingenlänge lag, ging als Tanto durch, zwischen einem und zwei Shaku galt es als Wakizashi, über 2 Shaku als Katana, To usw.....Was mit einem meist geraden, ungeschmückten Griff versehen war war, kein Tsuba (Stichblatt) aufwies und eine Gesamtlänge von bis zu gut 10 Zoll (..jaaaaa, ca 25 cm) hatte, ließ sich als Kaiken / Kwaiken bezeichnen...Soviel mal gaaaanz grob und grundsätzlich.


    Ein Tanto konnte damit also sehr gut so ausschauen wie das "Denko" von Roman "Juchten" auf dem oberen Bild.
    Arrangiert man es so klassisch wie oben, könnte man schon auf den Gedanken kommen, die Entwicklung ginge schließlich weiter und das Modern Tanto sei der moderne Stein der Weisen, die traditionelle Form ein alter Hut. Weit gefehlt!


    https://www.youtube.com/watch?v=vHaTChCZFac


    Viele sehr namhafte Messer-Designer, oft auch mit Budo-Hintergrund, haben die alte Form nie aufgegeben und zeigen, was damit auch in moderner Gestaltung geht. Hier mal eine gewisse Auswahl :)



    Böker / Bud Nealy "Kwaiken"
    CRKT / James Williams "Hissatsu" und "Otanashi Noh Ken"
    CRKT / Lucas Burnley "Obake"
    Spyderco / Bob Lum "Tanto" Fixed
    CS / Barry Dawson "Spike"


    (Für diejenigen, die sich über die Mitzählung des Spikes wundern: Ich bin überzeugt, daß Dawson, der wunderschöne Kwaiken baut, zu den Spikes durch seine Befassung mit diesen Messerformen inspiriert wurde, systematisch handhabt sich das Messer absolut so wie ein Kwaiken).


    Hier noch mal ein Familienbild :)



    James Williams, dessen Entwürfe ich sehr schätze, hat mit der Klingenform der "Hissatsu"-Messerserie (Fixed und Folder, kleinerer Folder "Heiho", größerer Folder "Otanashi Noh Ken" mit Framelock, kleinere Version "Shizuka Noh Ken", Neuerscheinung Kwaiken "Yukanto") eine ca. 500 Jahre alte traditionelle Spitzengestaltung aufgenommen und in moderner Form umgesetzt. Was die können, zeigt das o.a. Video, ich habe selbst aber auch z.B. bei eigenen Penetrationstests mit ballistischem Weichschutz NICHTS gefunden, das dieser Klingenform bei einschneidigen Messern gleich käme.




    Im modernen Sinne sind diese Messer also heute "Yoroi Doshi" ("Durch die Rüstung") als funktionale Panzerstecher verbreiteten ballistischen Weichschutzes :)



    Auf das "Yukanto" warte ich daher schon ungeduldig...


    Auch die anderen abgebildeten Messer sind aber sehr penetrationsstark - und zuweilen auch sehr schön...



    Lum, Burnley und Nealy hier auf dem Gruppenbild, besonders das Lum Tanto hat nicht nur eine sehr angenehme, sanfte und dabei sichere Haptik, sondern überzeugt mich auch ästhetisch voll. Es lädt sehr zur Tipdown-Haltung ein (die bei klassischen Anwendungsformen gegeben wäre), handhabt sich aber auch forward und als Gebrauchsmesser sehr angenehm und leistungsfähig.
    Das abgebildete Messer gehört zum Sprint Run von 2014, über den ich mich sehr gefreut habe, weil der ausgezeichnete Entwurf in der Erstauflage sehr schnell vergriffen und begehrt war.




    Das Beispiel des Nealy-Entwurfs zeigt in seiner sehr modernen Gestaltung vielleicht noch besser, wie gut die tradtionelle Form auch funktional und in einer "tactical" aussehenden Gestaltung mithält, wie auch schon die Williams-Modelle.




    Nealy baut ja sehr funktionale Messer, er bietet Kwaiken sowohl ein- als auch zweischneidig an, die sich sowohl als EDC als auch als Backup sehr gut eignen. Leider ist diese Serie bei Böker mittlerweile auch vergriffen, die Customs liegen mittlerweile bei über 300 Euro...


    Auch ein "Auslaufmodell" ist leider der CS / Dawson-Spike, den ich sehr schätze. Die neuen Spikes mögen einfacher zu handhabende Gebrauchsmesser sein, sie haben aber eher den Zauber eines Mora und langen an den Nimbus der alten Spikes nicht annähernd heran. Die fast dreieckige Klinge läßt sich übrigens überraschend scharf bekommen :)


    Zusammen mit dem CRKT / Burnley "Obake" gehört es zu den kleinsten Vertretern in dieser Familie in meinem Bestand. Auch das "Obake" trägt sich angenehm "beiläufig" und diskret und macht sich z.B. als Zweitmesser für die Sekundärseite oder als kleines zusätzliches Messer bei leichterer Bekleidung ausgezeichnet.



    Also, Tanto-Freunde, es muß nicht immer die Modern Tanto - Form sein, auch die traditionelle Form wird modern ausgezeichnet umgesetzt, ist schön und leistungsfähig :)

  • Ich bevorzuge auch simple, althergebrachte Klingen. Diese modernen Klingenformen, welche in den letzten zwanzig-dreisig Jahren immer wieder aufkamen und jedesmal als das non plus ultra angepriesen wurden sind in meinen Augen eh alles Nonsense.
    Eine Mischung aus Fashion und Marketing. Klingenformen haben sich über Jahrhunderte entwickelt und eine darwinistische Evolution durchgemacht. Survival of the Fittest so zu sagen.

  • So pauschal möchte ich das nicht sagen....Ich hab auch etwa ein Dutzend Modern Tanto, und auch die haben ihre Stärken. Im Einsatzmesser-Mißbrauchsbereich z.B. bringen sie oft hohe Leistungen, auch das Schneiden mit der schrägen Vorderschneide im Hieb gehört zu ihren starken Seiten.


    Außerdem hab ich ja z.B. mit Martin Stierlin von Blade Systems mit den "Raptoren" auch Modelle mit einer sehr modernen Klingenform erarbeitet - und auch die "funktionieren" wirklich sehr gut in ihrem speziellen Anwendungsbereich. Als der "Karaptor" mit dieser Klingenform sich ein ausdrückliches Lob von Ray Dionaldo erworben hat, hat mich das schon sehr stolz gemacht....


    Mir ging es aber darum, die alte, "klassische" Form nicht als nachteilig oder veraltet bewertet zu sehen und an ihre eigenen Stärken, sowohl funktioneller als auch ästhetischer Art, zu erinnern :)

  • Hallo Micha,
    Vielen Dank für den interessanten Bericht und die Fotos...
    Das sieht man mal wieder, wie schön "Klassisch" sein kann.
    Gruß
    B.

    Gruß
    Bugsy

  • Super Micha :thumbup: Fachlich wie optisch sehr schön gemachter Thread.


    Danke für die "Aufklärungsarbeit" bei jungen Leuten bezüglich der American-Tanto-Spitze.


    Ich mag allerdings auch beide.


    Mein TOPS S.A.W.
    DSC01674_mod.jpg


    Das Cold Steel "O-Tanto" meiner Freundin.
    DSC01828_mod.jpg


    Ganbatte Kudasai! :worship:


    Beste Grüße
    Michael a.k.a. mikio


    P.S.
    Aber frag doch bitte das nächste mal bevor Du mein Bücherregal plünderst ;)

    "Regel #51 - Manchmal hast Du unrecht." ~ Leroy Jethro Gibbs.

    Einmal editiert, zuletzt von mikio () aus folgendem Grund: Postskriptum ergänzt

  • Das alte Ding? ;)


    Mmh, muss ich mal schauen ob ich noch alle relevanten Infos ranbekommen (z.B. Stahlsorte) . Eigentlich müßte das ja auch meine Freundin schreiben, ist ja schließlich Ihres.


    Schauen wir mal, wenn ich Zeit erübrigen kann mach ich das mal und geb' Dir dann noch direkt Bescheid.


    Grüße
    Michael a.k.a. mikio

    "Regel #51 - Manchmal hast Du unrecht." ~ Leroy Jethro Gibbs.

  • Danke für die großartige Vorstellung, Micha. Mal wieder zeigt sich, dass du eine wahre wandelnde Messer-Enzyklopädie bist! Die Arbeit von Roman ist natürlich auch wieder unübertroffen.


    "Musashi" von Eiji Yoshikawa ist übrigens auch wirklich großartig.

    "Having a suitable light is analogous to being able to change the weather."
    --- Andy Stanford, Fight at Night

  • Vielen Dank Micha, für diese ausführliche Behandlung der Tanto Thematik. Vor allem die Unterscheidung zw. klassischem und american Tanto kommt oftmals viel zu kurz. Es ist auch sehr schön demonstriert worden, dass mit der richtigen Tantoform einiges an Schneide und Stecharbeit geleistet werden kann. Gerade die american Tantos büßen hier oft viel davon ein aufgrund der geraden Linien und Kanten.


    Das schärfste Messer, dass ich besessen habe, war das 7" KA-BAR Tanto, welches in meinen Augen immer noch das zweckmäßigste und schönste american Tanto ist. Die Schmuckstücke, die du hier gezeigt hast, machen jedenfalls wieder Lust auf viel mehr.

  • Ich hoffe ja, daß Buchsi z.B. sein wunderschönes klassisches Tanto hier auch noch mal kurz zeigt bzw. zumindest verlinkt :)


    LowEndD: Das mit der Einbuße der Penetrationsleistung bei American Tanto ist eine merkwürdige Sache, denn sie widerspricht eigentlich den Statements z.B. von Extrema Ratio und auch Brent Beshara. Tatsächlich penetrieren Tanto mit sehr steiler bis fast gerader Vorderschneide weiches Schnittgut ebenfalls sehr gut, falls die Schneide hinreichend scharf ist. Penetriert man aber widerstandsfähigeres Schneidgut, zeigen sich bei gleicher Auftreffenergie in meinen Versuchen doch Unterschiede zugunsten der "spitzeren" Formen. Ich hatte mal ein T3000S von ER, zunächst mit werksmäßiger, dann mit modifizierter, weniger steiler Spitze. Die Penetrationsleistung z.B. bei Holz oder dem bekannten Telefonbuchstapel stieg ersichtlich nach der Modifikation.


    Auch das Penetrieren von weichballistischem Schutzmaterial hat solche Gesetzmäßigkeiten: Hier zeigen klar die Spitzenformen einen Vorteil, die ein gutes Verhältnis zwischen Klingenvortrieb und Aufweitung des Schnittkanals haben, bei American Tanto also z.B. weniger steil ansteigen. Ein gutes Beispiel dafür ist das SOG Tsunami. Am besten sind Anstiegswinkel unter 45 Grad.


    Die beste Penetration erzielt man dabei nicht durch ein gerades Auftreffen einer Schneide und ein axthiebartiges Zerteilen der Gewebefasern, das entspricht zu sehr dem Zerreißvorgang durch ein Projektil, das Gewebe zeigt sich heftig widerstandsfähig. Hingegen penetriert eine Spitze wie die des Hissatsu oder des Otanashi, indem sie sich mit einer punktförmigen Spitze zwischen Kette und Schuß des Gewebes drängt und dann seitlich Faden um Faden zerteilt.
    Wird beim Vortrieb die Klinge durch eine nicht rasch/günstig dazu erfolgende Schnittkanalaufweitung "aufgehalten", neigen gerade längere Messer zum Abkippen, Penetrationsversuche sollte man daher nur bei gehöriger eigener Erfahrung und zudem nicht ungeschützt durchführen.
    Selbst Williams handelt in dem o.a. Video ein wenig leichtfertig beim Penetrationstest mit einem Folder in der ungeschützten Hand :)
    (Bevor das mit den Steinen und dem Glashaus kommt: Auf dem Foto hab ich auch keine Handschuhe an, das Messer wurde aber aufgesetzt und ohne Ausholschwung durch die Weste "geschoben", das läßt sich deutlich besser kontrollieren als ein wuchtiger Stich)


    Mikio & andere: Ja!! Das würde mich auch freuen, das hier nicht als One-Man-Show zu sehen, sondern auch schöne andere derartige Tanto einmal in einem Thread hier gesammelt zu finden! :thumbup:

    Einmal editiert, zuletzt von Micha M. ()

  • Guten Abend @Micha


    Ganz grosses Kino. 8o Wurde eigentlich schon alles durch die Vorredner gesagt. Finde die Tanto-Form neben der Bowie sehr schön. :love: Werde wohl alt (oder ch bin nicht so experimentierfreudig), da ich diese klassische Design's mag.
    Die Idee mit dem Foto-Thread finde ich klasse.
    Deine Lehrstunde hat mir den Sonntag gerettet, Danke dir. :thumbup:



    LG


    Sacha

    „Wenn du Frieden willst, redest du nicht mit deinen Freunden. Du redest mit deinen Feinden.“

  • Das KaBar Tanto schneidet Luft! Das weiß ich deshalb, wil ich es von David kaufen durfte :D Und das war das Lieblingsküchenmesser meiner Freundin - bis ein echtes Archer kam. Danke für den Vergleich der Tantos. Ich mag die Klingenform sehr und kenne mich nun ein bisserl mehr aus!

  • So einfach ist es mit den Tantos, Ka´ikens etc. nicht. Ein Ka´iken ist ein kleiner Dolch, Länge höchstens ein halbes Shaku. Aber, nicht nur das ist ein Unterschied zum Tanto, das Ka`iken hat keine Tsuba und kein Habaki. Das Ka´iken wurde beim Seppuku nur von Frauen verwendet, die Samurai hingegen verwendeten das Tanto. Tanto bedeutet übrigens kurzes Schwert, kein Wunder, die Klingenlängen waren von einem halben Shaku, das sind ca. 15 cm, bis zu einem ganzen Shaku, ca. 30 cm. Was die verschiedenen Formen anbelangt, die haben sich natürlich im Laufe der Zeit verändert. Es gab auch zweischneidige Klingen, sieht man beim Moroha Tanto aber auch oft beim Yari Tanto, welches eigentlich aus einer Speerspitze entwickelt wurde. Die Kissakis, das sind die Schwertspitzen, haben sich auch im Laufe der Zeit verändert.


    Ich würde nur anmerken daß das, was heute als Kwaiken verkauft wird, eigentlich eine Osoraku Zukuri, Hira Zukuri oder Shobu Zukuri Form ist. Das American Tanto ist eine Entwicklung aus verschiedenen Kissaki Formen, in der Zwischenzeit gibt es auch das Reverse Tanto, wieder eine Neuentwicklung.


    Es gäbe hier noch sehr viel zu schreiben, ich möchte nur noch anfügen daß japanischen Meister so wie beim Katana und Wakizashi das selbe Herstellungsverfahren für das Tanto nutzten. Ich muss gestehen daß ich es beim Kwaiken nicht weiß.


    P.S. Beim traditionellen Tanto und Ka´iken gibt es kein Ricasso.

    vae victis

    2 Mal editiert, zuletzt von Kibo ()

  • Vielen Dank für deine(n) ausführlichen und reich bebilderten Ausarbeitung / Bericht / Review / whatever...Und wieder eine taktische Bildungslücke geschlossen :thumbup: !

  • Schöne Micha-Figur auf dem ersten Bild! Gibts schon Devotionalien nach Deinem Abbild?!?


    Die Al Mar Shugotos sehen auch nach Penetrationsleistung aus. Besitzt jemand hier eines? Gar Du, Micha?


    Und vielen Dank für diesen Beitrag, sehr interessant!

  • Der hat ja gar keinen Bart....und dick ist er auch noch :)


    Leider besitze ich kein Shugoto....und wenn ich mir die Preise der in kleinen Stückzahlen hergestellten und längst vergriffenen Al Mar - Modelle aus Sammlungsbestand anschaue, werde ich wohl auch nicht über die Hürde springen, wenn mal eins angeboten wird.

  • Vielen Dank für die gute Einleitung und die schönen Fotos!
    Besonders freut mich auch, das Du das "Hissatsu" und Freunde erwähnst, der Macher ist mir persönlich bekannt und hat mir mehrere seiner Geschöpfe gesponsert. Das "Hissatsu" ist von allen diesen mein Lieblings-EDC wenn es um SV geht. Es pickst nicht nur gut, es schneidet auch wunderbar aus dem Handgelenk wenn es in Bewegung ist! Es saugt sich förmlich ins Gewebe, dank der guten Klingenform..

    Beste Grüße
    scts

  • Vielen Dank, wieder was dazugelernt. Das CRKT / Burnley "Obake" sieht toll aus.
    Von der Penetrationsfähigkeit her liegt das klassische Tanto wohl ganz nahe am Dolch, ist aber stabiler.


    Ist der fehlende Guard kein Problem ? Bei den kleineren Varianten wäre der Reversgriff angebracht. Reicht bei den größeren Modellen tastsächlich die „Zunahme“ des Griffes in Richtung Klinge ?

  • Jaaaaa, bei der Frage macht man so ein "Zitronengesicht" :)


    Selbst das Hissatsu ist primär für die Reversehaltung bestimmt und handhabt sich darin ausgezeichnet. Und Reverse ist der fehlende Guard wirklich kein Problem, da man schlimmstenfalls hinten den Daumen umlegen kann....


    Zudem haben sich Messerformen ohne Guard über Jahrhunderte gehalten, nicht nur in Japan, sondern z.B. auch bei nordischen und in deren Folge russischen Messern. Und zwar nicht nur für Gebrauchsmesser, bei denen das ja schnell einsehbar ist, sondern auch bei Fightern wie z.B. der "Smersh"-Reihe von NOKS. Wenn also das Abrutschen auf die Klinge bei fehlendem Guard mehr wäre als eine seltene Ausnahme, wäre diese Gestaltung zumindest bei spezialisierten Messern sicher doch im Evolutionsprozess schon verschwunden.


    Vorteile hat die Form z.B. durch ein Verhindern eines Verhakens eines Parierelements an Kleidung oder Umgebungsgegenständen. Und ich habe z.B. mein Hissatsu bei Tests auch schon forward in Balken gestochen oder durch Kevlar-Einlagen, bin allenfalls mäßig kräftig - jedoch noch nie vom Griff gerutscht. Der ist beim Hissatsu erstens ja auch konkav, zweitens sozusagen genoppt. Mindestens ebensoviel Halt bietet eine verschränkte Wicklung auf Rochenhaut, also eine klassische Lösung. Mir gefällt das sehr gut, vor allem epoxydgetränkt. So etwas gibt enormen Traktions-Halt.


    Andererseits ist der fehlende Guard auch "Kopfsache" - und ich habe die Erfahrung gemacht, forward wohl ohne Guard instinktiv etwas weniger "Gas" zu geben als mit - aber bei diesen Klingenformen immer noch deutlich genug zum Durchdringen eines Weichziels. Ich gebe bei Tests diese Messer auch ausschließlich in die Hand deutlich erfahrener Anwender, Anfänger bekommen bei mir kein Messer ohne Guard für einen Westendurchstichversuch in die Finger, gebe ich zu.


    Daher wäre zugegeben meine Lieblingslösung ein Hissatsu mit einem kleinen Guard, der die Fingerlinie nicht überragt und damit wenig Gefahr für Verhaken liefert. Nach vorn kann man so etwas auch gut runden, auch das hilft gegen Festlegen. Die Größe könnte ich mir wie beim SOG Tsunami vorstellen, sozusagen einem Modern-Tanto-Verwandten des Hissatsu. Eine europäische Alternative könnte z.B. ein Raptor (GT6 oder Lucy) von Bastinelli sein, sehr griffsicher forward wie reverse, leicht und schnell und mit sehr guter Penetrations- und Schneidleistung.
    Ein Custom-Hissatsu, sollte ich mir dann doch mal eins bauen lassen, hätte jedenfalls einen kleinen Guard :)

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