Bitte killt mich nicht: Frage zur Zähigkeit von Stählen

  • Ich habe das Gefühl das ich hier die dümmste Frage stelle die in dem Forum jemals gestellt wurde, aber ich wills trotzdem wissen: ich habe die Definition zur Zähigkeit von Stählen gelesen.



    So weit, so gut.


    Nun gibt es Schaubilder in denen Stähle anhand von Balkendiagrammen in Bezug auf ihre Eigenschaften verglichen werden.


    Ich nehme das Beispiel A2 und CPM 3V.


    CPM 3V soll mehr als doppelt so zäh sein wie A2 (unter gleichen Voraussetzungen nehme ich an).


    Würde das bedeuten, und jetzt kommt die dumme Frage, dass ein Werkstück aus CPM 3V das z.B. 4mm dick ist den gleichen Belastungen standhält wie ein Werkstück aus A2 das 8mm dick ist?


    Wie gesagt, bitte nicht killen.


    Danke für die Antwort.

    Old man yells at cloud.

  • Gegenfrage: Was lässt sich leichter zerbrechen? Ein Zahnstocher oder ein 1cm dickes Holzbrett? :P


    Aber ganz ehrlich ich wüsste die Antwort auch nicht :D .

  • Die Frage ist gar nicht schlecht.


    So wie ich das verstanden habe ist ein zäherer Stahl nicht so brechempfindlich, dafür aber meistens weniger hart und hält die Schärfe dementsprechen nicht so lange. Dafür ist die Gefahr das deine Messerklinge abbricht kleiner, aber Sie verformt sich schneller. Ist aber anscheinend nicht mit weich zu verweckseln.


    Hier liegt meine Schwieriegkeit. Wo ist der unterschied zwischen weich und zäh? Ein weicher Stahl biegt auch eher, als das er bricht oder nicht?


    Ich häng mich an deine Frage einfach mal mit dran. :D

    "Those who give up liberty, to purchase safety, deserve neither liberty nor safety." Benjamin Franklin

    3 Mal editiert, zuletzt von Filibuster ()

  • Wir stellen uns ein beliebiges Stück stahl vor, auf das eine Biege- oder Zugbelastung aufgebracht wird (z.B. ein Flachstahl, ein Ende im Schraubstock, am anderen ziehen wir an).


    Es gibt im Wesentlichen 3 Ausgänge dieses Versuchs, je nachdem, wie die Probe behandelt wurde, und wie fest wir daran ziehen:


    1) Der Stahl ist wirklich hart und damit auch spröde. Dann wird das Stück ohne davor groß nachgegeben zu haben, brechen. Dieses Verhalten kennen wir auch von Glas.


    2) Der Stahl ist weich (und damit auch für Messerklingen eher unbrauchbar). Dieses Stück wird sich plastisch verformen, wie Teig oder Knetmasse, also der aufgebrachten Kraft ohne vergleichsweise viel Widerstand nachgeben.


    3) Der von den Stahleigenschaften her üblicherweise gewünschte Fall: Die Probe verhält sich zäh- elastisch. Der Stahl wird also der Belastung einige Zeit widerstehen, und ihr dann nachgeben, wobei die Verformung (noch) nicht plastisch sondern elastisch ist, der Stahl also nach Wegfall der Belastung wieder in die Ausgangsform zurückkehrt.


    Sehen wir uns mal den Zugversuch an, wie er in der Industrie angewendet wird. Hierbei wird eine Probe mit definiertem Querschnitt (üblicherweise rund mit 10mm Durchmesser) mit Hydraulikpressen in die Länge gezogen.
    Wenn man sich jetzt das Spannungs- Dehnungsdiagramm anschaut, gibt es da links aus dem Nullpunkt kommend, einen annähernd geraden, nach rechts oben ansteigenden Ast, die sog. Hookesche Gerade. Hier gilt Fall 3), der Stahl wird also elastisch verformt.
    Diese Gerade geht (je nach Stahlsorte mehr oder weniger klar erkennbar) in den Bereich der plastischen Verformung über, der einen Bogen beschreibt, der einen Scheitelpunkt hat. Nach diesem Scheitelpunkt ist an der Probe irgendwo eine Einschnürung zu finden (die Dehnung (die waagrechte Achse) nimmt weiter zu, die Spannung (die senkrechte Achse) nimmt aber aufgrund des geringeren Durchmessers an der Einschnürung ab).
    Der Bogen hat den höchsten Punkt überschritten und der Wert auf der senkrechten Achse beginnt zu sinken, bis die Einschnürung letztlich durchreißt.
    Bei Scher- und Druckbelastungen können analoge Beobachtungen gemacht werden.


    Je nachdem, wie der Stahl jetzt behandelt wurde, sind unterschiedliche Bereiche des Diagramms unterschiedlich ausgeprägt. Ein Stück Grauguss wird eine recht steile Hookesche Gerade haben (vulgo kaum Verformung unter Belastung), keinen nennenswerten Bogen und ein entsprechend frühes Versagen.
    Auf der anderen Seite wird ein ungehärtetes Stück keine nennenswerte Hookesche Gerade haben, ziemlich von Beginn an eine plastische Verformung erfahren, bis es auch letztlich bricht.
    Wünschenswert ist es, wenn man mit Dimensionierung und Wärmebehandlung ein Werkstück schafft, dessen erwartbare Belastungen sich entlang der Hookeschen Geraden abspielen, weil dadurch keine bleibende Verformung zurückbleibt.


    Verdammt, da ist ja doch einiges hängen geblieben... :laola:


    Ich hoffe, ich konnte zur Klärung beitragen.

  • Wie in einem der unteren Links erklärt, ist die Zähigkeit: Die Wiederstandsfähigkeit eines Werkstoffes gegen Rissausbreitung und Bruch.
    Hier noch zwei Links, in denen die drei wichtigsten Prüfverfahren an Stählen recht anschaulich erklärt werden.
    http://www.tu-cottbus.de/fakul…biegung_Haertemessung.pdf
    http://www.maschinenbau-wissen…annungs-dehnungs-diagramm
    Das Problem bei der Stahlauswahl ist ja, die richtige Kombination der Eigenschaften für den jeweiligen Einsatzfall zu finden.
    Die Eigenschaften werden hauptsächlich durch diese drei Prüfverfahren ermittelt.
    Zug-Druckversuch (Zugfähigkeit,Bruchdehnung,Streckgrenze), Kerbschlagbiegeversuch (Zähigkeit) und Härteprüfung.
    Hier eine Übersicht des Themas.
    http://www.maschinenbau-wissen…3/werkstofftechnik/metall
    Ich hatte hin und wieder auch Probleme mit der Thematik, ist die ganze Geschichte doch komplexer als man vermutet. ;)


    Gruß
    Daniel

    3 Mal editiert, zuletzt von Daniel I. ()

  • jetzt muss man diese ganzen theoretischen Ansätze nur noch auf Werkstücke übertragen die auf einer Seite ein Tausendstel mm stark sind, auf der anderen 5 mm, dazu noch konisch verlaufen oder noch zusätzliche Anschliffe haben.


    Viele Grüße
    Roman

    panta rhei

  • Ich sag schon mal Danke für die tollen Erklärungen.


    Spannungs-Dehnungsdiagramm hatten wir sogar in der Schule. Ganz vergessen :egyptian:


    Ist es also richtig, das, umso zäher ein Stahl ist , so stärker er sich elastisch verformen kann, ohne dabei dauerhaft verformt zu werden, oder eine Rissbildung bzw. Bruch aufzuweisen?



    LG Felix

    "Those who give up liberty, to purchase safety, deserve neither liberty nor safety." Benjamin Franklin

  • Zähigkeit beschreibt die Verformbarkeit (bzw. den Widerstand gegen Risswachstum mittels plastischer Verformbarkeit) des Werkstoffes explizit bei vorhandenem Riss. Hat also nix mit Zugversuch etc. zu tun.


    Du kannst es also auch nicht auf den Querschnitt beziehen und sagen, dass ein 8 mm Blech doppelt so Zäh ist wie ein 4 mm Blech. Bei dem Stahl mit "halber" Zähigkeit läuft der Riss nur doppelt so schnell durch, was dann quasi in einem etwas spontanerem Versagen endet. Allerdings wirst du bei dem 8 mm Blech/Messer deutlich mehr Kraft/Spannung investieren müssen um den Riss erst einmal zu erzeugen. Falls du dein Messer natürlich ankerbst, oder durch groben Missbrauch Risse erzeugst könnt dies bei einem sehr spröden Stahl (z.B. gehärtet und nicht angelassen) sehr schnell zum Bruch führen :D .


    Alle verwendeten Messerstähle sind relativ zäh und du brauchst Dir da wenig sorgen machen. Unlegierte Stähle (C100 etc) sind aufgrund Ihrer "einfachen" Zusammensetzung allerdings meist deutlich zäher als ihre hochlegierten und pulvermetallurgisch hergestellten Freunde.


    In kurz, Verformbarkeit/Duktilität hat mit dem Begriff Zähigkeit halt nix zu tun. Es gibt sehr gut verformbare Stähle (viel plastische Verformung), die allerdings spontan versagen sobald ein Riss auftritt.
    Hoffe es ist verständlich. ;)


    Beste Grüße


    Edit: der Daniel war schneller :D

  • Einmal editiert, zuletzt von ex Vento ()

  • Hallo Smörrebröd


    Du stellst mit Sicherheit keine dumme Frage Zumal es wirklich keine dummen Fragen gibt, wie man so schön sagt. Wenn du etwas nicht verstehst unterstehe dich nicht zu fragen, denn sonst kommst du ja nicht zu deiner Antwort. Wie du siehst gibt es auch hier im Forum nicht nur Leute die etwas davon verstehen. Zusätzlich gibt es noch Leute die meinen etwas zu verstehen und deshalb nicht fragen und das ist wesentlich schlimmer.


    Ich möchte versuchen dir die Antwort kurz und verständlich zu geben.


    Was du an dem Beispiel 3V und A2 beschreibst ist die Festigkeit. Festigkeit ist der Widerstand gegen Verformung in N/mm^2. Das heisst ein Stahl mit höherer Festigkeit kann einen kleineren Querschnitt (Fläche) haben um die gleiche Last (F) zu ertragen.


    Zähigkeit beschreibt das Verhalten bei Bruch und wird üblicherweise auch anstatt Duktilität (Verhalten vor dem Anriss eines Bruchs) verwendet. Es liegt auch vom Mechanismus nicht weit auseinander somit kann im Volksmund ruhig Zähigkeit gesagt werden.


    Diese Zähigkeit wird gerne mit dem Kerbschlagbiegeversuch bestimmt. Dabei wird eine definierte gekerbte Probe mit einem Hammer auf der anderen Seite der Kerbe getroffen. Je weiter der Hammer durchschlägt umso spröder (weniger zäh) ist das Material, da es keine Gelegenheit hat die auftrffende Kraft in Verformung umzuwandeln und somit Energie aus dem Durchschwung zu nehmen.


    Ein zäher Werkstoff biegt sich also bevor er bricht bzw kann einwirkende Kräfte in Verformung umwandeln ohne vorerst zu brechen. Es gibt aber viele weiterr Faktoren die das beeinflussen können.


    Wenn du noch Fragen hast kannst du gerne mir per PN schreiben oder hier im Thread.



    Gruss
    Stefan

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