Review: Emerson Persian

  • Auch dieses Review hier erschien ursprünglich auf meinem Blog.


    Das Emerson Persian, oder kurz PTAC, ist eines von diesen Messern. Es fühlt sich wahnsinnig gut an und ist unglaublich scharf und schneidfreudig, gleichzeitig ist es spitz wie eine Nähnadel und sieht durchaus furchterregend aus. Glaubt man Ernie Emerson seine Version der Entstehungsgeschichte, dann kommt das auch nicht von Ungefähr.


    Aber trotz uriger Geschichten von echten operators und Edwood mit seinen Weichballistik-Westen ist das PTAC kein one trick pony, es ist nicht festgelegt darauf, ein Messer für Messerkampf oder Selbstverteidigung zu sein. Die Vorteile, die es zu einem vorzüglichen Kampfmesser machen, machen das Persian auch zu einem sehr guten Gebrauchsmesser, zumindest für bestimmten Gebrauch. Die feine Spitze ist natürlich ein potentieller Schwachpunkt des Messers, hebeln würde ich mit diesem Messer nichts, aber es ist trotzdem deutlich stabiler als man auf den ersten Blick denkt, oder zumindest fühlt es sich deutlich stabiler an. Das Spyderco Paramilitary 2 ist schon lange ein Klassiker und zweifellos ein tolles Messer, ich allerdings wurde einfach nicht warm mit ihm. Es war zum einen zu leicht, ich habe lieber ein paar Gramm mehr in der Hand, zum anderen aber wirkte mir die Spitze des PM2 einfach zu fragil, die gesamte Klinge verjüngt sich gleichmäßig, das erweckte nicht unbedingt den Eindruck von großer Stabilität. Das Persian hingegen hat bis kurz vor der Spitze die gleiche Klingendicke, verjüngt sich dann im letzten Centimeter und wird einfach gemein spitz, gleichzeitig ist es nicht einfach flachgeschliffen, sondern besitzt den emersontypischen asymetrischen Anschliff im Stil eines chisel grind, der nur bis etwa zur Hälfte der Klingenhöhe hochgezogen ist.


    Alltägliche Schneidaufgaben meistert das Persian mit Bravur, was bei der Werksschärfe des Messer nicht verwunderlich ist. Ein Steak schneidet sich wie von selbst, aber auch zäheres Schneidgut, etwa ein Stück Seil, durchtrennt es ohne Probleme, die Rundung in der Klinge macht das Persian zu einem sehr schneidfreudigen Messer.


    Das Persian ist nicht unbedingt ein kleines Messer. Ist ist zwar relativ schlank und wirkt elegant, ist aber ziemlich lang. Meine Hände haben egal in welchem Griff noch viel Platz auf dem Griff, und eingeklappt nimmt das Persian fast die ganze Höhe meiner Hosentaschen ein. Trotzdem ist es nicht sehr schwer und trägt sich angenehm. Einzig der Clip bereitete mir einige Probleme. Der recht lange Emerson-Clip neigt leider dazu, im Alltag zu verbiegen, wenn man etwa an Türen oder Ecken hängenbleibt oder sich im ICE unvorsichtig in den Sitz fallen lässt. Bei meinen anderen Foldern von Emerson konnte ich den Clip ohne viel Aufwand wieder zurechtbiegen, beim Persian allerdings habe ich es geschafft mehrmals die Schrauben am Clip zu verbiegen und damit unbrauchbar zu machen. Ich bin nicht sicher ob es an unsauber gebohrten Löchern im G10 liegt oder an der Position des Clips im Verhältnis zum Rest des Messer, oder ob es einfach Pech war, der mir zwei Sätze Schrauben versaut hat, aber glücklicherweise war ein User im USN so freundlich, mir Torxschrauben in der richtigen Größe aus Titan zukommen zu lassen. Diese halten bisher.


    Die klassischen Emerson Problems kann ich an meinem Persian nicht entdecken. Das G10 ist griffig aber zerstört weder Hände noch Hosentasche, färbt sich aber wenn man viel schwitzt leicht gräulich, was mit etwas Wasser aber ruckzuck behoben ist, der Lock steht sicher ohne zu "kleben" und wandert so gut wie gar nicht, und der Klingengang ist wunderbar weich, und das ganz ohne Klingenspiel. Zum Festziehen der Klinge braucht man praktischerweise nur einen normalen Schraubendreher.


    Ernest Emersons Wave ist am Persian nicht verbaut, da man sich per Wave das Messer relativ schnell ins Hosenbein pieksen würde, und angesichts der Spitze des Persian wohl auch ins Bein. Die Daumenplatte reicht zum Öffnen aber völlig aus, und das Aufschleudern ist auch eine Option.


    In meinen Augen ist das Persian ein EDC-Messer mit Charme und Charakter. Durch sein Design ist es kein Messer für den wirklich harten Gebrauch, es ist einfach ein Messer und keine Brechstange, aber dafür im Fall der Fälle ein sehr nützliches Werkzeug zur Verteidigung von Leib und Leben. Und ich besitze kein Messer, das besser in der Hand liegt. Erstaunlich.












    "Pacifism is not something to hide behind." - Walter Sobchak

  • Nochmals gelesen, wiederum mit Interesse am Thema und Anerkennung für den Autor. Und hochgeholt wegen des eigenen Neuzugangs :)


    Aus der Kershaw-Emerson-Kollaboration wurde ich mit dem 7K und dem 4KXL im Bereich der "Normalformen" bezüglich Emerson-Entwürfen bislang sehr gut bedient, Preis/Leistung ist sehr gut, vor allem sind die günstigen Kershaws weitestgehend frei von der "Streuung" der Fertigungsqualität, die bei den Emerson-Serienmessern zeitweise bei einzelnen Exemplaren feststellbar war: Klingenspiel, luschiger Detent, ausgemitteter Klingenstand im geschlossenen Messer...


    Kershaw-Emersons nun verfügbar


    Was habt ihr heute bekommen, was morgen? Nr. 10


    Andererseits ist Emerson eben einer DER Trendsetter und Vorreiter der Tactical Folder, und Entwürfe wie das Rhino, Hattin oder eben Persian lassen sicher nicht nur meine Augen leuchten :)
    Doch es wäre sicher zu optimistisches Wunschdenken gewesen, auf ein Kershaw-Emerson-Persian warten zu wollen...


    Aber Geduld bringt Segen...Sägen?....Messer! Ich hab einige Jahre geduldig "angesessen" und gewartet, ob ich nicht mal ein Persian finden würde, das zu einem erträglichen Kurs trotz Seltenheit und in einem zuverlässigen Zustand trotz besagter Streuung irgendwo aufploppen würde....Jetzt hat es geklappt :thumbup:


    Schönes neues Werkzeug in meiner "Tactical Tool Box" - hier mal mit anderen Werkzeugen in "all black"...






    Ein interessanter Direktvergleich ist der mit dem CRKT / Williams Otanashi Noh Ken, einem meiner Lieblings-Folder.


    Vergleichbare Größe, ähnliches Konzept, Unterschiede eben vor allem in der Griffgestaltung und der Klingenform.



    Beide Messer liegen geschlossen etwa gleich gut in der Hand und eignen sich beide auch geschlossen als nonletale Impact-Tools, auch das im Griff üppigere Persian ist schlank genug, daß ich es mit meiner kleinen Hand noch sehr gut umfassen kann. Beide Messer fühlen sich haptisch und funktional neben der gängigen Forward-Haltung insbesondere auch reverse sehr "schlüssig" an und verwenden sich auch so. Während Williams bei den entsprechenden bogenförmig geführten Stichen bei gerader Klinge auf die richtige Schwungführung und Handgelenkhaltung setzt, hat Emerson die "Upswept"-Klingenform gewählt, die insbesondere im südlichen Raum seit Jahrhunderten auch bei entsprechenden Messern bewährt ist wie Khanjar oder Jambiya, bei modernen Mitbewerbern eben bei den sog. "Persian-" und "Scimitar-"Formen. Emerson hat das auch bei anderen auf den entsprechenden Anwendungsbereich konzentrierten Modellen wie dem legendären Rhino und dem Hattin aufgegriffen, auch andere Hersteller wie Spyderco halten entsprechende Modelle vor, bekannt ist insbesondere auch das Benchmade Bedlam, CS hat ebenfalls "Scimitar"-Modelle angeboten, die diese klassischen Vorbilder aufgegriffen.


    Zur Auswirkung der Klingenform auf ein optimiertes Auftreffen der Spitze im bogenförmigen Stich kann man insbesondere zu einer Gruppe von Messern einiges nachlesen, die Tactical-Geschichte geschrieben haben - den diversen "Warrior" Modellen von Al Mar, REKAT oder Spyderco.


    Spyderco Pygmy Warrior nach langer Wartezeit nun verfügbar



    Kurz zusammengefaßt: Ziel ist, daß die Klingenbiegung so dem Schwungradius folgt, daß die Spitze bei geradem, gesperrtem Handgelenk im bogenförmigen Stich optimal auf das Schneidgut auftrifft und in der Fortsetzung des Bewegungsablaufs im Penetrationsvorgang optimal durchs Schneidgut geführt wird. "Nebeneffekt" soll sein, durch die bogenförmige Bewegung ggf. an den primären Wirkungsbereich auch "um ein Hindernis herum" heranzukommen....


    Nachteil bei ZU stark angehobenen (wie auch abgesenkten bei Hawkbills) Spitzen ist die nachlassende Eignung zu einem geraden Stich. Das ist beim Emerson Persian beachtet - die Biegung ist so moderat, daß man forward das Handgelenk nur ein wenig senken muß, um die Spitze kontrolliert linear zur Unterarmachse penetrierend in ein Schneidgut zu drücken. Auch diese Art feinerer Schneidarbeiten kann man also mit dem Persian sehr gut machen - während es zum "Prockeln" durch sehr festes, widerstandsfähiges Schneidgut aufgrund seiner grazilen Spitzenform eh nicht gemacht ist, geht es linear in eine dicke Blisterpackung wie in ein Butterpäckchen :)


    Ganz wesentlich ist aber nicht nur die Auswirkung auf die Spitze, sondern die auf die Schneidwirkung im Hieb:
    Upswept-Formen finden sich ja sehr häufig bei Skinnern, Jagdmessern zum Abhäuten von Wild - sie zeigen dort den Vorteil, daß man, von der Klingenachse aus gesehen, durch die hochgezogene Schneide nicht nur nach unten zur Schneidenseite arbeiten kann, sondern sozusagen auch nach vorn. Dass das nicht nur bei Bambi und Ninchen vorteilhaft sein kann, ist selbsterklärend.


    Auch die Wirkung zur Schneidenseite hin soll nach der Wirkungs-"Philosophie" der Freunde aufgeschwungener Schneiden jedoch optimiert werden:
    Bei Säbeln hat sich über Jahrhunderte diese Form bewährt, um die Schneide im Hieb nicht rechtwinling wie eine Axtklinge wie im Druckschnitt oder im Axthieb auf das Schneidgut zu schlagen, sondern schräg auftreffen und schneiden zu lassen. Dieser Effekt wird in der einschlägigen Fachliteratur und Diskussion zuweilen als "Golok-Effekt" oder "Guillotinen-Effekt" bezeichnet und besteht darin, daß die Schneide nicht ausschließlich im Druck- sondern durch das schräge Auftreffen und Eindringen mit der Wirkung eines Zugschnitts das Schneidgut durchtrennt.


    Wie so viele andere Konzeptionen der Messerwelt kann man so etwas lieben, aber es finden sich auch immer andere versierte Anwender, die das Gegenteil vorziehen - hier also entweder die für uns "klassische" gerade Klinge oder sogar das "Gegenteil", also eine abwärts gebogene Klingenform. Dazu verweise ich hier gern mal auf einen kleinen Aufsatz zu einem legendären letzten Fairbairn-Projekt....


    Practical Kuku Macan – PKM – TKS schmiedet die „Tigerklaue“ – Ein Kampfkunst-Messer als Projekt mit TF-Mitgliedern


    Also nicht zum Missionieren, sondern nur zur Vorstellung EINER Konzeption stelle ich hier einmal das Emerson Persian optisch zwischen das Otanashi Noh Ken mit ansonsten sehr vergleichbarer gerader Klinge - und andererseits den Pygmy Warrior von Spyderco, einen nochmals verkleinerten Nachfolger des REKAT Hobbit mit starken Anleihen an das REKAT-Foldermodell Pocket Hobbit.




    Kleine Randbemerkung: Zumindest im Spitzenbereich wird bei einigen Messern mit ansonsten gerader Klinge der angesprochene Effekt durchaus berücksichtigt - insbesondere ist der "Entenschnabel" (auch: Pandurenspitze) des Bowie-Messers letzlich funktional nichts anderes als eine vorn an eine ansonsten gerade Klinge angesetzte "Scimitar"-Form....


    Nun sind unhandlicherweise (rechtlich gesehen im diesbezüglich im Gegensatz zu felix Austria eben leider sehr aufgeregten und symbolpolitischen Deutschland...) Messer wie die Warrior-Modelle von der Primäranwendung her eher HuS-Waffen...Bedlam, Pocket Hobbit & Co. außerdem ja eh auch Einhandfolder. Auch das Emerson Persian ist einer, und so kann offen bleiben, ob es wirklich primär zum Abhalten balkanesischer Meuchler im US-Einsatz in Bosnien konzipiert war oder - was mir nicht unwahrscheinlich erscheint - zahlenmäßig doch weit mehr Cevapcicis zersäbelt hat...wozu es bestens taugt, a wie b....


    Da die Form für viele Anwender also zweifellos auch - und zwar ausschließlich - für friedliche, wenn auch vielleicht nicht vegane Anwendungen attraktiv und höchst geeignet ist, andererseits hierzulande aber die entsprechenden Einschränkungen und Erklärungsbedürfnisse bestehen, hier noch ein Vorschlag, um so eine Klingenform auch bei einem erklärungsfreien fixen Jagdmesser unter 12 cm Klingenlänge nutzen zu können:



    Das Persian neben einem Case Ridgeback (nach einem Entwurf des legendären Blackie Collins), das es übrigens auch mit schwarzem Kunststoffgriff und schwarzer Cordura-Scheide gibt...Auch das Ridgeback schneidet übrigens bestens :)


    Ich hoffe, die Bilder haben dieses allerdings auch ohne meinen Anhang spannende und informative Review ein wenig bereichert - das gilt auch für meine Anmerkungen über Anwendungen und Aspekte der Gestaltung aus meinem Euch bekannten speziellen Blickwinkel :)

  • Vielen Dank Micha für die Ausführungen - hat Spaß gemacht und für mich Sinn und Zweck dieser Klingenform nochmal näher beleuchtet. Bin zwar selber ein Fan von Wharncliff-Klingen (ich liebe mein Snody Hybrid), aber hier bekomme ich selber Appetit ;)

    A warrior is not about perfection or victory or invulnerability. He's about absolute vulnerability- Socrates
    "I like to stretch a little bit before I go into the hood." - Mike Snody

  • Ich hatte das Review von xnkrtsx damals gelesen, aber um eine Antwort war ich wohl aus irgendwelchen Gründen verlegen - vermutlich Vergesslichkeit. Das möchte ich also noch nachholen und mich bedanken. Es ist eines derjenigen Messer, die mir vor allem wegen guter Reviews hier im Forum regelmäßig im Kopf herumschwirren :thumbup:


    Danke nun auch an Micha für den wie immer aufschluss- und lehrreichen Text und die anschaulichen (Vergleichs-)bilder.

    "Having a suitable light is analogous to being able to change the weather."
    --- Andy Stanford, Fight at Night

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