Review Behring Made Technical R.Sous

  • Ich war letztes Wochenende in MacPomm paddeln.
    Hatte mir dort bei einem Jäger ein 45 kg Wildschweinchen gekauft um unseren letzten Abend würdig ausklingen zu lassen.
    Das Messer erlebte hier seine Premiere. Die Führigkeit ist ausgezeichnet. Der Balancepunkt liegt genau auf dem vordersten Ende der Griffschalen. So lässt sich die Spitze ermüdungsfrei und sehr präzise führen.
    Natürlich sollte man größere Messer gewohnt sein ;)
    Ich hatte die Decke in persönlicher Rekordzeit vom Wildkörper entfernt. Auf einem der Bilder ist ein Schnitt in der Schwarte zu sehen. Dieser war Teil eines Stichs den ich angesetzt hatte um die Penetrationsfähigkeit nochmal aus der Theorie in die Praxis umzusetzen.
    Die Finne ist nach hinten so seicht abfallend, dass es nichtmal in den Rippen hängen blieb. Der Anschlag vorne gleicht durch die Klingenhöhe einem ausgewachsenen Parierelement und ein Stich mit viel Kraft ist absolut gefahrlos machbar.
    Das Entfernen von Fett und Bindegewebe, sowie einiger Fleischreste aus der Decke war eine Mousse. Der lange Klingenbogen ist ein Traum.
    Die Spitze sitzt hoch genug, so dass man den gezogenen Schnitt sauber bis zum Klingenende ausführen kann, ohne dass diese nochmal nachschneidet und das Ergebnis versaut.


    Ich halte dieses Fett/Blut Gemisch für das rutschigste was man so finden kann. Die Grooves, die übrigens deutlich schärfer aussehen als sie in Wirklichkeit sind, bieten neben der genannten Konturvorgabe sehr guten Grip.


    Nachdem der Wildkörper und die Decke fertig waren, habe ich 6 Forken und 2 schwere Lanzen schlagen müssen.
    Hier kommt der leichte Hohlschliff ebenso zum Tragen wie bei den vorangegangenen Schneidarbeiten.
    Das Messer hat eine ordentliche Kopflast und durch den Schliff dringt es bei einem Hieb seeeehr tief in frisches Holz ein.
    Für Äste von ca. 40 mm Durchmesser reicht bei stabiler Bindung an einem Baum ein einziger Hieb. Kleinkram lässt sich mit relativ wenig Kraft und somit erhöhter Präzision entfernen.
    Das Schälen der Rinde vom Holz ging natürlich entsprechend leicht von der Hand. Wenn ich von Tony Lennartz eines gelernt habe, dann mit dem Messer ordentlich zu schneiden und nicht zu drücken oder zu Schaben. Hier gilt das gleiche wie für Säge, Feile und Schwanz (man verziehe mir die Anlehnung an den alten Mechaniker Spruch, den jeder Lehrling irgendwann mal gehört hat ;) )


    Die lange Klinge erlaubt große Schneidstrecken. Auch hier steigert sich die Effizienz.
    Nachdem der Grill soweit fertig gebaut war musste das schwere Grillgut auf die Spieße. Diese waren entsprechend kräftiger Natur. Der Vorstich durch die Schulter war wie man sieht kein Problem. Auch hier konnte ich sauber führen. Sticht man hier an einer falschen Stelle, dann fällt einem nachher das Fleisch von den Spießen.


    Nach der ganzen Arbeit war das Messer insbesondere durch das Durchschneiden der Decke mit dem sandig schmutzigen Fell nicht mehr Rasurscharf. Jedoch in einer sehr guten Gebrauchsschärfe wie man an den Holzarbeiten sehen kann.
    Ich habe es kurz auf dem Sharpmaker mit den Keramiksteinen abgezogen und mich der leichten Nachschärfbarkeit erfreut. :D


    Aufgrund des Hohlschliffs ist es kein Tankbuster für hardcore Tasks :D
    Ich habe ein Stück 2 Jahre gelagerte Ulme zu Rate gezogen. Beim Batoning verlief diese leicht torsioniert und spaltete sich nicht weiter auf, auch als das Messer bereits ganz darin verschwunden war und sich das Schlagholz immer weiter in seine Bestandteile auflöste. Übrigens ist der Klingenrücken vom Griff bis zur Finne mit einer Länge von mehr als 90 mm für Arbeiten mit dem Schlagholz ausreichend breit, so dass dieses nicht permanent auf einen scharfen oder dünneren Bereich schlagen muss.


    Nachdem diese Ulme einfach nicht geteilt werden wollte, habe ich versucht quer rein zu kommen. An dieser Stelle gehe ich kurz auf den NICHT frei gelassenen Bereich einer Hammerfläche ein. Nach Absprache mit Behring habe ich diese Option verworfen, da es dem Messer seinen leicht klassischen Flair genommen und wesentlich technischer gemacht hätte. Zudem ist wurde mir gesagt, dass die Schrauben ordentlich dimensioniert sind und das Griffmaterial viel abkann. Da mir persönlich Macken und Patina sehr zusagen, habe ich mich dazu entschieden es drauf ankommen zu lassen. Bei diesem Test hätte sich ein Nachgeben der Schalen gezeigt. Entgegen einem Beil oder Hammer dringt das Metall definitiv weiter ins Schlagholz als die Schalen und so bekommen diese einmal Volllast ;)
    Es ist nichts passiert und es gab weder Blessuren noch Verschiebung an den Schalen.


    Das Stück Ulme ließ sich auch so nicht weiter durchschlagen. Es bestand zudem die Gefahr, dass die Klinge an der Schneide durch den schrägen Wuchs an die Seite gedrückt würde. Durch die Führung der Schultern würde diese dann bei zuviel Seitenlast brechen.
    Für diesen Einsatzbereich sind Messer mit ¾ Flachschliff oder balligem Schliff sicherlich besser geeignet, jedoch wurde es für die Wildnis konzipiert und nicht für sowas. Die Spalteigenschaft sind also insgesamt im Bereich „Ausreichend“ zu bewerten.
    Der Ulme ging es danach übrigens mit schwerem Keil und Axt an den Kragen, wobei die Axt beschädigt wurde… Zähes Zeugs diese MacPomm Ulme :D

  • Am gestrigen Nachmittag habe ich mich dann mal kurz in meinen Garten begeben um noch ein paar Dinge auszuprobieren.
    Ich habe aus 1,5 Jahre abgelagertem Anmachholz (Birke) ein paar Dinge geschnitzt. Erstmal eine Dreikantspitze. Diese habe ich dann in den ebenfalls harten Stumpf eingetrieben – mit der Seite des Messers als Hammerfläche. Klappt alles wunderbar.
    Auch das Trennen dieses Holzes geht mit wenig Kraftaufwand und sehr präzise.


    Das Herstellen von feathersticks ist jetzt nichts besonderes, aber es sei zu erwähnen, dass dieses große Messer aufgrund seines Schliffs keine Probleme bei dieser Arbeit macht, für die insbesondere Scandi Messer immer wieder hoch gelobt werden. (Deren Einsatz sehe ich übrigens primär in der Bearbeitung von Fleisch)
    Habe dann mal ein wenig von dem Holz von der Stirnseite her aufgespalten. Hab mal gelernt wie man auf diese Weise Streichhölzer herstellt… Hier verdeutlicht es die Schneide, die ihrem Namen alle Ehre macht und nicht nur keilt.

  • Dann ging es an den Knochen. Zu sehen ist der Oberschenkelknochen eines Wildschweins.
    Dieser ist ungekocht (siehe das Mark, über das sich mein Hund sehr gefreut hat ;) )
    Ich habe erstmal eine üble Belastung für die Schneide herbei geführt und einen Bereich dünn geschnitten. Die Schneide hat sich dabei nicht umgelegt, sondern sauber abgetragen.
    In diesen Bereich habe ich dann die Spitze des Messers hinein getrieben.
    Ging absolut frei von Blessuren. Ein kleiner Schlag mit dem Ballen auf das Griffende und sie glitt kontrolliert in den Knochen.


    Um den Knochen nun zu zerschlagen nutze ich die Finne. Ich habe es immer wieder gehasst wenn die Knochen mit viel Kraft aufgeschlagen werden mussten und die Splitterwirkung immens war.
    Ich habe mit dem ersten Schlag wenig Kraft hinein gebracht. Der Impact war gering und die Wirkung wie erwünscht. (Physik gibt’s halt mit dem Kraft/Fläche Verhältnis vor)


    In den Rest der Röhre habe ich dann den kleinen Dreikant eingetrieben um längliche Gebilde aus Knochen zu erhalten.


    Da die Zeit knapp war entschied ich mich dazu anstatt einer Knochenklinge einfach flott eine Spitze herzustellen.
    Dies ging absolut hervorragend!
    Aus ein wenig Birkenrinde ein Bindemittel herzustellen ging auch klasse.
    Ihr seht auch hier wieder eine recht filigrane Arbeit, die nur mit einem recht feinen Schliff zu machen ist. Schärfe und Geometrie müssen da stimmen.


    Ich habe das Stöckchen zurecht geschnitzt und mal einfach zur Darstellung flott gebunden. Sowas erfordert normalerweise weitaus mehr Aufwand und man nimmt am besten etwas Darm und Harz ;)

  • Für das Messer wurden von Sven Kinast – Messerdepot insgesamt 12 Scheiden hergestellt.
    Ich habe bei dem Entwurf darauf geachtet, dass diese äußerst kompakt und damit auch leicht wird.
    Es wurde ein mit echtem Multicamstoff verschmolzenes Kydexmaterial benutzt, welches von mir bereits als Material fürs Phrike gewählt wurde, so dass die Beständigkeit eine Erprobung fand.
    Die Arbeit damit ist, aufgrund der zu beachtenden Schritte beim Bohren und Schleifen, recht aufwändig. Das Ergebnis überzeugt aber: Man hat nicht dieses „Plastik Gefühl“. Es ist einfach wertiger.
    Der Beltloop ist verschraubt und etwas höher gesetzt, so dass es am Gürtel nicht als langes Band verdreht.
    Ein Beinriemen ist also unnötig. Im Boot hatte ich das Messer mit etwas Paracord vor die Brust gehangen. Auch das geht super.
    Die Sheath hat eine leichte Köcheröffnung und eine Art Daubenrampe an der man sich beim Ziehen abstützen kann. In der Kydex befindet sich ein dünnes Inlay, welches Kratzer und Geräuschpegel ein wenig minimiert. Es handelt sich jedoch nicht um Stoff, sondern um einen Kunststoff, der Wasser nicht saugt!
    Die Sheath wiegt samt dem Flint 180 g. Insgesamt hat man also 636 g am Gürtel. Das ist meiner Meinung nach genau die Grenze, bevor man dauernd von seinem Messer ausgezogen wird.

  • Nach dem Prozedere mit Holz und Knochen hab ich noch flott eine 1,5 l PET mit Wasserfüllung geköpft und siehe da – es rasierte noch partiell und der Rest war bis in die Spitze in einer hervorragenden Gebrauchsschärfe.
    Ich habe es dann mit der Keramik abgezogen, einmal kurz übers Leder und in Ballistol balsamiert.


    Nun wartet es auf seinen nächsten Einsatz. Mal sehen ob ich mich heute Nachmittag zurück halten kann :D :D


    Fazit:
    Zu bewerten ist für mich einerseits das Messer an sich und andererseits die Zusammenarbeit mit G Gear und Behring.
    A: Ich habe mir im Grunde alles an dem Messer selber ausgesucht und bin froh, dass ich mit keinem Detail falsch gelegen habe… Die Zweckerfüllung ist voll zu spüren und ich freu mich nun schon auf die ersten längeren Bushcraft Seminare.
    Die Balance aus Schnitthaltigkeit, Schärfe und Nachschärfbarkeit ist für diesen Einsatzzweck optimal.
    Das Gewicht des Messers ist für diese Größenordnung geringer ausgefallen als ich erwartet hatte. Ich habe mit über 100 g mehr gerechnet. Dennoch ist es kein Messer für Touren, bei denen auf Packmaß und Gewicht geachtet werden muss.
    Im Kayak hatte ich es nun dabei und da kümmert das natürlich nicht.
    Die Korrosionsbeständigkeit ist ebenfalls wie von mir gedacht: Die Brünierung ist stabiler als die Cerakote Beschichtung an meinem Bridger und macht das Messer äußerst Rostträge. Der oberfläche Rost entsteht nicht so schnell wie an meinen Stridern. Jedoch bedarf es etwas Pflege, die bei mir bereits ein kleines Ritual ergeben hat ;)


    B: Die Kommunikation über den großen Teich verlief sehr gut. G Gear war da permanent hinterher und auf Zack, so dass lange Warterei oder gar Ungewissheit über Etappen des Verlaufs keine Rolle spielten. Behring hat sein Know how eingebracht. Abgesehen von dem wunderbaren Griff auch bei der Wahl des Schleifradius und bei der Farbauswahl der Griffe. Die Kommunikation mit einem Messermacher aus Deutschland ist sicherlich einfacher, aber es sollte nunmal der Ami sein. Fast jeder hier weiss, dass ich auf diese Sachen stehe und ein Abweichen davon wäre irgendwo ein Hauch Selbstbeschiss gewesen.



    Der Preis ist happig und man muss den Dachschaden haben, wie er von mir längst bekannt ist. Die Amerikaner haben ein Flair, an welches andere Produkte in meiner zuständigen Hirnregion noch nicht ran gekommen sind.
    Ich zahle den Preis gerne.


    Ich bin insgesamt sehr begeistert. Was mir das Spartan Difensa als Survival und Tourenmesser gibt habe ich so nun auch als Camp und Bushcraft Knife bekommen.


    Ich bin mit meinem neuen Paket happy und werde euch weiter berichten.

  • ....fundiert, ausgefeilt, kompetent, beeindruckend und dazu noch ein großes Vergnügen zu lesen.


    Weitere Lobeshymnen spare ich mir an dieser Stelle, da ich sowieso nicht in der Lage bin die Worte zu finden, die das in entsprechend würdigendem Maße wiedergeben können.
    Das gilt sowohl für das Review, als auch das Messer an sich.


    Beste Grüße,
    Andy

    Member of the "outer Bunch..."

  • Sehr schönes Messer, tolle Bilder.
    Und das Wildschwein hat direkt den Speichelfluss angeregt..... :thumbup:

    "Diejenigen, die für ein wenig vorübergehende Sicherheit grundlegende Freiheiten aufgeben, verdienen weder Freiheit noch Sicherheit." (Benjamin Franklin)

  • Hallo,


    wie gewohnt ein sehr toller Bericht von Dir! :)


    Dein Messer hat mir von Anfang an schon SEHR gut gefallen (ich steh' total auf die Harpunen, das ist genau mein Ding! :thumbup: ).


    Sehr schön zu sehen, dass es super funktioniert!
    Freut mich sehr für Dich, und wenn es in Serie gehen sollte, umso besser! :)

  • Ach ja: Serie ist eine weitere 10er Reihe in Planung. Nr 13 - 23


    Ich habe jedoch mit der Vermarktung nichts zu tun. Bei Interesse an Georg von G Gear wenden. Keine Ahnung wie es um die Verfügbarkeit steht und welche Nummern noch zu haben sind.


    Gruß
    Raoul

    Plan - Prepare - Execute

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  • Ein sehr aussagekräftiges Review, danke dafür.
    Die ersten Eindrücke, die du beim Vorstellen des Messers vermittelt hast sind auch eingetreten. Freut mich, daß die Zusammenarbeit zwischen dir, G-Gear und Behring so toll funktioniert hat.

    MfG, Joachim
    Nachrichten bitte per E-Mail.

  • Und hier mal das besagte Kydexmaterial welches ein paar Leute hier aus dem TF bereits auch haben

  • Hey Raoul.


    Echt starkes Review, werde mir wohl auch das Messer zulegen müssen...
    Gestern habe ich deinen Beitrag nur überflogen, jetzt wollte ich ihn in Ruhe lesen. Kann es sein, dass ich heute die Daten und In-hand-Bilder übersehe? Ich meine, sie gestern noch gesehen zu haben... Wahrscheinlich bin ich aber nur Blind.

  • Wirklich ein schönes Messer und ein toller Bericht!


    Habe eben bei G.Gear mein Interesse angemeldet.


    Hast Du bei dem Schwein entlang der Wirbelsäule die Rippen abgetrennt und es dann wie auf einem Asadokreuz aufgespannt, oder doch wie mit einem doppelten "Grillspieß" gearbeitet?

  • Moin


    UZi: Anscheinend ist mein gesamter Eingangspost gelöscht. Ich wars jedenfalls nicht.


    KastorDJT: coole Sache! Das Tier wurde nicht weiter behandelt. Auf dem Bild sind noch alle Rippen drin und nur der Bauchspeck hat gelitten. Rücken war schön rosa ;). Ich seh nachher mal nach Bildern ;)

    Plan - Prepare - Execute

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