Servus Leute,
Nebenwirkung eines Anglistikstudiums ist unter anderem, dass einem manch englischer Begriff für gewisse Situationen geeigneter erscheint als der deutsche. Im Falle meines erst kürzlich im Forum ertauschten Real Steel Observer (Danke nochmal an Kai )wäre das wohl der Ausdruck „blown away“, was ich im deutschen wohl am ehesten mit „von den Socken“ übersetzten würde.
Warum das Observer mich so dermaßen beeindruckt hat, möchte ich im folgenden Review darlegen. Ich hatte es die letzten Wochen als EDC dabei, da bekam es aber nur Kleinigkeiten zu tun, daher wollte ich es mal richtig testen. Zunächst aber mal die blanken Fakten:
Klingenlänge: 9,5 cm
Schneidlänge: 9 cm
Klingenstärke: 4,5 mm
Grifflänge: 11,9 cm oben/ 10,9 cm unten
Gesamtlänge: 20,9 cm
Gewicht Messer: 148 g
Gewicht Scheide: 28 g
Gesamtgewicht: 175 g (meine Waage )
Stahl: 440 C (!!!)
Was die Ausrufezeichen hinter der Stahlbezeichnung sollen, erläutere ich später.
1. Ersteindruck & Verarbeitung
Bezüglich dieses Punktes gab es ja über Real Steel schon einige Lobhudeleien, und ich kann mich irgendwie nur anschließen. Ich habe was die Verarbeitung angeht an diesem Messer keine einzige Unsauberkeit gefunden, aber auch gar keine. Bei dem Modell handelt es sich im die zweite Generation des Observer, bei der scheinbar nochmal an der Qualitätsschraube gedreht wurde.
Das Jimping am Klingenrücken ist sehr sauber CNC-Gefräst und absolut Grat- und Spaltfrei, und das obwohl die Schalen komplett per Schlitzschrauben demontierbar sind. Außerdem bietet es dem Daumen (mit oder ohne Handschuh) guten Halt, ohne aggressiv zu sein. Weiterhin ist das Ricasso sauber gemacht, und die Klinge wirklich bis zur Schleifkerbe gleichmäßig dick und Scharf:
Der Anschliff ist absolut symmetrisch und liegt (am Sharpmaker geschätzt) bei ein klein Wenig über 40° gesamt, also vielleicht 22° pro Seite. Theoriehalber für ein Outdoormesser grad recht. Ich habe dem Messer nur noch ein Paar Züge auf den ultrafeinen Steinen gegeben, und siehe da, die Haare flogen schon vor Angst vom Arm
Die mitgelieferte Kydex ist auch ein weiterer Pluspunkt. Sie lässt das Messer definiert klackend einrasten und hält es absolut Spiel- und Klapperfrei fest, auch kopfüber und mit Schütteln. Sie lässt sich in verschiedenen Positionen an einem ebenfalls Mitgelieferten Gürteladapter befestigen.
2. Im Gebrauch (Schnitzen)
Genug der grauen Theorie, ich wollte wissen wie sich das Observer so schlägt. Gerade den 440C wollte ich auf den Prüfstand stellen, da es der erste ist, der bei mir nicht in einem Messer mit Böker-Logo verbaut ist. Also habe ich mich entschieden einen Löffel aus einem Stück durchgetrocknetem Apfelholz zu schnitzen, was ja auch nicht das weichste Holz im Garten ist. Also zunächst den Ast grob in Form batont (keine subjektiven Schärfeeinbußen) und angefangen zu Schnitzen, und das war eine wahre Freude. Wer kennt nicht dieses schöne „krrrrrt“ wenn sich scharfer Stahl durch trockene Holzfasern beißt.
Zur Ergonomie kann ich für mich auch nur positives berichten. Der Griff ist großzügig dimensioniert (ich trage Handschuhgröße 9) und liegt beim Schnitzen in jeder Haltung angenehm und durch die Grooves und das Jimping sicher in der Hand, auch bei Powercuts vor der Brust.
Zwischenergebnis nach ca. 20 min. :
Hiernach habe ich mal kurz den Löffel beiseite gelegt und das Messer testweise über den Unterarm gezogen. Ich war mir eigentlich absolut sicher, dass die Rasierfähigkeit schon lange flöten gegangen sei, aber weit gefehlt, die Haare flogen immer noch! Zwar nicht mehr ganz sauber, aber doch noch ordentlich. Das sollte 440C sein? Nach kurzer Verwunderung, munter weitergemacht. Vorläufiges Endergebnis nach insgesamt etwa einer Stunde :
Dann habe ich mir die Schneide nochmal etwas genauer angesehen:
Da war nichts festzustellen, keine Ausbrüche (ok, das sollte auch nicht passieren), kein Umlegen der Schneide, keine optisch feststellbare Abstumpfung. Zieht man die Schneide über einen Fingernagel, spürt man keine Rauigkeit. Rasieren ging mit Druck aber auch noch! D.h. es ist nach einer Stunde schnitzen in trockenem Hartholz noch eine absolut akzeptable Gebrauchsschärfe vorhanden. Da zeigt sich, was alles in 440C steckt bei guter Wärmebehandlung. Ich hatte 440C, zusammen mit 12C27 mental in der Kategorie „geht schon“ eingelagert, das werde ich jetzt nochmal überdenken.
3. Fazit (vorerst)
Nachdem mich das Observer was Verarbeitung, Schärfe und Schnitthaltigkeit angeht so überzeugt hat, habe ich mich entschieden das Review noch auszuweiten, und das ohne das Messer nachzuschärfen. Morgen Nachmittag werde ich es noch einer Standard-Bushcraftaufgabe aussetzten: Feuer machen. Aber vorerst muss ich sagen, dass man mit dem Observer (II) in meinen Augen bei einem Preis von um die 50€ absolut gar nichts falsch macht. Da bekommt man ein sehr solides Gebrauchsmesser mit gutmütigem 440C, der zudem eine optimale WB bekommen zu haben scheint.
Zweiter Teil Folgt!
Grüße, Smokehead