Linder M390 Karelia Hunter

  • Die Firma Linder aus Solingen gehört zu den wenigen noch bestehenden, deutschen Traditionsunternehmen, die auch heute noch Messer “Made in Germany” fertigen. Dabei kann sie auf ein reichhaltiges Angebot blicken, das sich vom traditionellen Trachtenmesser bis hin zum modernen Jagdmesser erstreckt. Neben einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Modelle besticht Linder mit einer großen Auswahl an Griffmaterialien und Klingenstählen. Für diesen Bericht fiel die Wahl auf ein besonders schönes Fabrikat der Messerschmiede: das Linder M390 Karelia Hunter, das aus sehr hochwertigen Materialien besteht. So wurde der Griff aus dem besonders schönen Holz der karelischen Maserbirke gefertigt. Die lebhafte Maserung des Holzes fällt selbstverständlich bei jedem Exemplar individuell aus und macht es so zu einem Unikat. Als Klingenstahl wurde auf den erstklassige pulvermetallurgischen Böhler M390 zurückgegriffen, der momentan zu einem der begehrtesten “Superstählen” zählt.
    Gute Gründe sich das Messer also mal etwas genauer anzuschauen.



    Griff und Klinge
    Fühlt man das Karelia Hunter zum ersten Mal in die Hand, stellt man sofort das verhältnismäßig geringe Gewicht des Messers fest. Diese Leichtigkeit wird dem Anwender bei feineren Aufgaben, für die das Messer in erster Linie konzipiert wurde, sicherlich entgegen kommen. Verantwortlich für das geringe Gewicht ist neben des verwendeten Holzes sicherlich auch die Steckerl-Konstruktion, auf der das Messer aufbaut.
    Das Karelia Hunter liegt durch seinen voluminösen Griff sehr gut in der Hand, was ein langes, ermüdungsfreies Arbeiten ermöglicht. Das verwendete Holz macht das Messer zu einem warmen Handschmeichler, was sich insbesondere bei kälteren Temperaturen als durchaus vorteilhaft erweisen sollte. Einem versehentlichen Abrutschen der Hand in die Klinge wird durch einen Fingerschutz aus Edelstahl vorgebeugt. Diesem schließen sich mehrerer Zwischenlagen aus vulkanisiertem Fieber und das karelische Birkenholz an. Trotz der glatt geschliffenen Oberfläche ist der Griff nicht rutschig. Das Holz wurde vom Hersteller gewachst und anschließend poliert. Um die Schönheit des Griffs möglichst lange zu erhalten, empfiehlt Linder die Verwendung eines transparenten Holzwachses. Seinen Abschluss findet der Griff in einer ebenfalls aus Edelstahl gefertigten Montur, die über einen Durchbruch verfügt und somit das Anbringen einer Fangschlaufe ermöglicht.



    Als Klingenstahl setzt Linder beim Karelia Hunter auf den erstklassigen Böhler M390, der eigentlich als Kunststoffformenstahl konzipiert wurde und durch Verschleiß- und Korrosionsbeständigkeit glänzt. Er wurde, wie der Klingenaufdruck bereits verrät, auf 60 HRC gehärtet. Das Nachschärfen des Messers ging trotz der Verschleißfestigkeit des Stahls recht gut von der Hand. Hier kommt man auch ohne Diamant-besetzte Schleifutensilien gut zurecht.
    Besonders positiv hervorzuheben ist, dass die Schneide des Messers ausreichend dünn geschliffen wurde. Selbstverständlich muss eine Schneide über etwas Material verfügen, damit die Schneidkantenstabilität gewahrt bleibt. Andererseits gibt es bezogen auf eine Klinge kaum etwas lästigeres, als wenn sie zu dick ausfällt und aus dem Messer einen “Spalter” macht. Die Balance zwischen zu dick und zu dünn ist beim Karelia Hunter aber genau richtig gewählt worden. Das Messer ist insgesamt sehr schneidfreudig und kommt “rattenscharf” vom Hersteller. Somit entfällt auch das häufig obligatorische und lästige Nachschärfen eines neu erworbenen Messers vor dem ersten Gebrauch.



    Bedingt durch die Klingenlänge von ca. 9,7 cm, bei einer effektiven Schneide von knapp 9 cm, ist das Karelia Hunter sicherlich sehr gut für den jagdlichen Einsatz geeignet, auf den der Name des Modells auch abhebt. Wer diesen Zeitvertreib nicht praktiziert, findet in der Natur sicherlich viele andere Verwendungszwecke, um sich an der Performance des Messers zu erfreuen. Es muss sicherlich nicht erwähnt werden, dass das Karelia Hunter keineswegs für gröbere Arbeiten wie Hacken oder Holzspalten ausgelegt ist. Dafür ist die Klinge an der Spitze zu fein ausgeschliffen und die Steckerl-Konstruktion nicht geeignet. Darüber hinaus wäre das Messer für derartig grobe Einsatzzwecke natürlich auch viel zu schade.



    Qualität des Messers
    Die Verarbeitung des Karelia Hunters ist auf einem sehr hohen Niveau. Der Holzgriff weist keinerlei übrig geblieben Schleifspuren auf und auch der Griffabschluß sowie das Parierelement verfügen über ein makelloses Finish. Erfreulicherweise sind zudem die einzelnen Übergänge zwischen den Griffbestandteilen wie Parierlement, Zwischenlagen, Holz und Griffabschluss sauber und spaltfrei verschliffen worden.
    Solch eine Aufmerksamkeit und Präzision machen Freude und unterstreichen die Hochwertigkeit des Produkts. Einzig und allein an der Klinge findet der penible Erbsenzähler zwei Ungereimtheiten: Zum einen verläuft beim vorliegenden Exemplar der Schliff kurz vor dem Ricasso minimal bogenförmig. Das könnte möglicherweise auch gewollt sein. Eindeutiger dagegen sind die Zwischenräume der geriffelten Daumenauflage am Klingenrücken, die etwas unsauber belassen wurden. Sie trüben das sonst so tadellose Äußere allerdings nur in geringem Maß. Abgesehen davon kann die Verarbeitungsqualität des Karelia Hunter guten Gewissens als hervorragend bezeichnet werden.




    Die Scheide

    Die mitgelieferte Steckscheide kommt im Gegensatz zum Messer recht unauffällig daher. Aus braunem Leder und in ausreichender Stärke gefertigt, ist sie für mich ein adäquater und zweckmäßiger Aufbewahrungsort für das Messer. Was Aussehen und Qualität betrifft, so spielt die Scheide sicherlich nicht in der selben, hochklassigen Liga wie das Messer. Eine hochwertigere Scheide hätte sicherlich aber auch einen nicht unerheblichen Aufpreis des Messers bedeutet.



    Optik, Preisgestaltung und Service
    Die Optik des Karelia Hunters lässt sich selbstverständlich nur subjektiv beurteilen. Persönlich gefällt mir das Erscheinungsbild des Messers sehr gut, was vielleicht daran liegen dürfte, dass es zwar traditionell aber nicht altbacken daher kommt. Zugegeben ein etwas dezenterer Klingenaufdruck hätte dem Messer sicherlich besser gestanden. Als besonders störend empfinde ich ihn jedoch nicht.
    In Zeiten, wo synthetische Materialien wie G10, Micarta oder Titan immer beliebter und häufiger anzutreffen sind, ist die karelische Maserbirke eine äußerst frische Abwechslung.
    Das Karelia Hunter ist aktuell für um die 150€ zu haben, abhängig vom jeweiligen Händler natürlich. Zieht man in Betracht, welchen Gegenwert man für sein Erspartes erhält, ist das Messer fast schon als Schnäppchen zu bezeichnen. Dafür sei nur einmal auf den hohen Preis des M390 Stahls verwiesen, der bereits ein Vielfaches dessen kostet, was für konventionelle Stähle aufgewendet werden muss. Vergleichbare Messer mit entsprechenden Stählen sind für gewöhnlich erheblich teurer. Auch die karelische Maserbirke lässt sich tendenziell zu den kostspieligeren Hölzern zählen. Linder hat beim Material also nicht gespart. Zudem werden beim Karelia Hunter auch noch einige Arbeitsschritte von Hand ausgeführt. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren wird klar, dass das Messer zu einem wirklich sehr attraktiven Preis zu haben ist.
    Natürlich nicht auf das Karelia Hunter begrenzt aber trotzdem erwähnenswert ist der hervorragende Service der Firma Linder, den ich selbst schon erleben durfte. Dieser hat mich damals sehr beeindruckt und mein Vertrauen in das Unternehmen gestärkt hat. Sollte es einmal Grund zur Beanstandung geben, wird man bei Linder nicht im Regen stehen gelassen.


    Daten zum Messer
    Klingenlänge: 9,7 cm
    Schneidenlänge: 9 cm
    Gesamtlänge 21 cm
    Klingenstärke 4 mm
    Klingenstahl: Böhler M390 @60 HRC
    Parierelement und Abschlusskappe: Edelstahl
    Gewicht: 142 g (Angabe des Herstellers)




    Fazit

    In der Summe ist das Karelia Hunter ein wirklich tolles Messer. Dabei kommen nicht nur die hervorragenden Materialien zum Tragen, die bereits sicherlich die Herzen vieler Messerfreunde höher schlagen lassen, sondern auch die sehr ordentliche Verarbeitung, die wenig Platz für Kritik lässt. Abgerundet wird das Ganze durch das Prädikat “Made in Solingen” und einem, für die gebotenen Leistungen sehr günstigen Preis. Das Karelia Hunter ist für mich ein Geheimtipp.


    Einmal editiert, zuletzt von xplicit86 ()

  • Kleine Anmerkung: Ich weiß, nicht das taktischste Messer. Bin mir aber sicher, dass es dem einen oder anderen dennoch gefallen ;)


    Ja, gefällt mir super :thumbup: und der Preis ist echt gut. Danke für deine Mühen bei deisem schönen Review!

    Mit dem Messer geht es besser!

  • Vielen herzlichen Dank für dein Review :thumbup:
    Da ich Besitzer von dem SE1 und SE2 bin, bin ich auch auf das Karelia Hunter aufmerksam geworden. Dass die Verarbeitung super ist freut mich zu hören :)


    Einzig bei der Namensgebung hätte Linder sich was anderes überlegen sollen...z.B. Karelia Hunter 1, Karelia Hunter 2 und Karelia Hunter 3. So muss man vorher schon wissen, welchen Stahl das Messer hat.


    Cheers,
    Andi

  • ...ist das ja schon fast. ;)


    Aber trotzdem eine sehr ausführliche und detaillierte Besprechung dieses Messers. Danke für die viele Arbeit.
    Ich mag die Linder-Messer ebenfalls sehr. Ich besitze noch mein erstes Fixed. Ebenfalls ein Linder mit Klinge aus 440C und Griff aus Hirschhorn.
    Gute Deutsche Handwerkskunst, die uns hoffentlich noch lange erhalten bleibt.


    Beste Grüße,
    Andy

    Member of the "outer Bunch..."

  • Ein tolles Review, vielen Dank dafür. Schöne Bilder und ein gut zu lesender Text zu einem, meiner Meinung nach, optisch schönen und wertigen Messer. Einzig das Datenblatt auf der Klinge könnte, wie von Dir bereits erwähnt, dezenter gestaltet werden. Viel Spaß mit dem schönen Stück und danke für Deine Mühe!


    Grüße
    Jan

    two is one - one is none

  • Schönes Review, vielen Dank :thumbup:


    Mir gefällt das Messer sehr und ich freue mich über diese Vorstellung 8o


    Auch wenn ich heute ausschließlich Custom Messer benutze, habe ich viele Jagdmesser von Linder in Gebrauch gehabt und wurde nie enttäuscht :thumbup:

    Cranium Society Lifetime Member

  • Endlich mal ein guter Review über dieses Messer, mit sehr gutem Preis Leistungs Verhältnis, welches meiner Meinung nach viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Ich besitze das Messer auch schon eine Weile und bin hoch zu frieden. Das einzige was mich stört, ist der zu groß´geratene Schriftzug auf der Klinge. Das macht die Optik ein wenig kaputt wie ich finde.

    In der Gülle schwimmt die größte Scheiße immer oben.

  • Viele Messer von Linder gehen irgendwie unter in der Flut auf dem Markt, obwohl es eigentlich top Werkzeuge sind
    Das ist sehr schade


    Solution
    Eine Option wäre der Klinge ein neues Finish zu geben , dann ist der Schriftzug weg
    Viele solinger Firmen beschreiben die ganze Klinge , in den meisten Fällen gefällt mir das auch nicht

    Cranium Society Lifetime Member

    Einmal editiert, zuletzt von ProHunter () aus folgendem Grund: Verdammte Tablett Tastatur

  • Stimmt, Stone Wash wäre vielleicht gar nicht so schlecht. Aber ein Problem sehe ich, wie baut man das Messer dafür auseinander?

    In der Gülle schwimmt die größte Scheiße immer oben.

  • Vielen Dank für die Blumen :thumbup: . Ja Linder hat hier wirklich ein tolles Produkt abliefert und ich freue mich, dass man sowas in Deutschland noch finden kann.
    Deshalb kann ich auch mit dem überdimensionierten Aufdruck mittlerweile ganz gut leben. Wer ihn entfernen möchte, sollte das in jedem Fall einen Profi machen lassen. Sonst zerstört man sich am Ende vielleicht noch das Finish der Klinge.

  • Ich besitze ein Linder Handlelight in ATS 34, das dem hier vorgestellten Messer sehr ähnlich ist, und kann die positiven Erfahrungen voll und ganz bestätigen.
    Was die Linder Messer meiner Meinung nach auszeichnet (habe noch andere von Linder) ist die Tatsache, dass die Klingen am Übergang von der Primär- zur Sekundärphase dünn ausgeschliffen sind und dadurch bessere Schneideigenschaften als viele andere Serienmesser (teilweise auch Customs) haben.
    Für mich ist das inzwischen bis auf die Handlage das wichtigste Kriterium bei einem Messer, mit den ganzen abgeschliffen Brechstangen kann ich nichts mehr anfangen...

  • Zerlegen geht wohl nicht :S
    Würde satinieren oder strahlen :)


    längs satinieren is bei den Back dann wohl nix, andersrum muss man auch aufpassen bzw abkleben :)


    ich verstehe die Firmen einfach nicht, wozu wird immer die KLinge voll geschmiert, da gibts nur wenige Ausnahmen am Markt. Beipackzettel und gut ist, auf der Klinge hat imho nur wenig etwas verloren...ein dezentes, elegantes Logo oder von mir aus auch eine Seriennummer.

  • Da stimme ich dir zu :)
    Man muss fürchterlich aufpassen um nicht das gsnze Messer zu versauen :S


    Ich mag auch lieber dezente gestempelte Logos wie es bei einigen alten solinger Firmen üblich war

    Cranium Society Lifetime Member

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