Carburizing vs. Carbidizing eines lockbar .... gern mal mißverstanden

  • Hallo zusammen,


    immer mal wieder stolpert man über diese beiden Begriffe im Zusammenhang primär mit frame lock foldern, teilweise auch bei liner lock foldern. Oft wird mit diesen Begriffen um sich geworfen, ohne genau zu wissen welcher Begriff was meint. Mich hat's interessiert und darum hier mal meine - einfachen - Erkenntnisse dazu. Gern dürfen die Spezialisten aus Techniker- bzw. Messermacherkreisen ergänzen.


    Die beiden Begriffe beschreiben zwei technisch unterschiedliche Verfahren, um eine metallische Oberfläche zu behandeln. Im Kontext mit Titan frame lock foldern wird bei manchen Herstellern das eine oder andere Verfahren angewendet, um den Lockbar im Kontaktbereich zur Klingenwurzel zu behandeln.


    Carburizing ist eine Wärmebehandlung, also Erhitzen und Abkühlen, in deren Folge sich Kohlenstoffmoleküle im Metall verschieben und wenn es richtig funktioniert, dann hat das eine härtere Oberfläche zur Folge. Angewendet wird dieses Verfahren u.a. von Chris Reeve, Rick Hinderer oder Tom Mayo, um einige Hersteller/Macher exemplarisch zu nennen.


    Carbidizing ist ein Verfahren mit dem Tungsten-Carbide auf eine Metalloberfläche aufgebracht werden. Gianni, vom italienischen Hersteller Lionsteel hat dazu mal in einem US Forum erklärt, dass Lionsteel dieses Verfahren von CRKT übernommen hat und sowohl bei eigenen Produkten als auch teilweise für Messer anwendet, die sie für andere Marken produzieren. Er hat dazu auch geschrieben, dass Carbidizing keinerlei Schutzfunktion für die darunter liegenden Metalloberfläche hat, also keine Härtung der Oberfläche bewirkt, sondern ausschließlich dazu gedacht ist die Oberfläche quasi "aufzurauhen/griffiger zu machen", so dass sich die Verbindung lockbar/Klingenwurzel weniger leicht versehentlich lösen lässt.


    In einem Interview wurde Chris Reeve gefragt was er von diesem Verfahren bei frame lock foldern hält und er hat dabei deutlich gemacht, dass für das zuverlässige Funktionieren eines frame lock / integral lock folders (sicheres Verriegeln und sauberes, leichtes Entriegeln) der Winkel zwischen lockbar und Klingenwurzel und die entsprechende Präzision bei der Fertigung der Bauteile mit exakt diesem Winkel, der maßgebliche Faktor ist.


    Hier das Interview (der Typ leitet das Thema etwas langatmig aber dafür für uns non-native english speaker gut verständlich ein. Das Interview mit Chris Reeve kommt dann so in etwa ab Minute 4):


    https://www.youtube.com/watch?v=SugQvHSOq5Y&app=desktop


    Das war's schon.


    Viele Grüße,
    Stefan

  • Danke für deinen Beitrag. Der Unterschied war mir nicht bekannt. Nach kurzer Recherche möchte ich hinzufügen, dass Carburizing wohl am besten mit Aufkohlen erklärt werden kann, also bei hoher Temperatur Kohlenstoff aus der Umgebung in den Materialrand wandert. Ansonsten Top Beitrag.


    Gruß Stefan


  • In einem Interview wurde Chris Reeve gefragt was er von diesem Verfahren bei frame lock foldern hält und er hat dabei deutlich gemacht, dass für das zuverlässige Funktionieren eines frame lock / integral lock folders (sicheres Verriegeln und sauberes, leichtes Entriegeln) der Winkel zwischen lockbar und Klingenwurzel und die entsprechende Präzision bei der Fertigung der Bauteile mit exakt diesem Winkel, der maßgebliche Faktor ist.
    Stefan


    Gut gemacht sehr informativ das Ganze!


    Das mit den Winkeln habe ich auch schon sehr oft gehört und davon wird auch viel geredet ohne dabei genau angaben zu machen. Mich würden mal die exakten Winkel interessieren, denn dazu gibt es leider keine Informationen. Es wird leider immer nur gesagt "die Winkel müssen stimmen X( "

    In der Gülle schwimmt die größte Scheiße immer oben.

  • Also soweit mir bekannt ist handelt es sich beim Carbidizing sehr wohl um eine "härtung" der Oberfläche.
    Aber nicht wie beim Härten von Stahl durch die Gefügeumwandlung sonder eher durch auftragen einer kleinen seehr Harten Sicht aus Carbid. Daher auch Carbidizing.
    Das wird auch bei Titanklingen an der Schneide gemacht wei Titan ja bekanntlich zu weich ist für Stabile scharfe Schneiden. Deshalb wird wohl auf der Fase vorne Carbid "aufgeschweißt" um so eine Härtere Schneidfasenschicht zu bekommen..




    Grüße
    Daniel

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  • Also soweit mir bekannt ist handelt es sich beim Carbidizing sehr wohl um eine "härtung" der Oberfläche.
    Aber nicht wie beim Härten von Stahl durch die Gefügeumwandlung sonder eher durch auftragen einer kleinen seehr Harten Sicht aus Carbid. Daher auch Carbidizing.
    Das wird auch bei Titanklingen an der Schneide gemacht wei Titan ja bekanntlich zu weich ist für Stabile scharfe Schneiden. Deshalb wird wohl auf der Fase vorne Carbid "aufgeschweißt" um so eine Härtere Schneidfasenschicht zu bekommen..


    Grüße
    Daniel

    Hm....
    ich glaube Du hast nicht ganz Recht ..... aber auch nicht ganz Unrecht. Ich verstehe es so: Ein Aufbringen einer Schicht auf eine Oberfläche (wie die des lockbars) ist ja genau genommen keine Härtung der originalen Oberfläche. Denn deren Molekularstruktur verändert sich dabei nicht (wesentlich).


    Zunächst hier mal das Originalzitat von Gianni, von Lionsteel, den ich in Sachen Messerproduktion für äußerst kompetent halte. Man beachte den vorletzten Absatz:


    "There are several companies that Carbidize the lock faces. You can do it on the lockbar or on blade lock face. A special machine lets you to put a thin layer of Tungsten Carbide over the face.
    Paul Gillespie in 1998, that in that time he was the owner of CRKT, introduced to my company this technical in order to be used it in a knife that I produced for them.


    The only purpose of it is to increase the surface roughness. In this way it is more difficult that the lockbar inadvertently could be unlocked.


    You can do it in all Titanium or Stainless steel liner-lock and Frame-lock.


    It is important to point out that Tungsten Carbide is a thin layer and so it is not able to prevent that the lock part of the blade could crush the Titanium lockbar or Liner.


    Nowadays we “carbidize” all the Liner-lock and Frame-lock of our LionSteel production. We have “Carbidize” knives that we have produced for CRKT, Spyderco, Remington, AG Russel, Xikar, and others US brand."


    In einem anderen englischen Beitrag steht, dass die Karbide zwar sehr hart sind, aber dadurch auf einer Schneidfase so etwas wie Micro-Serrations entstehen. Das bringt bei einer Messerklinge (weil oben angesprochen) auch Nachteile mit sich: Push cuts sind sehr schwierig, weil diese Micro-Serrations das Schneidgut beim push cut "zerrupfen". Man bringt die Karbide bei einer Schneidfase nur einseitig auf und muss beim Schärfen darauf achten dass man die Seite der Schneidfase ohne Karbidschicht schleift, sonst entsorgt man die Karbide sehr schnell und außerdem bekommt man eine carburized Klinge nie so rasiermesserscharf, wie eine Klinge ohne Karbidbeschichtung.


    Von daher würde ich es so formulieren: Die Karbide sind in der Tat sehr hart und bilden eine rauere Oberfläche. Eine Härung des lockbar selbst, wie beim carburizing, entsteht jedoch nicht. Das würde auch zum vorletzten Absatz des Zitates von Gianni passen.


    Viele Grüße,
    Stefan



    Einmal editiert, zuletzt von Daywalker ()


  • Gut gemacht sehr informativ das Ganze!


    Das mit den Winkeln habe ich auch schon sehr oft gehört und davon wird auch viel geredet ohne dabei genau angaben zu machen. Mich würden mal die exakten Winkel interessieren, denn dazu gibt es leider keine Informationen. Es wird leider immer nur gesagt "die Winkel müssen stimmen X( "


    Aus Sicht der Hersteller ist das nachvollziehbar. Wenn man sich anschaut welche Häufung von Lock-Stick und (durch)wandernden Locks bei manchen Herstellern auftreten, dann möchte man der Konkurrenz nicht unbedingt helfen indem man Ihnen die Anleitung zur Fehlerbeseitigung in die Hand legt.


    Bei Reeve und besonders Hinderer sieht man gut, das ein Titan-Framelock problemlos haltbar möglich ist. Man liest quasi nirgends, das bei Hinderer Locks wandern, sticky sind oder gar rutschen. Bei anderen hingegen geht es nicht ohne Insert, Nacharbeiten, Einlaufphasen, Bleistifttuning oder Updates der Geometrie im Laufe der Zeit. Da ist es mehr als nur verständlich, die genauen Daten nicht zu publizieren.

  • Danke für die interessante Ergänzung.


    Ich glaube ebenfalls nicht, dass die Kenntniss über den richtigen Winkel das Problem für manchen Hersteller ist, sondern eher das Präzise Einhalten des Selbigen in der Herstellung, bei der Montage und beim End-Finish. Hier trennt sich dann die Spreu vom Weizen.


    Gruß,
    Stefan

  • Nun das das Carbidizing nicht wirklich härten im eigentlichen sSinne ist stimmt. das hab ich ja auch geschrieben.
    Ich bin immer noch der Meinung dsas die Carbidschicht hart ist. also ein Quasi Oberflächenhärten.


    Wenn die Schicht nur für eine Aufrauhung sorgt und nicht fürs härten, wie erklärst du dir dann das man Carbidized um einen "Stickie lock" zu beseitigen.?
    ich selber baue Framelock folder und hatte (trotz einhaltung des Winkels schon den einen oder anderen Stickie lock vor dem "härten" des Titanlocks mit der Flamme also Carburizing. Danach war er weg.
    Das Gleiche ist es mit dem Carbidizing. Der Stickie lock ist danach geschichte. Ich kann mir das so erklären:
    Das"Weiche Titan passt sich der härteren Rauhen Stahloberfläche an (mikroskopisch gesehen. Natürlich poliert man die Oberfläche so guts geht)
    Aber Microspopisch beobachtet wird sich das weiche Titan doch an die unebenheiten des hatern Stahls anpassen ---> Stickie.#
    Nach den "härten" wie auch immer war das dann weg. Weil sich eben die Härtere Oberfläche (Oberflächsenschicht) nicht mehr oder zumindest nicht mehr so stark an die andere Fläche anpasst.



    Natürlich sind das nur meine bescheidenen Beobachtungen aus der Prazis heraus. Und die Erklärung ist nur das wad ich mir dazu zusammengereimt habe mit meiner bescheidenen Mechatronikausbildung.


    Also: just my two cents...



    Grüße

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  • [
    Fakt ist, wenn Titan in einer Atmosphäre mit Luft erhitzt wird, das Titan an der Oberfläche oxidiert, sich eine oberflächliche Härtesteigerung einstellt. Das ist aber ähnlich wie o.g. (angenommen) kein Aufkohlen, sondern ein oxidieren.


    Ich würde dir ja gern recht geben, wenn du nicht einfach falsch liegen würdest. Eine Reaktion mit der Umgebungsluft heisst nicht automatisch das etwas oxidiert. Silber z.B. oxidiert nicht und bekommt seine Patina durch die Reaktion mit dem Schwefel in der Luft.
    So auch Titan.Bei Umgebungstemperatur und -druck entsteht nur Titanoxid. Das möchte sich aber ab 300 Grad C mit allem Verbinden was geht. Das ist auch der Grund warum Titan in geringen Mengen in korrosionsbeständigen austenitischen Stählen legiert wird. Nämlich um den Kohlenstoff mit Titan anstatt Chrom zu binden, damit das Chrom voll und ganz passivieren kann.


    Vielleicht wäre Wikipedia erstmal angenehmer für dich. Wenn man Probleme mit Grundlagen hat sind wissenschaftliche Arbeiten echt ein Krampf beim verstehen.


    Gruß Stefan


  • Sorry, ich hab Elektrotechnik studiert, und zwar zu Ende, werter Junggesellenanwärter.


    Das freut mich für dich. Jedoch verbindet sich Titan, trotz deines Elektrotechnikstudiums, oberhalb 300 Grad Celsius mit Elementen wie z.B. Kohlenstoff oder Stickstoff etc., was zu einer Randschichthärtung führt, was einfach und bildlich für den nicht Ingenieur einer Aufkohlung gleichkommt, da das Titangefüge in Gänze nicht verändert wird und nur der Rand härter wird, was einen neuen Begriff liefert, den man recherchieren kann, da carburizing keine guten deutschsprachigen Ergebnisse liefert.


    Und das Titan nur oxidiert ist kein Fakt, sondern falsch.


    Des Weiteren habe ich auch nicht die Leute(Plural) "angekackt" sondern nur deinen(singular) Beitrag korrigiert.


    Gruß
    Stefan

  • Könnt Ihr Euren Wettstreit darüber, wer für dieses für unser aller Leben ziemlich unbedeutende Mini-Segment der Technik/Wissenschaft nun qualifizierter ist, im nicht-öffentlichen Bereich austragen? Das spamt hier nämlich nur den bisher friedlich geführten Austausch voll und interessiert vermutlich nicht nur mich so was von gar nicht. Danke!


    Stefan

  • naja man kann etwas sachlich wiederlegen und man kann dem Gegenüger dumm anmaulen.


    Ich geb da Daywalker recht.
    Meiner Meinung nach hätte man das auch etwas anders ausdrücken können ohne gleich den anderen als Idioten dastehen zu lassen. Ist aber denke ich eine Niveau Frage ob man sich sachlich unterhalten kann oder ob man sich selber hervorheben muss durch das denunzieren anderer...



    Grüße

    better be judged by twelve than carried by six

  • Tach auch,


    finde es auch schade, dass ein durchaus fachliche sehr interessantes Thema wegen persönlichen Befindlichkeiten und vermeidlicher Besserwisserei ruiniert wird. :(


    Primär von meiner Seite noch ein Dank an der Threadersteller für den gut geschriebenen Einstig in das Thema und allen die dazu konstruktiv beitragen. :thumbup:


    MfG, IronDice

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