Die US amerikanische Firma ESEE gehört seit vielen Jahren zu den beliebtesten Herstellern von Outdoormessern. Die beiden Gründer des Unternehmens, Jeff Randall und Mike Perrin, sind zudem Betreiber einer bekannten Survivalschule (Randall’s Adventure Training) und greifen bei der Entwicklung ihrer Messer auf viel Erfahrung aus der Praxis zurück. Das ESEE 4 ist dabei eines ihrer ältesten Modelle und wird häufig als solides und kompaktes Messer für den Outdooreinsatz empfohlen. Für den Kauf eines ESEE 4 sprechen auch einige Gründe: Seine Klingenlänge liegt unter 12 cm, wodurch es auch in Deutschland legal geführt werden darf. Die verwendeten Materialien sind für draußen gut geeignet: Griffschalen aus Micarta sind sehr unempfindlich und benötigen wenig Pflege. Der etwas pflegeintensivere 1095 Kohlenstoffstahl wird relativ einfach rasiermesserscharf und ist bei guter Wärmebehandlung zäh und ausreichend schnitthaltig. Darüber hinaus kann sich auch die Garantie, die ESEE auf seine Messer gibt, sehen lassen: Sollte eines ihrer Messer defekt eingeschickt werden, erhält der Kunde ein neues – unabhängig davon, was zum Schaden geführt hat. Zuletzt wird auch die sehr saubere Verarbeitung durch die Firma Rowen Manufacturing, die die Fertigung im Auftrag ESEEs übernommen hat, ihren Teil zur großen Beliebtheit des “4ers” beitragen haben.
Wie nicht anders zu erwarten ist, gibt es bezüglich des ESEE 4 nicht nur Fans, sondern auch Kritiker. Ganz oben auf deren Mängelliste dürfte der sogenannte Choil stehen, eine in die Klinge eingelassene Fingermulde für den Zeigefinger, die es ermöglicht, das Messer für feinere Arbeiten sehr nahe an der Schneide fassen zu können. Ein Choil ist allerdings gerade bei einem Messer mit kurzer bis mittlerer Klingenlänge, das sowieso schon über eine verhältnismäßig kurze Schneide verfügt, wenig sinnvoll.
Darüber hinaus gab auch die Gestaltung des Griffs Anlass zur Kritik. Insbesondere im Bereich des Zeigefingers ist er durch eine recht eigenartige Rundung nicht wirklich komfortabel zu greifen. Letztlich ruft auch der vollzogene Wechsel beim Scheidenmaterial von Kydex auf eine kostengünstigere Spritzguss-Kunststoffscheide nicht bei jedem Kunden Euphorie hervor.
All das ist wohl auch ESEE nicht verborgen geblieben, weshalb sich Jeff und Mike noch einmal hingesetzt und ein alternatives Modell No. 4 entwickelt haben. Entstanden ist dabei das vielversprechende ESEE 4HM (HM = modified handle).
Der Griff
Einer der auffälligsten Merkmale des neuen 4HM ist sein Griff, der mit einer komplett geänderten Linienführung aufwartet, was sich in erster Linie durch den Wegfall des Choils, sowie des Fingerschutzes äußert. Diese Änderungen einzuführen war eine hervorragende Entscheidung. Denn erstens ist es nun problemlos möglich, das Messer nahe der Schneide zu fassen, ohne dass dabei die Hand den Griff verlassen müsste. Und zweitens wurde somit der eigentümliche Radius im Bereich des Zeigefingers durch die neue Griffform eliminiert.
Das Griffvolumen wurde zudem durch wesentlich dickere Micarta-Schalen spürbar gesteigert, was in Kombination mit den wunderbar abgerundeten Griffschalen zu einer beachtlichen Aufwertung des Griffs führt. Dadurch liegt das 4HM nun wirklich hervorragend in der Hand, die es dem Anwender vor allem nach längeren Arbeiten mit dem Messer danken wird. Einzig und allein der Anfang des Griffs, wo für gewöhnlich der Zeigefinger zu liegen kommt, könnte noch ein wenig höher und somit voluminöser ausfallen. Eine Kleinigkeit, die allerdings stark vom subjektiven Eindruck des Benutzers abhängen dürfte. Das Gefühl, das der Griff vermittelt ist unterm Strich sehr gut.
Eine weitere, kleinere Neuerung ist auch, dass der Erl des 4HMs am Griffende nicht mehr übersteht, sondern mit den Griffschalen abschließt. Der für einen Fangriemen vorgesehene Durchbruch am Ende des Griffs wurde beibehalten.
Ansonsten lässt sich hinsichtlich des Griffs keine Veränderung im Bezug auf das alte ESEE 4 erkennen. Das Griffmaterial besteht nach wie vor aus (Canvas-)Micarta und auch an der Verschraubung scheitn sich nichts geändert zu haben.
Die Klinge
Im Gegensatz zum Griff wurde die Klingenform weitestgehend unverändert übernommen. Einzig und allein die Daumenrampe des alten Modells ist einem glatten Klingenrücken gewichen. An dieser Neuerung dürften sich die Geister scheiden, denn Vorliebe und Abneigung einer solchen Daumenauflage sind relativ gleich verteilt.
Die bereits erwähnte Beseitigung des Choils, den man sowohl dem Griff als auch der Klinge zurechnen kann, stellt natürlich die auffälligste und bedeutsamste Modifikation der Klinge dar.
Keine Veränderung gibt es hinsichtlich der Klingenbeschichtung, des verwendeten 1095 Kohlenstoffstahls und dessen Wärmebehandlung zu berichten. Letztere gab in der Vergangenheit gelegentlich Anlass zur Kritik, da sie mit den erreichten 57 HRC für manch einen zu hoch angelassen wurde. Eine etwas höhere Härte wäre sicherlich auf Grund der dadurch gesteigerten Schnitthaltigkeit erfreulich gewesen. Das dadurch erhöhte Risko von Klingenbrüchen (bei starken Belastungen) wollte sich ESEE jedoch – insbesondere durch die großzügige Garantie – wohl nicht erkaufen. Bedingt durch die durchschnittliche Härte ist aber auch die Rasiermesserschärfe, mit der das Messer ausgeliefert wird, recht schnell und verhältnismäßig einfach wiederhergestellt. Die Schneidfase ist für ein Messer mit ca. 11 cm Klingenlänge ein wenig robuster ausgeführt worden, als es notwendig gewesen wäre. Das geht natürlich etwas zu Lasten der Schneidfreudigkeit, verleiht der Schneidkante aber im Gegenzug eine gesteigerte Stabilität.
Die Scheide
Erste Eindrücke der neuen Lederscheide, die ich mir auf Basis diverser Produktbilder gemacht hatte, ließen keine großen Erwartungen aufkommen. Vielmehr entstand die Befürchtung, dass man wie so häufig bei der Messerscheide den Rotstift angesetzt hatte – nachdem das alte 4er wie erwähnt noch mit einer sehr hochwertigen Kydex-Scheide ausgeliefert wurde. Aber wie so oft im Leben wird man bei geringer Erwartungshaltung letztlich doch sehr positiv überrascht. Zwar konnte der große ESEE Schriftzug, der bereits auf den Produktbildern nicht zu übersehen war, auch in der Realität nicht wirklich begeistern. Die restliche Scheide weiß den Kunden jedoch durchaus zu überzeugen; sofern die Ansprüche an Qualität im Vordergrund stehen. Die Steckscheide, in der das Messer recht straff sitzt, ist aus sehr dickem Leder gefertigt und kommt ohne zusätzliche Befestigungsmechanismen wie Druckknopf oder Klettverschluß aus. Das Geruch des Leders ist wirklich sehr angenehm, was mich intuitiv auf ein qualitativ hochwertiges Leder schließen lässt.
Allgemein sagt mir die Verarbeitung der Scheide, auf deren Rückseite sich „Made in USA“ lesen lässt, sehr zu. Der Keder ist ausreichend dimensioniert, die Nähte sind sauber ausgeführt und wirken robust. So stelle ich mir eine schnörkellose, gut gemachte Lederscheide vor.
Details zum Messer
Gesamtlänge: ca. 22,7 cm,
Klingenlänge: ca. 11,1 cm,
Klingenstärke: 5 mm
Stahl: 1095 Kohlenstoffstahl @ 57 HRC
Griff: Canvas-Micarta
Fazit
Mit dem 4HM ist der Firma ESEE ein tolles Messer gelungen. Es handelt sich zwar „nur“ um eine modifizierte Variante des populären ESEE 4. Die in erster Linie den Griff betreffenden Veränderungen haben es allerdings in sich. Das Messer, das mit einer qualitativ hochwertigen Lederscheide geliefert wird, liegt bedeutend besser in der Hand, als es beim Vorgänger der Fall war. Zur vollendeten Perfektion hätte es nur noch einer etwas höher gehärteten und feiner ausgeschliffenen Klinge, sowie einem Hauch mehr an Volumen im vorderen Griffbereich bedurft. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass es sich beim 4HM um ein hervorragendes und absolut empfehlenswertes Gebrauchsmesser handelt, das für Outdooraktivitäten wie Wandertouren oder Camping bestens geeignet ist. Zu beziehen gibt es das ESEE 4HM wie üblich bei Manfred Rehmann unter www.outdoormesser.de.