Guten Tag,
den Gedanken die folgende Geschichte zu schreiben trage ich schon lange mit mir herum, fühle mich aber trotzdem nicht berufen es zu tun. Es gibt genug Menschen die das besser können als ich, aber viele wollen es einfach für sich behalten oder verweisen, manchmal auch ein bisschen überheblich, auf die Literatur.
Um was es geht, es geht ganz einfach um eine Messerklinge, eine Klinge die man selbst schmiedet. Jetzt werden viele sagen, ich habe davon keine Ahnung, ich habe auch nicht das notwendige Werkzeug und letztendlich traue ich mich irgendwie nicht diesen Schritt zu tun, es ist doch ein Handwerk daß man lange lernen muß und viel Erfahrung braucht.
Das ist alles richtig, aber das Schmieden einer Messerklinge von Hand wird bei weitem nicht mehr in dem Rahmen gelernt wie früher, und wenn, dann ist diese Tätigkeit nur ein kleiner Teil der Lehre in einem Metallberuf.
Werfen wir einmal alle Bedenken über Bord, ich will nicht sagen -schmieden kann jeder-, aber man kann es zumindest versuchen.
Lassen wir das ganze Geschwätz jetzt mal zur Seite und sehen unserem Protakonisten zu wie er sich aufmacht ein Handwerk auszuüben das so alt ist wie die Menschheit (vielleicht sogar das älteste, das wird ja immer von einem anderen Beruf behauptet, aber die erste öffentliche Dame wurde vermutlich in Mangel des noch nicht vorhandenen Geldes mit einem damals wichtigen Messerchen belohnt, und wer hat das wohl gemacht?).
Die Esse hat er sich notdürftig aus einigen Ziegelsteinen zurechtgestellt und seitwärts ein Eisenrohr ans Feuer gelegt, dieses ist durch einen Schlauch (von mir aus Fahrradschlauch) mit einem Föhn oder einem alten Staubsaugermotor verbunden. In seine Esse schüttet er ein paar Kilo Holzkohle und entzündet sie.
Am Tag zuvor verwandelte sich ein günstig erstandener Schlosserhammer in einen Schmiedehammer. Die Finne wurde mit der Schruppscheibe stumpfer gemacht und die Bahn des Hammers wurde leicht gewölbt eingeschliffen, eine Zange findet sich immer, es muß für dieses Vorhaben keine Schmiedezange sein. Der Vorschlaghammer der ohnehin fast überall ein Schattendasein fristet hat sich umgekehrt aufgestellt und verkeilt (da hat wohl jeder genug Ideen) und wird als kleiner Behelfsamboss seine Dienste tun. Das geht in Afrika und an vielen anderen Orten dieser Welt, wieso nicht bei uns?
Wir wollen kein spezielles Messer machen, es soll ein einfaches Gebrauchsmesser werden, eine alte Feile wird bald als eine Messerklinge wiedergeboren.
Die Holzkohle ist gut angebrannt, mit der Zange greift unser tatendurstiger frischgebackener Schmied die Feile und legt sie in die glühenden Kohlen. Nach kurzer Zeit, sie wurde ein paar mal aus ihrem heißen Bett herausgenommen um zu sehen wie es um sie steht (verzeihen wir unserem Freund dass er noch nicht weiß wie lange sie liegen muss ohne nachzusehen, es ist das erstemal) hat sie eine Farbe die zweifellos an ein kräftiges rot gemahnt. Sie wird auf den Amboss gelegt und mit ein paar Hammerschlägen traktiert. Es ist doch wohl nicht so leicht, egal, Übung macht den Meister. Nochmal, erwärmen, herausnehmen und sauber einen Schlag immer ein bißchen in den anderen schlagen.
Na also, das Metall verformt sich, die Schneide entsteht. Langsam kommt ein bißchen Ruhe in die Schläge, auch das stete wenden der Klinge geht mittlerweile gut von Hand. So entsteht jetzt eine Form die wirklich einer Schneide gleicht, nicht perfekt, der ein oder andere Schlag war doch kein Treffer, aber es geht voran.
Moment, da war noch was, oje, die Spitze der Klinge. So etwas passiert auch nur mir denkt unser wackerer Freund, mit ein paar gut gezielten Schlägen wird eine Spitze geformt, naja, Meister Yoshihara hätte beim Anblick dieser Spitze vermutlich sein Sushi wieder hervorgewürgt, aber er weilt ja gottseidank weit weg und kann sich an seinen toten Fischen erfreuen.
Auch verzieht sich dieses rotglühende Teufelsding, sie wird langsam so krumm wie der Säbel eines osmanischen Wüterichs. Was tun, gut erwärmt wird sie auf den Rücken gestellt und mit mutigen Hammerschlägen auf die neue Schneide wieder begradigt. Es ist ein stetes hin und her, Schneide formen, begradigen, erwärmen, nach dem Feuer sehen und langsam auch den Schweiß abwischen. Aber unsere Feile ist keine Feile mehr, man sieht ihr an daß das Messer das in Wirklichkeit in ihr steckte langsam an das Tageslicht drängt.
Soweit so gut, Spitze geformt, Schneide geformt, was noch? Das reicht fürs erste mal, unsere Klinge ist gerade, die Spitze sieht auch ungefähr nach Spitze aus, es wird jetzt Zeit nach getaner Arbeit eine Flasche Bier ihres Inhalts zu berauben. Unser Messer legen wir in unser Feuer und belassen es dort bis es genauso kalt geworden ist wie die Asche.
Der nächste Morgen zeigt daß die Klinge ziemlich dreckig aussieht, man sieht auch die ganzen Hammerschläge und jetzt sieht alles gar nicht mehr so gut aus wie er es sich letzte Nacht vorgestellt hat. Egal, jetzt kommt die richtig grobe Nummer. Die Klinge wird in einen Schraubstock gespannt und mit einer Schruppscheibe zieht er die Schneide glatt und formet die Klinge ungefähr wie er sie haben will, die Spuren dieser unsäglichen Behandlungen werden mit einer 80er Lamellenscheibe vertuscht. Der Erl, er wird von unserem Protagonist mit Schruppscheibe und Feile geformt, die Löcher in den Erl werden gebohrt, langsam sieht dieses Teil wahrhaft wie ein Messer aus.
Die Feile hat ihre Arbeit getan, die Schneide ist klar abgesetzt, die Schultern für das Parierelement sind auf gleicher Höhe, Löcher im Erl, auf was muß noch geachtet werden? Ihm fällt im Moment nichts ein, wenn man über die Schneide sieht ist sie gerade, der Rücken auch gleich auf beiden Seiten, nun gut, jetzt kommt die große Unwägbarkeit bei dem Vorhaben, die Wärmebehandlung.
In der Behelfsesse brennt die Holzkohle wieder, ein Topf mit Frittenfett das seine Schuldigkeit getan hat steht bereit, eine gute Feile ist in greifbarer Nähe und ein kleiner Magnet aus der Werkzeugkiste gehört auch dazu. Was noch, was noch? Teufel, jetzt fällts ihm wieder ein, gottseidank ist gestern im Eifer des Gefechts nichts passiert, ein Eimer mit Wasser. Dieser Eimer mit Wasser, das hatte man ihm noch geraten, in der Schmiede steht neben dem Schmiedeherd immer ein Löschtrog, warum wohl. Ja klar, um Eisen abzuschrecken, aber er tut oft noch einen viel wichtigeren Dienst. Diese Arbeit hat mit glühendem Metall zu tun, selbst der kleinste Kontakt mit der Haut führt zu schmerzhaften Verletzungen, vor allem wenn man diese malträtierte Stelle nicht sofort in ausreichend Wasser kühlen kann. Dafür der Eimer mit Wasser, gut daß es ihm eingefallen ist.
So, zur Tat. Die Klinge wird in das Feuer gelegt und mit Kohle abgedeckt. Erwärmen zum Härten, dieser alte Schmied hatte doch noch etwas gesagt, jetzt ist die Erinnerung wieder siedend heiß da. Vor dem Härten soll die Klinge noch einmal geglüht werden, das hätte wohl mit irgendwelchen Gefügeverbesserungen zu tun oder so ähnlich, egal. Auf jeden Fall wirds so gemacht wie dieser alte Schmied gesagt hat, erwärmen bis die Klinge schwach rot erscheint, dann an der Luft abkühlen lassen und dann erst erwärmen zum Härten.
Jetzt aber, die Klinge ist wieder so gut wie kalt und wird auf die glühenden Kohlen gelegt. "Das muß sachte vonstatten gehen, der Stahl muß Zeit haben warm zu werden", dieser Ratschlag (neben vielen anderen die unser junger Freund von dem alten Schmied erhalten hat) erstickt jede Hektik im Keim.
Nun wird es aber Zeit für die Luft, der Fön bläst ruhig Luft seitlich in das Feuer und langsam bekommt die Klinge Farbe. Das rot verschiebt sich langsam in Richtung hellrot, wie ihm aufgetragen wurde wird die Klinge mit der Zange gegriffen und mit der anderen Hand die den Magnet hält wird getestet ob der Magnet an der Schneide noch Haftung zeigt. Nichts! Jetzt oder nie, die Klinge wird in den Topf mit Öl getaucht und wie prophezeit schlägt eine wütende Flamme aus dem Öl. Macht nichts, unser mutig handelnder Freund war vorgewarnt, auch einer der vielen Ratschläge.
Die Klinge ist wohl genug abgeschreckt, ein Spucken auf die Klinge läßt das Produkt der Speicheldrüsen abperlen, ein Versuch mit der Feile an der Schneide erzeugt nur ein Klingelgeräusch, alles ist gut. Mit hastenden Schritten wird die Küche aufgesucht und die Klinge in den bereits auf 180 grad vorgewärmten Backofen auf den Rost gelegt. Nach zwanzig Minuten nimmt unser Freund die Klinge vorsichtig aus dem Backofen und kühlt sie in der Regentonne ab.
Ja, es ist vollbracht, die Klinge ist fertig. Noch kein Meisterwerk, aber das Werk der eigenen Hände. Den Rest lassen wir ihn in Ruhe tun, ich denke diesbezüglich hat jeder von uns seine eigenen Vorstellungen.
Ich hoffe ich kann vielleicht den ein oder anderen zu diesem Tun aufstacheln. Wenn es Fragen geben sollte, jeder anständige Schmied wird gern helfen, weil jeder anständige Schmied weiß daß schon zu viele gute Handwerker mit ihrem Wissen begraben wurden ohne es weiterzugeben.
Viele Grüße und ein gutes Gelingen
Roman
PS: Da war noch was, dieser alte listige Schmied lachte nur über das feinste teure Schmirgelpapier, er nahm den abgefallenen Zunder unter dem Amboss, verrieb ihn und mischte ihn mit Öl, dann tränkte damit ein Tuch und polierte sein Werkstück, das erzeugte eine Oberfläche wie man sie nur schwer mit anderen Mitteln erreichen kann.