Guten Tag,
keine Sorge, es wird kein "Für und Wieder" verschiedener Stähle hier von mir breit getreten, der Thread hat eine ganz andere Ursache, es soll jeder mit dem Stahl froh werden, den er bevorzugt. Es geht nur kurz um grundsätzliches.
Nachdem ich aufgrund einer Verletzung mehr Zeit habe kam ich mal in den Genuss mir ein paar Filmchen au yt anzusehen, was man so über Stahl erzählt. Das hier ist auch keine Kritik an den Protagonisten, nur wer keine Fakten hat, der hat Ideen. Das kann hilfreich sein, aber um den Satz zu verwenden, der nicht von mir ist, "Stahl ist Stahl und verhält sich wie Stahl".
Alle Märchen oder Esotherik haben keine Schnittmenge mit diesem Werkstoff.
Jeder Stahl wird geschmolzen, auch der pulvermetallurgische Herstellungsprozess erfordert einen Schmelzofen, nach dem Schmelzofen finden allerdings unterschiedliche Bearbeitungsprozesse des geschmolzenen Stahls statt.
Pulvermetallurgie ist in dem Sinne kein neues Verfahren und CPM hat es nicht erfunden. Pulvermetallurgische Stahlherstellung wurde von Dr. Eisenkolb im sachsen-anhaltischen Thale 1935 erfunden, sonst hätte er auch nicht 1955 sein Buch "Die neuere Entwicklung der Pulvermetallurgie" verfasst.
"Moderne" Stähle ist ein irreführender Begriff, momentan angesagte Stähle trifft es eher, im Prinzip sind die gängigen Stähle schon 1942 von Herrn Rapatz in seinem Buch "Die Edelstähle" aufgeführt worden.
Edelstähle, hat nichts mit "rostfrei" zu tun, Edelstahl ist eine Bezeichnung aus der alten Zeit und ist rein am Preis des Stahls festgemacht worden.
Stahl muss sich, um Gebrauchshärte zu erzielen, auf Härtetemperatur befinden, das Abschrecken muss zügig vonstatten gehen, sonst ist das Ergebnis nicht einwandfrei. Wird Stahl aus der Anlasstemperatur einfach in Wasser abgekühlt "härtet er nicht nach", er bleibt einfach auf den Rockwellgraden stehen die er hat, er ist dann eben auf Anlasstemperatur und nicht auf Härtetemperatur.
Es ist kein hochlegierter Stahl erforderlich um eine hohe Ansprunghärte zu erhalten, Probestücke von C60, so Herr Verhoeven in seinem Buch, haben Ansprunghärten von 70 hrc erreicht.
Chrom dient nicht nur der Korrosionsbeeinflussung, sondern der Härte des Stahls, sonst gäbe es ja keine Stähle mit Legierungszusätzen von unter 14 % Chrom, übrigens, die Prozentangaben bei Legierungen beziehen sich immer auf Gewichtsanteile und nicht auf Volumenanteile.
Was die Härte zusätzlich beeinflusst und auch kleine Karbide mit bringt sind Vanadium und Wolfram.
Wenn immer dieses würfelförmige Schaubild mit den Eisenatomen angeführt wird, so ist das nicht so verstehen, dass dort 8 Eisenatome an den Würfelecken sitzen und eins in der Mitte. Das ist nur dazu da, damit wir uns das alles ein bißchen vorstellen können. Es ist wohl so, dass sich die Atome an den Ecken eines imaginären Kristallgitters anordnen. Nur darf man sich das nicht so vorstellen, jedes Eckatom ist nur zu einem Achtel in der Elementarzelle und nur das mittige Atom ist gänzlich da, also enthält jede kubisch-raumzentrierte Zelle 2 Atome und nicht 9.
Der ganze metallische Kleinkram ist so klein, dass man sich das nicht vorstellen kann. Beispiel Gitterbaufehler, eine Unart der Kristalle, die mitnichten perfekt sind sondern die genannten Fehlstellen haben. Einer davon ist die Leerstelle, also eine Stelle wo ein Atom sein könnte, aber keines ist. Das ist genau einer der Plätze, wo sich Fremdatome einlagern können, um z. B. durch noch mehr Verspannung Härte zu erzeugen.
Größenbeispiel der Leerstellenkonzentration, bei Raumtemperatur ist ein Gitterplatz von einer Billion Gitterplätzen nicht besetzt, unmittelbar vor der Schmelze ist die Leerstellenanzahl auf hundert Millionen bis eine Milliarde gestiegen. Das Ganze spielt sich auf der Gitterebene auf der Fläche von einem Zehntel Quadratmilimeter ab.
Den optimalen Stahl gibt es, anscheinend nur nicht für Messeranwender. Die Anforderungen an den Stahl richten sich nach der Anwendung, es gibt für jede Anwendung einen Stahl, nur passt der oft nicht in die momentane Auffassung was ein "Superstahl" für Messer ist. So schlimm es auch sein mag, 1.4034 ist zwar ein "Besteckmesserstahl", aber auf 58 bis 61 hrc gehärtet versieht er genauso klaglos seinen Dienst wie viele andere hochgelobte Stähle. 440A bis 440C, speziell 440C waren damals unglaublich populär, bis sie von 154cm usw. abgelöst wurden.
Immer besser, die Frage kann man sich stellen, der einzige nennenswerte Unterschied zwischen 440C und 154 CM war, dass 154CM hitzebeständiger war, wahrhaftig ein Segen für eine Messerklinge. Na gut, ich gebs zu, wenn man sich mal aus irgendwelchen Umständen mit 40 000 U/min dreht macht es Sinn.
Mir sind noch so ein paar Dinger aufgefallen wo man "steel talks" abhält und nur Unsinn erzählt, aber das hier reicht mal.
Viele Grüße und eine schöne Woche
Roman