Schneide "abziehen" - der letzte Schliff...

  • Ich ringe schon seit langer Zeit mit mir, doch noch den "letzten Schliff" aus meiner Schneide raus zu holen und mir dafür nen Streichriemen etc. zuzulegen.
    Jetzt gibt's ja aber echt massenweise Riemen und Pasten und irgendwie bin ich total verunsichert, was ich mir nun zulegen soll.


    Wenn ich mir jetzt mal die Seite hier betrachte, sind schon viele Möglichkeiten aufgeführt. Nur was soll ich nehmen? ?(
    Ins Auge gefasst hätte ich mal den hier - aber sicher bin ich mir da nun auch nicht. Und vor allem, welche Paste soll ich nehmen?


    Ich hab zwar die ultrafeinen Steine beim Sharpmaker als "upgrade" dazu, aber so richtig befriedigen tut mich das noch nicht. :whistling:
    Mich stört vor allem der dämliche, umgelegte Grad.


    Und bevor die Fragen los gehen, für welche Messer ich das benötige:
    Natürlich für alle Messer hier. Küchenmesser, Taschenmesser und alle anderen Folder und Fixed.
    Der Stahl ist da natürlich unterschiedlich.


    Also Feuer frei!

  • es besteht die Möglichkeit dir einen solchen Abziehriemen zu kaufen oder dir einen selbst zu machen.


    Was das kaufen betrifft brauchst Du bestimmt keinen Ratschlag, was das Selbermachen betrifft bestimmt auch nicht. Nur soviel, ein Stück Rindleder der passenden Größe wird auf einer Hartholzleiste befestigt und schon geht das Abziehen los. Ob Du diese geheimen Pasten oder Puder oder was es sonst noch alles gibt oder das Leder einfach mit Ballistol einreibst bleibt dir überlassen. Aber als Leder kommt nur Narbenleder in Betracht, das heißt die Haut selbst, abgezogen wird nur auf der Hautseite. Das beste Leder dazu wäre vermutlich Juchten- oder Juftenleder, aber das gibt es meines Wissens hier bei uns so gut wie nicht mehr.


    Aber gestatte mir einen kleinen Streifzug durch eine Zeit die vermutlich nicht mehr kommt. In unserem Dorf gab es zur Jahrhundertwende noch fünf Gerbereien. Grund hierfür war das gute Wasser bei uns und die ausgedehnten Wälder die es hier immer noch gibt. Zum Gerben braucht man eben gutes Wasser und vor allem Eichenrinde.
    Die Gerberei in der ich aushalf war ein Betrieb der schon in den siebziger Jahren kein lohgares Leder mehr herstellte, es wurde damals schon zu teuer, das Herstellungverfahren zu aufwendig. Um gutes lohgares Leder zu erzeugen muß man die ein wenig seltsam riechende Gerberei verlassen und sich ganz woanders hin begeben.


    Um einen schönen Eichenwald wachsen zu lassen geht man wie folgt vor. Eichen- und Birkenschößlinge werden gepflanzt. Durch das rasche Wachsen der Birken werden auch die Eichen aufgrund des benötigten Lichts dazu genötigt schneller mitzuwachsen. Auf diesem Weg zum lichten Eichenwald werden zuerst die Birken eingeschlagen und zu Feuerholz gemacht. Danach kommen die Eichen an die Reihe die sich nicht zum kultivieren eignen. Sie werden nicht einfach eingeschlagen, sondern man ging wie folgt vor. Im Frühjahr wird mit einem Schleißmesser wie man es bei uns nennt oder einem Lohmesser wie es der Computer nennt die Eichenrinde am Stämmchen aufgeschlissen, mit dem löffelartigen anderen Ende dieses sehr speziellen Werkzeugs wurde dann die Rinde vom Stamm abgebrochen.
    Die gesammelte Eichenrinde wurde zu einer Lohmühle gebracht, dort bekam der fleißige Arbeiter dann sein Geld, die Rinde wurde gemahlen und an die Gerbereien verkauft. Übrigens, die so behandelten Eichenstämmchen starben natürlich ab und trockneten während des Sommers, im Herbst wurden sie eingeschlagen und meist zum Befeuern der Backöfen benutzt.


    In der Gerberei ist man natürlich auch tätig bei der Sache gewesen, zumindest hat man das mal so gesehen. Die Häute der Rinder wurden beim Metzger gekauft, dann wurden sie mittels zweigriffiger Messer die man Degen nannte auf der Fleischseite von Fleisch und Fett befreit. Das ist eine ganz üble Arbeit, erstens sind nasse Rinderhäute schwer wie Blei, zweitens hat man mit dieses 50 langen sehr scharfen Klingen ruckzuck die Haut verschnitten und drittens war es naß und roch doch ein wenig befremdlich.
    Nach diesem Vorgang wurden die Häute wieder gewaschen, dann wurden sie enthaart und wieder gewaschen.
    Die Gerbergehilfen die mehr der trocknen Arbeit zugetan waren richteten in der Zeit die Gruben her, es handelte sich um viereckige cirka 4 m tiefe Gruben die eine Innenverkleidung aus Eichenbrettern hatten. Dort wurde dann zunächst eine Schicht unserer Eichenrinde auf den Boden verbracht, dann kam eine Haut, dann wieder Eichenrinde, eine Haut und so weiter bis die Grube wohl gefüllt war. Im Anschluß kam eine Wartezeit bis zu 4 Jahren, dann waren die Häute lohgar wie man so schön sagt.


    Nachdem die Gruben geerntet wurden kam die nächste Füllung usw.. Die lohgare Haut wurde gewaschen, dann auf Rahmen im Schatten getrocknet. Nach dem Trocknen kam das Spalten, das Falzen, das Bimsen usw. Die oberste Schicht dieser Häute, die eigentliche Haut selbst wird Narbe genannt, es handelt sich dann um das wertvollste Stück an der ganzen Geschichte. Diese Haut selbst wird wieder in einzelne Bereiche unterteilt, aber das gehört jetzt nicht hier hin, auf jeden Fall bringt diese Methode dieses lohgare Leder, in Russland wurde es noch eingerieben mit diesem oder jenem, aber das ist bei dieser Methode unnötig.


    So, das ist eigentlich Juchtenleder, daraus wurden auch Streichriemen gemacht, aber wo soll man das hernehmen? Kein Wunder daß man das nicht mehr bezahlen konnte und die Methode einfach fast ausstarb, wer kann schon jahrelange in Gemütsruhe auf ein Produkt warten.


    Also wirst Du dir einen Streichriemen kaufen müssen, aber die Jungs hier können dir diesbezüglich mehr Rat geben als ich bei wem man so etwas erwirbt. Ich habe auch zwei gekaufte, die sind allerdings vom Flohmarkt, die sind so alt daß sie vermutlich aus Juchtenleder sind, immerhin steht man auch einem maßgefertigten Schuh, dafür machte man eigentlich diesen Aufwand der Lohgerbung, eine Lebenszeit von über zwanzig Jahren zu.


    Viele Grüße
    Roman




    PS: Ich vergaß gänzlich bei all dem Gespräch über alte Zeiten, wenn Du wirklich Interesse an einem sebstgebastelten Streichriemen aus lohgarem Leder hast, so könnte ich dir ein Stückchen dieses Leders besorgen. Ich bin öfters in Trier, dort gibt es die Firma Rendenbach die mitten in der Stadt noch lohgares Leder für die Schuhindustrie machen. Sie haben zwar keinen Herstellungsprozess der sich über Jahre hinzieht, aber es dauert auch in der heutigen Zeit noch rund ein Jahr. Es gibt in Deutschland noch drei Betriebe dieser Art, aber diese Firma ist der größte Lieferant für lohgares Leder weltweit. Dort gibt es einen kleinen Werksverkauf, ich denke dort wird man fündig, die haben soviel lohgares Leder die müssen es sogar verkaufen um über die Runden zu kommen (und das seit 1871).

    panta rhei

  • Moin ChriBo,


    +1 fürs selber machen


    Guck mal bei Ebay, da gibts jede menge Diamantpasté in verschiedenen myü(?) stärken/körnungen nimm die feinste. Nur bei Diamantpasté nicht drücken!!!


    Oder du kaufst dir z.B. von Dovo Schwarze und Rote Paste, Schwarze ist fein und Rot ist grob. Kosten tut die um die 5€. Chromoxcid farbe in gün soll auch sehr gut gehen.


    Kauf dir aber bitte Leder welches fest genung ist. Für jede Paste immer nur ein Riemen. Wenn du den Riemen Auffrischen willst, nimm kein Sandpapier sondern eine Raspel oder Feile.


    Viel Spaß


    MfG


    Kay

  • Mann Roman, du erzählst immer spannende Geschichten! Für einen Moment dachte ich, ich sei Jean-Baptis Grennouille :) . Ich habe hier schon meine Angewohnheit ändern müssen, lange Texte einfach zu überspringen oder zu überfliegen - ich könnte was verpassen, danke.

  • Mein Rat wäre auch selber machen!


    Ich finde die zu kaufenden nämlich zu kurz und zu teuer.
    Nimm ne gohobelte Dachlatte, klebe einen alten dicken Ledergürtel drauf, rauhe die Oberfläche mit ner Stahlbürst auf. Dann Stahlfix drauf, trocknen lassen und fertig.
    Die Diskusion über die ganzen Pasten wird eh überbewertet!!! Nimm was du im Haushalt findest. Ceranfeldreiniger, Scheuermilch, Stahlhfix, geht selbst mit Autopolitur. Macht jeden Superstahl blank!
    Weniger ist manchmal mehr!


    Meine Meinung





    Gruß
    Markus

  • @ Juchten


    Vielen Dank für die ausführliche Beschreibung! ^^
    Ich hab vor langer Zeit mal Sendung gesehen wo es um die Herstellung hochwertiger Leder ging. Dabei wurde eine alte Familiengerberei vorgestellt - kann aber leider nicht mehr sagen, aus welcher Ecke die kamen.
    Ich war nur froh, das man den "Geruch" nicht durch's Fernsehen übetragen bekam - der Stift, welcher zu dieser Zeit dort seine Ausbildung machte, war sichtlich angewiedert bei der Arbeit an den Waschtrommeln. :tellem:


    Zumindest bin ich jetzt soweit, das ich mir wie vorgeschlagen das Teil selbst basteln werde.
    Stellt sich aber als nächstes die Frage:


    Soll der aufgespannte Riemen fest auf dem Holz aufliegen oder leicht federn können? Also plan auf das Stück Dachlatte oder mit einem ausgefrästen Hohlraum darunter?
    Wo liegt da der Vor- und Nachteil in diesen Versionen?

  • Also ich habe das Lederstück nur an einer Seite der Latte angenagelt.
    Die Latte wird dann so eingespannt das die fixierte Lederseite von mir weg zeigt.
    Das Messer ziehe ich dann zu mir her beim Abzug.


    Viele fixieren den Lederstreifen aber auch mit Kleber fest und plan auf der Latte.
    Ich denke das ist fast egal wie du es machst.


    Hohlraum darunter würde ich nicht empfehlen da dadurch das Leder zu sehr nachgiebt und du dir deine Schneidephase verrundest also stumpf machst.
    Das Phänomen tritt auch beim Arbeiten am Bandschleifer mit freiem Band auf, wenn man zu fest aufdrückt.

  • Hohlraum darunter würde ich nicht empfehlen da dadurch das Leder zu sehr nachgiebt und du dir deine Schneidephase verrundest also stumpf machst.

    Das wollte ich wissen- Danke!
    Also vielleicht von Vorteil bei balligen Schneiden...

  • Und nicht mal bei balligen würde ich es empfehlen.
    Ich ziehe auch die balligen Schneiden auf meinem Streichriemen mit fester Auflage auf der Dachlatte ab.


    Der Trick beim abziehen ist nicht fest aufzudrücken. Selbst bei fest aufliegendem Leder verrundest du dir die Schneide wenn du zu fest aufdrückst.


    Also einfach Leder auf Latte nageln, mit Chrompaste einschmieren und langsam ohne Druck drüberziehen. Alles halb so wild und man kann da wirklich nicht viel falsch machen wenn man nicht zu fest aufdrückt.


    Gruss
    Chris

  • Die gefederten Streichriemen sind ausschließlich für Rasiermesser geeignet, bei allen anderen Messern, also die die du schärfen willst ist es kontraproduktiv. Bei Balligen Schliffen reicht es aus wenn das Leder etwas dicker ist und so von der Struktur her nachgiebt. Ich habe einen selbstgebastelten mit einem alten Ledergürtel und den zweiten von dir gezeigten prov. Riemen mit Dovo Paste rot und schwarz, damit bekomme ich nach vorbehandlung mit dem ultrafeinen Steinen des Sharpmakers alles Messer also auch ballig geschliffene ultrascharf.

  • geile sachen, brauch wohl einen und noch ultrafeine sharpmakersteine.


    passt zwar ned ganz her aber mit was polier ich eigentlich Messing und Kupfer?


    Zitat

    Mann Roman, du erzählst immer spannende Geschichten! Für einen Moment dachte ich, ich sei Jean-Baptis Grennouille . Ich habe hier schon meine Angewohnheit ändern müssen, lange Texte einfach zu überspringen oder zu überfliegen - ich könnte was verpassen, danke.


    seh ich jetzt auch so wie du :D



    so nun zu dir JUCHTEN!


    Alter hör auf die scheiss hier zu schreiben und werd Schriftsteller; weil so geil schreibt keiner den ich kenn in keinem Forum das ich kenn.
    Ok das heist womöglich nix, trotzdem GOTT nochmal geh zur Brotlosen Zunft. Wenigstens fürs Messermagazin könntest schreiben

    „Ein freier, denkender Mensch bleibt nicht da stehen, wo der Zufall ihn hinstößt;
    oder wenn er bleibt, so bleibt er aus Gründen, aus Wahl des Bessern. “

  • Mein Ako Polish ist auch für Messing und Kupfer geeignet.
    Ich bilde mir ein das es mit dem Zeug am besten funkioniert :rolleyes:
    Auf jeden fall glänzt das Parierelement am Puma 4star und die Klingen werden sauscharf und spiegelblank ;)

  • Ich nehme anstatt Streichriemen entweder ein Mousepad oder einen Korkschleifklotz als Unterlage und extrem feines Wasserschleifpapier:



    Und wie Bootsmann schon sagte, weniger Druck ist mehr!

    Gruß
    Günni.

  • Yepp!
    Da geht auch ein Fernsehabend bei drauf und Du kriegst von der Glotze nichts mit.
    Bei Pulverstählen wird es natürlich schwierig und bei groben Karbiden auch! Da brauchste richtig Geduld aber hey, maschinell kann jeder :D

    Gruß
    Günni.

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