Es gibt Messer, mit denen liebäugelt man Jahre, bis sie schließlich den Weg zu einem finden. Kennt ihr das? Ich wette die meisten Messerfreunde dürften genau wissen, wovon ich hier spreche. In meinem Fall stand das ESEE Junglas, das schon seit einigen Jahren auf dem Markt ist, lange Zeit auf der Wunschliste. Ich besitze bereits einige recht ähnliche Messer und war immer am Schwanken, ob ich dem ESEE nicht doch mal die Chance geben sollte. Auf Grund meiner positiven Erfahrungen mit dem Hersteller in den letzten beiden Jahre (konkret ging es hier um die Modelle 4HM und 6HM), musste ich dann doch wissen, was man vom größten Modell im ESEE Line-Up erwarten kann - die noch längere Machete sei jetzt mal ausgenommen. Im Zuge meiner Bestellung des bereits vorgestellten LKW F1s, habe ich das Junglas bei Lamnia.com in Finnland gleich mitgeordert. Was mich bei diesem Shop wirklich begeistert hat, war die extrem schnelle Lieferzeit von gerade mal 3 Tagen - und das aus Finnland!!! Selbst bei einer Bestellung aus dem nahegelegenen Frankfurt warte ich nicht selten länger.
Aber zurück zum Junglas! Liebhaber großer Messer haben es oft nicht leicht. “Wofür brauchst du denn so ein großes Messer?” oder “Das ist doch ein Ausgleich für andere Defizite” sind Bemerkungen, mit denen sich nicht nur Sportwagen-Fahrer konfrontiert sehen. Anhänger langer Klingen müssen sich häufig ähnliches anhören. Wofür man ein Messer mit brachialen 25 cm Klingenlänge in unserem urbanen Gefilde braucht mag berechtigt sein - ich weiß es ehrlich gesagt auch nicht. Doch mit Logik kommt man bei unserer Leidenschaft ohnehin nicht weit! Also weg damit und her mit den Emotionen!
Das Junglas ist wirklich ein Brecher! Zwar ist die Klingenstärke mit knapp unter 5 mm nicht gerade atemberaubend. Doch die schier nicht enden wollende Klinge mit einer Höhe von ca. 5 cm wusste dann doch zu beeindrucken. Irgendwie wirkt das Messer wuchtiger als alle anderen Klingen, die ich über die Jahre in die Finger bekommen habe. Definitiv ist das Junglas mit seinen Dimensionen am oberen Limit dessen, was sich noch anbietet mit nach “draußen” genommen zu werden. Alles andere ist dann doch zu lang, zu schwer, zu unhandlich. Doch das Junglas schafft es bei mir gerade noch in den Rucksack und hilft beim Campen in der Wildnis mit seiner Vielfältigkeit aus. Natürlich erledigt es das Hacken nicht wie eine Axt oder das Schnitzen nicht wie ein Schnitzmesser. Doch der Spagat, den das Messer hinlegt, kann sich sehen lassen. Durch den einfach zu schärfenden 1095er Kohlenstoffstahl wird das Messer ordentlich scharf, ohne dass es ein Hexenwerk wäre, diese Schärfe später wieder herzustellen. Auch wenn er gerne despektierlich behandelt wird, mag ich den 1095 sehr gerne. Gerade für ein Messer dieses Kaliber ist Kohlenstoffstahl meiner Meinung der einzige richtige Weg.
Was die Qualität angeht, so spielt das Junglas in derselben Liga wie alle anderen ESEE Messer. Der Griff ist sauber verarbeitet und abgerundet, die Beschichtung - ohne die ich persönlich auch sehr gut leben könnte - ist vom Finish her tadellos. Der Anschliff ist für eine Klinge dieses Kalibers absolut adäquat. Auch die Scheide des Messers wirkt hochwertig. Nylon ist eigentlich nicht mein Ding. Tatsächlich entsorge ich die meisten Nylonscheiden nach einem Messerkauf direkt und fertige sogleich eine aus Kydex an. Doch hier ist mir ESEE zuvor gekommen. Denn die Scheide ist halb/halb. Das Messer steckt nämlich bereits in Kydex, das auf der Rückseite mit Nylongewebe verbunden ist. Der Nylonteil ermöglicht zum einen das befestigen des Messer mittels Schlaufe und Druckknopf an der Scheide. Darüber hinaus kann bei Bedarf auch ein Teil des Griffs ähnlich wie bei einer Kapuze von der Nylonscheide aufgenommen werden und mittels Paracordschlaufe verzurrt werden. Alles was über die Befestigung mit Druckknopf hinausgeht ist meiner Ansicht nach “Gimmick”, da bereits in der Kydexscheide ein mit Gummiplättchen unterfütterte Schraube eingearbeitet wurde, die hin und hergeschoben wird und je nach Position des Messer bereits absolut sicher im Kydex arretiert. Die zusätzlichen Sicherungsmechanismen stören allerdings nicht. Ich meine mich zu erinnern, dass derart redundante Sicherungen für Fallschirmspringer in Streitkräften gedacht sind, damit sich das Messer auch wirklich nicht von seiner Scheide ungewollt verabschieden kann - aber nagelt mich hierauf nicht fest! Alles in allem empfinde ich die Molle-kompatible und 17 (!) fach vernietete Scheide als sehr hochwertig. Leichtes Klappern ist beim Schütteln vernehmbar, doch auf Grund des ordentlichen Gewichts des Junglas hält es sich in Grenzen.
Kommen wir zum Eingemachten. Wie erwähnt ist das Messer wuchtig und auch sein Griff erweckt nicht den Eindruck von Tiefstapelei. Wie bei vielen Haumessern ist er recht lang, wodurch es dem Anwender ermöglicht wird das Messer kurz (für feiner Aufgaben) oder weiter hinten (für derbere Aufgaben) zu halten. Dabei sei erwähnt, dass mich das Junglas in beiden Handlagen durchaus verblüfft hat. Es war natürlich nicht überraschend, dass sich das Messer hauptsächlich für Hackarbeiten eignen würde. Doch dass die Kraftübertragung dann doch so “knackig” ausfällt, hat mich positiv überrascht. Aus Stöckchen und kleinen Ästen macht man im Handumdrehen “Kleinholz”. Auch bei dickerem Material beißt sich die Klinge tief ins Holz. Es wird beim Hacken wohl nie so effektiv sein wie eine Axt oder ein Beil, doch werden meiner Ansicht nach weder Axt noch Beil eine vergleichbar gute Figur abgeben, wenn man feinere Arbeiten gefragt sind. Und man mag es nicht glauben doch mit Einschränkungen, kann das Junglas diese auch bewältigen. Natürlich hängt hier bei allen Werkzeugen auch viel von der Übung ab.
Einige Daten zum Messer
Gesamtlänge: ca 42 cm
Klingenlänge: ca. 26 cm
Klingenstärke: rund 5 mm
Gewicht: 635 g
Stahl: 1095 C-Stahl
Fazit
Ich denke der Behauptung, dass das ESEE Junglas ein wirklich beeindruckendes Messer ist, wird kaum jemand widersprechen. Für manch einen wahrscheinlich zu groß oder schwer, doch in vielen Männern werden hier Urinstinkte geweckt. Wie gewohnt kommt das Messer natürlich mit der großzügigen ESEE Garantie, so dass man sich keine Sorgen machen muss, dass der Klopper irgendwann mal “den Geist” aufgibt.
Verbesserungsfähig empfinde ich - wie so oft - den Abstand zwischen Griff und Beginn der Schneide. Zugegeben, bei einem Messer dieser Dimension fällt das bedeutend weniger ins Gewicht als es bei einem “kleinen”Messer mit 8-12 cm Klingenlänge der Fall gewesen wäre. Nichtsdestotrotz sehe ich auch hier keinen nachvollziehbaren Grund die rund 1,5 cm ungenutzt zu lassen.
Auch der Querschnitt des Griffs könnte für mein Empfinden etwas runder ausfallen. Er ist so wie er ist allerdings durchaus im Rahmen. Weniger Griffhöhe und dafür dickere Griffschalen wären optimal gewesen. Dieses Konzept hat ESEE ja auch bei einigen ihrer neuen HM Messer erfolgreich angewendet.
Abgesehen vom Preis, der selbst für ein Messer dieser Größe nicht gerade niedrig ausfällt, verfügt das Junglas für mich über keine signifikanten Schwächen - natürlich alles in Anbetracht dessen, was das Messer darstellen möchte. Wer an großen Klingen Freude hat, diese als Investition fürs Leben betrachtet - was es bis auf Verlust oder Wiederverkauf sein dürfte - und sich vom Design angesprochen fühlt, macht mit dem Junglas nichts verkehrt. Dass sich das Junglas auch sonst einer gewissen Beliebtheit erfreut, schließe ich von der Seriennummer, die mein Messer trägt: 16998! Es gehört sicherlich zu den Messern, die ich nicht mehr aus meinem Besitz geben werde.