Zu meinem Background: Privat interessiert mich das Thema schon seit Jahren, ich besitze aber keine rettungsdienstlichen Qualifikationen. Von regelmäßigen EH-Trainings abgesehen wurde ich lediglich in taktischer Erster Hilfe ausgebildet, kann also technisch Tourniquet, Chest-Seal und Israeli-Bandage anlegen - das wars dann aber auch.
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Kürzlich habe ich online entdeckt, dass im vergangenen Jahr eine neue Zeitschrift mit dem Spezialthema taktische Notfallmedizin das Licht der Welt erblickt hat. Da mich die Thematik beruflich tangiert wie auch privat interessiert, möchte ich euch hier kurz meine Eindrücke der Lektüre vorstellen.
Der Aufmacher der ersten Ausgabe ist die Operative Einsatzmedizin (OEM) der GSG9 der Bundespolizei. Der Artikel ist top geschrieben, sehr ausführlich und wird durch ein Interview mit dem Kommandeur der GSG9 abgerundet. Dass eine neue, also bis dato unbekannte Zeitschrift einen Einblick in einen so sensiblen Bereich erhält, mag zuerst verwundern, aber der Blick ins Impressum schafft Klarheit: eine Redakteurin der Zeitschrift ist die Leiterin der OEM selbst. Weitere Redakteure sind Bundeswehrärzte, Soldaten und Journalisten aus dem rettungsdienstlichen Bereich. Das fachliche Know-how ist also definitiv vorhanden und macht die Zeitschrift meines Erachtens auch aus.
Nach einem kurzen News-Überblick, der inhaltlich überwiegend von Übungslagen in verschiedenen Bundesländern berichtet, folgt der erste Maßnahmen-spezifische Artikel über präklinische Blutstillung durch direkte Kompression und Druckverband. Fundiert und mit Zahlen aus einer Untersuchung beim US-Militär belegt werden hier verschiedene Methoden der Blutstillung in unterschiedlichen taktischen Sitationen dargestellt. Zwar verwendet der Artikel Fachsprache, aber der geneigte Laie kann trotzdem was damit anfangen.
Ein weiterer Artikel zur Blutstillung befasst sich mit der Wirkungsweise verschiedener Hämostyptika. Die auf dem Markt gängigen Wirkstoffe/Produkte werden in einer auch für nicht-Mediziner leicht verständlichen Weise miteinander verglichen. Nicht nur die Mittel, auch die Methoden werden kurz erläutert. Das fand ich wirklich gut, weil über diese Art der Blutstillung viele verschiedene kontroverse Meinungen kursieren und man als Anwender eher verunsichert ist. Hier wurde der aktuelle Sachstand einfach mal kurz und prägnant dargestellt
Ein spannender Einsatzbericht aus den Alpen berichtet von der Anwendung der TCCC-Grundsätze auf Einsätze in schwierigem Gelände. Hier soll in der nächsten Ausgabe ein weiterer Bericht aus Tirol folgen.
Autoren von der Hochschule der Polizei BW berichten vom dort erarbeiteten neuen Konzept "Taktische Verwundetenversorgung". Da fand ich persönlich gerade den Blick über die Landesgrenze spannend.
Obligatorisch in einer solchen Zeitschrift sind wohl Packempfehlungen für ein IFAK. Find ich gut.
Sehr spannend war der Bericht von Médecins Sans Frontieres und mehreren Verwundeten selbst aus dem Gaza-Streifen insbesondere mit Blick auf die (auch langfristige) Verwundetenversorgung, wenn auch politisch etwas einseitig (was aber ok ist). Fachlich war das aufschlussreich - wenn auch weniger für die polizeilich-taktische Seite, sondern eher für die (notfall-)medizinische Versorgungskette, die an einem Anti-Terror-Einsatz mit MANV unweigerlich dranhängt - und damit ist die dargestellte Lage zumindest mit Blick auf die Anzahl der Verwundeten und deren Verletzungsmuster durchaus als vergleichbar anzusehen. In der Hinsicht bringt der Artikel also zumindest Erkenntnisse über Erfordernisse im Bereich der Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen.
Eine für den folgenden Ausgaben geplante Portrait-Reihe wird begonnen durch die Vorstellung eines Urgesteins der TCCC-Philosophie: Dr. Frank K. Butler. Nett geschrieben, wenn auch etwas überfüllt mit den Auszeichnungen, die der Mann erhalten hat. Spannender wäre vielleicht ein Interview gewesen. Mal schauen, was da in Zukunft folgt - Potential ist da.
Es folgen zwei Berichte über die CMC und die SOMSA. Abschließend gibt es noch eine Doppelseite mit "Produkt-News", die aber letztlich Werbetexte und Fotos verschiedener Hersteller taktischer Produkte sind (Tasmanian Tiger, Ulbrichts Protection etc.). Ingesamt ist Werbung in der Zeitschrift jedoch sehr dezent platziert (von der Doppelseite abgesehen nur acht Anzeigen auf 60 Seiten), weswegen ich das nicht weiter schlimm finde.
Insgesamt hat mir die erste Ausgabe dieser neuen Zeitschrift gut gefallen. Ich konnte etwas an Know-How mitnehmen, mich mit Blick auf die taktische Erste Hilfe auf einen aktuellen Wissensstand bringen und hatte ein bisschen Lektüre für einen gemütlichen Samstagvormittag. Ob es mir das Abo wert ist, möchte ich aber erst nach der zweiten oder dritten Ausgabe entscheiden. Von mir gibt es auf jeden Fall eine Lese-Empfehlung für am Thema interessierte.