Beschaffungswesen und Auswirkung von Fehlern auf die Truppe

  • Im KÜRBISTARN-Review kam das Thema Fehler im Beschaffungswesen auf und Silverhawk meinte


    Zitat

    Ich (wir) denken dass es erst eine nachhaltige Veränderung im ÖBH geben wird wenn einige von uns im Bodybag aus dem Einsatz nach Hause kommen werden.


    Im ursprünglichen Thread wäre eine Weiterführung dieses interessanten Themas gewaltig OT, darum geht es hier weiter.


    ……………………………………………………………………………………………………………………………………………………………



    Silverhawk:


    Ganz abgesehen davon, dass es natürlich vollkommen richtig ist, dass das von mir erwähnte fehlerhafte Verhalten einzelner Soldaten nichts mit der Beschaffung zu tun hat, würde es mich interessieren, in welchen Bereichen des Beschaffungswesens DU (vielleicht aktuell?) Fehler erkennst, die so gravierend sind, dass man mit gefüllten Bodybags rechnen müsste.


    Mir fallen schon ein paar Sachen ein (nicht ausreichend gehärtete Fahrzeuge usw.), aber bei der "Mannausrüstung" von Uniform bis zur Bewaffnung, erkenne ich das Problem noch nicht.


    Außerdem fürchte ich, dass der Mangel weniger am Beschaffungswesen als an den finanziellen Mitteln liegt...aber bei diesem Thema würden wir vielleicht zu sehr in eine politische Diskussion abdriften, die hier im Forum nicht erwünscht ist (betrifft allerdings ALLE Regierungen der letzten 50 Jahre).


    Mit besten Grüßen
    Max

  • Servus!


    Das ist ja jetzt mal eine ordentliche Liste und JA, ich verstehe (auch den Frust)….aaaaber….ist das wirklich zu so großen Teilen eine Frage der falschen Beschaffung durch das ÖBH oder liegt es nicht doch wieder an der seit Jahrzehnten (!!!) fehlenden Unterstützung der Regierung in Form einer gesicherten Finanzierung?


    Ich kann mich an keinen Verteidigungsminister erinnern, der laut und klar gestrampft hat, vielleicht sogar öffentlichkeitswirksam sein Amt zurückgelegt hat, weil der Finanzminister nicht bereit war, dem Heer zu geben, was das Heer braucht.
    Mir liegt es fern, die Entscheidungsträger für diverse Anschaffungen in Schutz zu nehmen, aber wenn man Geld nur bröckerlweise bekommt und diese Bröckerl noch dazu immer zu klein sind, fällt es auch schwer, gut und richtig einzukaufen.
    Ob Gerät X oder Y besser ist, kann man durchaus erkennen, wenn aber neben dem praktischen Nutzen auch noch wirtschaftliche Interessen (Stichwort: österreichische Anbieter bzw. Arbeitsplätze) ZWINGEND in die Beschaffung einfließen müssen, kann nicht das rauskommen, was für die Truppe perfekt wäre.


    Daran ändert sich aber auch nichts, wenn unsere Kameraden in Bodybags aus dem Einsatz kommen.
    Was sagt das Volk zu luftdicht verpackten Soldaten? - Egal, Berufsrisiko!


    Ist absolut nicht ok, aber es ist die Realität.


    Gruß
    Max

  • servus
    smocks und plattecarrier beschaffen sich viele zeit und berufssoldaten selber, ebenso wie stiefel. das war alles 92 undenkbar, ausser beim jagdkommando, die trugen schon mitte der 80er meindel usw stiefel.. die glock braucht keine gen4 sein, es reich die schiene unterm lauf und das stg ist noch lange nicht veraltet. wir gehören zu den wenigen armeen die kein minimi verwenden und das will und kann i net verstehen. beim dmr bin ich bei dir. die deutschen haben jahrelang das g3mit optiken in afghanistan benutzt und jetzt habens das g28, welches mit allen anbauteilen nur schwer ist.habe in den letzten jahren viele bw videos gesehen und viele tragen verschiedenste plattenträger und chestrigs. es ist so vieles besser geworden, vorallem neue helme, neue funkgeräte und nicht nur sanis und mg schützen tragen eine glock.
    nikko

  • Ja wisst ihr,


    Der Wunsch ans Chistkind zieht halt immer einen Rattenschwanz nach sich.


    Umstellung auf neue Waffe: Ersatzteile, Ausbildung, Handhabung, Waffenhalterungen etc. alles neu. Dafür, dass wirklich max. 5% der Leute einen Mehrwert davon haben.


    In meiner Erfahrung können 95% der Leute aus einer neuen Waffe nix machen. Glaubt irgendejemand, der nicht in seiner Tactical Filterblase gefangen ist, dass der Durchschnittssoldat oder Polizist mit einer STM-556 effektiver wäre? Mitnichten.
    Dafür habe ich aber Ausgaben ohne Ende, für eine marginale Kampfwertsteigerung.


    Beispiel gefällig?


    Das Polizei STG77 kann man auch links schießen. Will aber keiner, macht keiner, nutzt keier, versteht keiner, interessiert keinen. Hat aber Extra gekostet.
    Der Verschlussfanghebel kann das Nachladen erleichtern. Will aber keiner, macht keiner, nutzt keiner, versteht keiner, interessiert keinen. Hat aber Extra gekostet.
    Der Trageriemen kann jetzt viel. Will aber keiner, macht keiner, nutzt keiner, versteht keiner, interessiert keinen. Hat aber extra gekostet.
    Und dann ist da pro Termin einer dabei, der sagt, wäre ein AR nicht besser gewesen?


    Hätte man jetzt einen AR Typ eingeführt, dann würde das neue Transportbehältnisse erfordern, neue Magazine, neue Ausbildung am Grundkonzept, Neuausbildung der Waffentechniker, neue Probleme, andere Probleme. Ein Vielfaches der Kosten. Bei ARs im Feld wird die Waffe nach wenigen Tausend verschossenen patronen getauscht. Das spielts nicht. Die Waffen müssen mindestens für 20 Jahre im Bestand bleiben (vermutlich).


    Der Effekt bei den Anwendern draußen wäre: Will keiner, nutzt keiner, versteht keiner, interessiert keinen. Hat aber extra gekostet.
    und dann ist dann pro Ausbildungstermin einer dabei, der sagt: Aber wäre ein 77er nicht kürzer und daher besser?



    Herzlich willkommen in meiner Realität.

    Wer seine Waffen zu Pflugscharen schmiedet, der wird für jene pflügen, die dies nicht getan haben.


    “We must reject the idea that every time a law’s broken, society is guilty rather than the lawbreaker. It is time to restore the American precept that each individual is accountable for his actions.” -- Ronald Reagan

    3 Mal editiert, zuletzt von Revierler ()

  • Auch wenn ich weeeeit nicht den Einblick in die Materie habe wie Revierler und viele andere hier, erkenne ich bei einem Wechsel von AUG auf XY keinen Nutzen, der auch nur ansatzweise die zu erwartenden Probleme rechtfertigen würde.


    Hier geht es aber eigentlich viel mehr um das Thema "sind die Leute im Beschaffungswesen unfähig" … wenn ich das so direkt formulieren darf.
    Ich glaube nicht!
    Sicher rennt nicht alles richtig, den Grund dafür sehe ich aber nach wie vor in der Finanzierung und der politischen Durchsetzbarkeit von Forderungen, die das Wahlvolk ganz sicher nicht verstehen bzw. mittragen würde.


    Solange die Kacke nicht für alle spürbar am dampfen ist, will doch kein Steuerzahler sehen, dass Geld ins Heer gepumpt wird.
    Ohne ausreichend Geld UND der Sicherheit, dass der nötige Geldfluss erhalten bleibt, kann der beste Fachmann kein "richtiges" (was das ist, kann durchaus unterschiedlich gesehen werden) Material beschaffen.
    Ich denke nach wie vor, dass daran auch 100 Bodybags nichts ändern würden, man würde nur sofort mit dem Rückzug aus dem Einsatz reagieren (siehe Golan - mMn ein schwerer Fehler!).


    Welche Fehler, die nichts mit den fehlenden finanziellen Mitteln zu tun haben, werden also von den fürs Beschaffungswesen verantwortlichen Personen gemacht?


    Das ist eine ernst gemeinte Frage und kein Ausdruck eines Justamentstandpunkts auf den ich beharren möchte, ich sehe die Mängelliste halt zum größten Teil im Zusammenhang mit dem fehlenden Geld.


    Gruß
    Max

  • Die für die Beschaffung zuständigen Personen sind Beamte. Weisungsgebunden. Damit der Politik ausgeliefert die ihnen sagt, was sie zu beschaffen haben. Somit sind für mich alle Fehlerquellen genannt.
    Und weil der "Beschaffer" ein Beamter ist ist er nicht zwangsläufig ein Kenner der Materie. Der macht einen Kurs, bewirbt sich auf eine höhere Planstelle und landet auf einmal in der Beschaffung. Weil da war was frei. Das der vorher (ich bleib bei der Polizei) 15 Jahre lang Verkehrsdienst gemacht hat, ist egal (wir hatten ja schon Kindergärtnerinnen als Innenminister - die können das...). Und jetzt macht der Marktforschung. Jede Firma rennt dem BMI die Türe ein und will ihr Produkt verkaufen (Stichwort LedLenser). Der Beamte hat keine Ahnung, sieht den Preis und ein paar geil gemachte Videos, rechnet, ist im Budget - und kauft.
    Das System, welches hinter der Beschaffung steckt, ist das Problem. Es muss billig sein, es muss leicht ersetzbar sein und in großen Stückzahlen (billig) zu liefern sein (bedenke, dass deine dienstliche Ausrüstung vom billigsten Anbieter stammt!!). Und es muss politsch vertretbar sein.
    Und dann kommt das von Revierler sehr schwerwiegende Problem der Systemumstellung und den damit verbundenen Zeitaufwand für Schulung und Training dazu. Und das ist beim Heer nix anderes als bei uns bei der Polizei: Zeit ist Geld und Geld haben wir nicht. Außerdem interessierts keinen. Bis auf ein paar wenige, die sich dann den Mund fusselig reden und versuchen, Kollegen auf den richtigen Weg zu bringen.
    Ich könnte nach 32 Jahren Bücher schreiben, über beschaffte Campinglaternen für alle Dienststellen trotz Notstromaggregaten, über erstklassige Nikon Fotoapparate (unbrauchbar, weil die Rechner die Fotos nicht verarbeiten konnten), über Handschellen, über "4Seasons" Reifen mit denen dann alle Geländewagen im Winter standen und wieder auf VW Golf zurückgegriffen werden musste (mit Spikes), über dienstlich (!!!) angekaufte PCs die vom EDV Referat nicht gewartet werden weil sie außerhalb des System stehen, über Grand Jeep Cherokees die auf der Ebene des Flughafens Graz Thalerhof ihre Runden zogen (mit 40 l/100km - weil jede Grenzdienststelle, sei sie noch so flach, braucht einen 4WD), über ein PAD und ein ELKOS, über den gescheiterten Digitalfunk Adonis (da war nur das fehlende Geld schuld!!)... etc etc.

  • Bin da VOLL bei euch, aber weißt eh, als alter Offroader muss ich da quietschen!



    Grand Jeep Cherokees die auf der Ebene des Flughafens Graz Thalerhof ihre Runden zogen (mit 40 l/100km...


    Sag ma 16, das ist für ein Flughafentaxi aber eh Verschwendung genug ;)

  • Eine nahe vertrauenswürdige Person,die als kleines Mäuschen im deutschen BMVt in den 60er arbeitete..hat mir das so erklärt Leute aus dem Ministerium scheiden aus und beraten das Ministerium sprich Beschaffungsamt.
    Die Politker kriegen die jeweiligen Spitzenausführungen zusehen und dann wird entschieden nach der Rücksprache mit den von Rüstungsindustrie geschulten Spezialisten:
    "Wird beschafft!"
    Man pflegte immer die Kontakte und es wurde ein Selbstläufer...siehe Cerberus oder diese europäpische drohne...
    Und natürlich das G36
    Imho hat sich HK zusehr darauf verlassen das es wie geschmiert läuft und man eigentlich keine Pflege des Ministeriums mehr betreiben muss...
    da sonst auch nie jemand ketzerischerweise die Lage ausgenutzt oder evtll eskalieren ließ..
    sahen auch nur extrem wohlwollende (naive) Btrachter das Krisenmanagment als gelungen an.

  • Wir, die guten Willens sind,
    geführt von Ahnungslosen,
    versuchen für die Undankbaren
    das Unmögliche zu vollbringen.


    Wir haben viel mit so wenig
    so lange versucht, daß wir jetzt
    qualifiziert sind fast alles
    mit nichts zu bewältigen.


    Quellenangabe


    Nicht von mir, ein namenloses Zitat aus dem Netz ... aber ich habe NICHTS treffenderes gefunden.
    Es beschreibt VÖLLIG zurecht den aktuellen Status .. nicht nur in den Wehren und Heeren, nein auch bei Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten ... sprich in meinen vollen Bekanntenkreis, gibt es bei jeder Zusammenkunft Geschichten aus dem Leben, die mir die Zornesröte ins Gesicht, die Galle in den Hals und die Verzweiflung ins Gemüt treibt.


    Aber die Rechnung fängt langsam an zu Buche zu schlagen .. und in 5 - 10 Jahren wird sich die Mehrheit der wählenden Bevölkerung fragen, wie zu TEUFEL es so hat kommen können, NIEMAND hätte sowas voraussehen können ;)


    Ich bin jetzt schon gespannt ....


    8)

    Kämpfen – aber mit Freuden! Dreinhauen – aber mit Lachen!
    Kurt Tucholsky (1890 - 1935)

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!