Ein für mich spannendes Thema bei Messern ist die Fortentwicklung klassischer Gestaltungsformen und Messerarten. Ob das nun beim Tanto der Weg des "Modern Tanto" oder die Fortentwicklung beim Material und moderner Gestaltungsform von Tanto mit klassischer Spitzenform ist wie beim Hissatsu oder beim Otanashi Noh Ken; ob es beim scheinbar nun "unsterblichen" Bowie qualitativ und in moderner Formensprache neue Modelle von Hinderer oder RMJ sind oder einfach nur der Marine Raider, der nach über 100 Jahren zwischen der Sandbank und WW2 immer noch seinen Praxisnutzen in moderner Gestaltung gezeigt hat, ob es die Fortentwicklung des FS-Konzeptes z.B. durch Les George oder den Blackhawk-Dagger oder den Eickhorn Dagger 2000 sein mag...Uberall werden klassische Formen nicht verworfen,sondern in aktueller Materialwahl und Formensprache angepasst und z.T. fortentwickelt weiterverwendet.
Das gilt auch beim Puukko, das klassisch in kleinerer Gebrauchsmesserform z.B. daherkommt wie dieses fast 50 Jahre alte Messer, eines meiner ersten und das älteste in meinem Bestand...
Die klassischen Wiedererkennungsmerkmale sind da:
Ledersteckscheide ohne Sicherungsriemen - alles was man nicht auch mit dicken Fäustlingen bedienen könnte, scheidet im Herkunftsgebiet aus...
Gerade annähernd rückenspitze Klinge, gerader Griff, kein Handschutz - so läßt sich das Messer vielseitig handhaben und kann z.B. beim Schlachten eines Rentiers oder Abfangen von Jagdwild über das Klingenende hinaus nach vorn gebracht werden. Außerdem kann das Messer so weit in Köcherscheiden eingeführt und der Griff damit vor Extremwetter geschützt werden.
Griffmaterial z.B. Lederscheiben oder Scheiben aus Birkenrinde - man friert nicht fest und hat das Messer auch "benetzt" gut in der Hand.
Diese Form hat sich über Jahrhunderte bewährt und den Stil von Puukko und Leuku geprägt.
Klassische Puukko- und Leuku-Messer sind nicht der Kernpunkt meines Interessengebiets, und ich würde mich freuen, wenn die Fachleute in der Runde hier bei dieser Gelegenheit den einen oder anderen informativen Link einfügen könnten!
Hier mal für den Start:
https://en.wikipedia.org/wiki/Puukko
https://en.wikipedia.org/wiki/Sami_knife
https://nordiskaknivar.wordpre…012/10/14/leuku-part-one/
Neben der Fortführung klassischer Puukko-Gestaltung insbesndere bei vielen skandinavischen Herstellern ist auch dem Durchschnittsanwender - wohl jedem - vor allem EINE Übertragung in die Moderne der Gebrauchsmesserverwendung bekannt: das Mora
Noch immer auch mit den Mora-klassischen runden Holzgriffen zu haben, dominiert hier doch mittlerweile die in Material und Form moderne Gestaltung von Messern wie dem geradezu legendären Companion, später dann z.B. auch den Bushcraftern und neuen Serien wie Garberg und Kansbol: Kunststoffgriffe, vor allem aus einer Art Gummi...das liegt dann auch "benetzt" und mit kalten Händen sehr sicher in der Hand, für m i c h ist auch die Ergonomie sehr gut. Auffallende Veränderung ist die Einführung eines moderaten Handschutzes bei den meisten Modellen, viele Anwender begrüßen das und müssen z.B. auch kein Ren mehr schlachten, bekommen dafür aber dann mehr Sicherheit vor dem Verrutschen nach vorn, sowohl durch das rutschhemmende Gummi als auch das kleine PE...
Mora bleibt bei der für die Mehrzahl der Puukko-Messer typischen geringen Klingenstärke und variiert die Klingenform zwischen der Puukko-typisch spitzen Form und der eher Leuku-typischen mit mehr "Belly" vorn...
Außer Morallergikern wie dem Heide-Apachen können da also die meisten Anwender ein für sie passendes Gebrauchsmesser finden, solange der Gebrauch nicht allzu sehr ins Mißbräuchliche und den "Hardcore-Bereich" abdriftet
Ich hab diese Messer recht lange zwar nicht verachtet, aber für den Eigengebrauch wenig in Betracht gezogen, das hat sich mittlerweile geändert, und Jasmin benutzt auch gegen die Konkurrenz hochpreisiger Mitbewerber in meinem Bestand nichts lieber als die Moras, die mittlerweile im Dutzend taktisch deponiert, an Rucksäcke geschlauft oder beigepackt sind, um in den Ferienküchen oder beim Pilzesuchen bereit zu stehen
Wer das Puukko zwar schätzt, aber eine moderne und vor allem auch stabile "Unimog"-Variante für härtere Arbeiten besser gebrauchen kann, ist bekanntlich mit dem "Jägermesser" der schrägen finnischen Varusteleka-Truppe bestens bedient, das unter der Eigenmarke Terävä als Jääkaripuukko vertrieben wird. Es wurde hier ausführlich vorgestellt:
Terävä Jääkäripuukko 110 Carbon - oder: Unimog mit Klinge
Unterscheidungsmerkmale zur klassischen Ausgabe sind hier der Kunststoffgriff, der ebenfalls einen moderaten Handschutz aufweist, der als Hebelkante/Schlagstück hinten herausragende Erl und eine vergleichsweise üppige Klingenstärke.
Veränderungen von Griffmaterial, oft auch das Hinzufügen eines kleinen Handschutzes und eine Veränderung der Klingenstärke scheinen insgesamt typische "Evolutionsschritte" der modernen Pukko-Abkömmlinge zu sein.
Die Lederscheide hat einen Druckknopf, das Messer sitzt aber so fest in der Scheide, daß man auch bei Fäustling-Temperaturen nicht in hilfloses Gefummel verfallen müßte
Das 11er-Jägermesser (übrigens nach der finnischen Militäreinheit, aber auch mit diesem Bezug ein reines Gebrauchsmesser!) hat meine Sehnsucht gestillt nach einer 42a-konformen Form einer früheren Puukko-Modernisierung aus Skandinavien: dem vom Berufssoldaten Peltonen entwickelten Gebrauchs-/Einsatzmesser Sissipuukko M95, in der fünfzölligen Version M07...
Peltonen hat sozusagen dem Terävä-Modell "vorausgedacht" bei der Gestaltun eines modernen Einsatzmessers auf der Basis eines Puukko.
Auch hier findet man einen Gummigriff mit kleinem PE für sichere Handhabung und eine stärkere Klinge als beim klassischen Puukko, hier auch beschichtet und differtiell gehärtet, um Messer-Ausfälle durch Klingenbrauch im Einsatz auf jeden Fall auszuschließen...
Ich besitzte meines seit vielen Jahren, und es ist für mich immer noch ein Musterbeispiel ausgezeichneter Evolution mit dem Ergebnis eines hervorragenden Outdoormessers.
"Erfunden" hat aber auch Peltonen die Puukko-Modernisierung nicht. Wer wars (unter anderem)? Nein, nicht die Schweizer, sondern "der" Russe. Karelien war ja lange russische Provinz, und die nordischen Messerformen haben die russische Messergestaltun wesentlich mitbeeinflußt sowohl beim PE-losen Puukko als auch insbesondere einer Vielzahl von Fortentwicklungen, oft mit PE, die wir als "Finka" oder "Finskiy" kennen....
Auch die haben wir hier schon zuweilen vorgestellt, und ich mag mein A&R Finka wirklich
Näher am klassischen Puukko ohne PE, aber mit modernem Griffmaterial und stärkerer Klinge umgesetzt ist die "Smersh"-Reihe, hier mit einem NOKS Smersh 3.
Die Namensgebung stammt von einer russischen Kampagne "Tod den Spionen", und das Messer ist als SE-Tool bekannt geworden, bleibt aber - viel mehr als "nebenbei" - auch ein sehr nützliches Gebrauchsmesser, denn es ist eben ein Puukko, wenn auch hier mit stabiler 6mm-Klingenstärke....
Hier hat es klassisch kein PE, es gibt aber Smersh-Variaten auch mit Handschutz, die aber dann aus russisch-rechtlichen Gründen hier schwer zu bekommen sind....
Da sind wir dann wieder beim "Finka"
Im Custom-Bereich kann man dann natürlich die Phantasie schießen und die Variationslust spielen lassen und Puukko-Elemente z.B. auch mit denen des Aikuchi und der Materialstärke und Griffgestaltung US-amerikanischer Jagd- und Gebrauchsmesser zu einem Crossover-Modell wie dem "Taiga" verbinden, das Roman "Juchten" für mich gemacht hat
Einseitig herumgezogene Fingermulden wie bei Randall, ein Lederscheibengriff, den diesen mindestens nicht nachsteht und eine unzerstörbar stabile rückenspitze gerade Klinge....
Sicher könnt auch Ihr noch etwas zu modernen Puukko-Modellen und -Abkömmlingen beitragen!
Ich würde mich freuen, sowohl über moderne Custom-Puukko-Beispiele als auch über Gebrauchsmesser / Einsatzmesser mit Puukko-Tradition!