Älteres, aber unbenutztes Messer mit "Krater" in der M390-Klinge. Woher kann der kommen? (Anschliff?)

  • Hi,


    ich habe ein TRC (fixed) mit M390-Klinge. Das Messer ist schon ein paar Jahre alt, aber ich habe es nur gekauft, einmal angeguckt und dann wieder in den Karton gepackt und ins Regal gestellt, weil ich die Lederscheide irgendwie doof fand. :rolleyes:


    Neulich habe ich es mal wieder rausgeholt und festgestellt, dass ein winziger (<0,5mm) schwarzer Punkt auf der rechten Seite der Klinge ist. Als er sich nicht ohne weiteres wegwischen / polieren ließ habe ich mir das ganze mal unter 50facher Vergrößerung angesehen. In der Vergrößerung erkennt man, dass das ganze keine Verfärbung sondern ein winziger "Krater" / eine Vertiefung ist.


    Mir ist schon klar, dass man ohne Foto keine so tolle Ferndiagnose stellen kann. Aber meine Versuche ein Foto durch das Mikroskop zu machen scheiterten und auf einem normalen Foto erkennt man höchstens einen winzigen schwarzen Punkt.


    Was denkt ihr was das sein könnte?


    Korrosion? Dafür gibt es keine anderen Anzeichen und das Messer steckte zwar in seiner Lederscheide aber war ja die ganze Zeit trocken und lag auch in einem beheizten Teil der Wohnung.


    Vielleicht eine kleine Verarbeitungsspur vom Anschliff?

  • Das kann ich eigentlich ausschließen. Die Stelle ist untypisch (im vorderen drittel der Klinge im oberen Bereich) und es ist viel, viel kleiner als die Testpunkte die ich so kenne.

  • Das dürfte ein kleiner nichtmetallischer Einschluss sein.
    Wäre bei M390 aufgrund des Herstellungsprozesses zwar sehr ungewöhnlich, auszuschließen ist es leider nicht.
    Ich lasse in meinem Job nicht ohne Grund verdammt viele Teile aus ähnlich teuren Stählen sehr aufwendig mit verschiedenen Methoden zerstörungsfrei prüfen. Da gibt es auch immer wieder mal Ausfälle die man niemals erwartet hätte.
    Es ist aber wirklich ungewöhnlich dass man den Fehler bei dem Stahl mit bloßen Auge sehen kann...

  • ...


    Korrosion? Dafür gibt es keine anderen Anzeichen und das Messer steckte zwar in seiner Lederscheide aber war ja die ganze Zeit trocken und lag auch in einem beheizten Teil der Wohnung.


    Pitting würde trotz trockener Lagerung zur Korrosion passen... Kann ein einzelner, winziger Metallpartikel in der Lederscheide gewesen sein, sofern das Grübchen nicht vorher schon unentdeckt vorhanden war. Luftfeuchtigkeit kann auf Dauer manchmal heftiger wirken, als man glaubt.


    Mir ist trotz gefühlt trockener Lagerung (im Heizungsraum !!) mal ein Messer in der Lederscheide festgerostet - war allerdings ein rostender Werkzeugstahl... Selbst "rostfrei" wie z.B. 1.4034 kann in Kunststoffscheide rosten, bzw. Pitting ansetzen...


    Gruß Andreas

    Warst Du gerade auf einem Erbsenzählerseminar? Nein, dafür bin ich nicht zuständig, ich spalte ihre Haare!

  • faktisch tut man sich doch schwer bei diesem Stahl an Korrosion zu denken, 20% Chrom, wenn der nicht beständig ist, was dann?
    Kratzer in der Klinge, 1,9 % Kohlenstoff und 4 % Vanadium, damit macht man Kratzer in andere Sachen.
    Sichtbare Fehler bei PM-Stahl, da frage ich mich wieso man sich den Aufwand der Pulvermetallurgie antut, wenn man Löcher im Material hat? Und Böhler Stahl ist schon sehr lange im Geschäft, das wären die nicht wenn sie löchrige Ware liefern würden.


    Subjektiv, ganz subjektiv tippe ich auf ein Andenken vom Härten. Diesen Stahl muss man ziemlich hoch erwärmen, da ist schnell was passiert.


    Viele Grüße


    Roman

    panta rhei

  • PM Stahl hat in erster Linie den Zweck die Carbidgröße zu reduzieren und die Kornverteilung zu verbessern.
    Will man nur die Gefügereinheit verbessern sollte man eine ESU (oder eng verwabte) Behandlung am Stahl durchführen.


    Aber kein Verfahren ist perfekt, ich erlebe immer wieder Ausfälle in der ZFP, selbst bei höchstwertigsten Güten.


    Ich hatte diesbezüglich schon sehr interessante Gespräche mit einem Ingenieur von Böhler.


    Wobei nach meiner Erfahrung Böhler aber die beste Stahlqualität aller meiner Stahllieferanten bietet.

  • Mir ist schon klar, dass man ohne Foto keine so tolle Ferndiagnose stellen kann. Aber meine Versuche ein Foto durch das Mikroskop zu machen scheiterten und auf einem normalen Foto erkennt man höchstens einen winzigen schwarzen Punkt.


    Lupe bzw Lupenadapter fürs Handy verwenden oder mit sehr hoher Auflösung ablichten, dann kann man da schon recht gut reinzoomen wenn man das mit ausreichend Licht und verwacklungsfrei ablichtet :) und btw...die meisten günstigen USB Mikroskope machen auch kein besseres Bild, da bin auch schon mal eher ernüchtert vorn PC gesessen :) Denke mit Option 2 wird's am ehesten was.

  • faktisch tut man sich doch schwer bei diesem Stahl an Korrosion zu denken, 20% Chrom, wenn der nicht beständig ist, was dann?


    Vorsicht bei solchen Pauschalaussagen. In diesem Fall zwar richtig, der M390 gilt als sehr korrosionsbeständig. Allerdings hat der ZDP 189 auch 20% Cr, trotzdem ist dieser nicht sonderlich korrosionsbeständig.

    Einmal editiert, zuletzt von ex Vento ()

  • Mir ist schon klar, dass man ohne Foto keine so tolle Ferndiagnose stellen kann. Aber meine Versuche ein Foto durch das Mikroskop zu machen scheiterten und auf einem normalen Foto erkennt man höchstens einen winzigen schwarzen Punkt.


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    T.I.T.A.N. #0011

  • Die absolute Menge an Cr ist für die Korrosionsbeständig uninteressant.
    Cr das in Carbiden gebunden ist hat hier keine Relevanz, es geht hier nur um das freie Cr in der Matrix.
    Enthält der Stahl also viel C und sonst keine aggressiven Carbidbildner wie beispielsweise V oder Nb, wird viel Cr in den Carbiden gebunden und die Korrosionsbeständigkeit nimmt stark ab.

  • Der M390 hat viel Chrom, ja. Chromgehalt alleine sagt nichts aus, naja. Kommt auf die (elektro)chemische Beanspruchung an. Für Karbide benötigt man, sofern man von CrC spricht, Kohlenstoff und Chrom, ja da geb ich euch recht. Rechnet doch mal nach wie viel C und Cr bei den häufigsten Chromkarbiden wir wissen nicht einmal welche) benötigt wird und schließt auf Korrosionsbeständigkeit rück. Ganz davon abgesehen das wir die echte chemische Zusammensetzung nicht wissen und den Anteil an Karbiden sowieso nicht.


    Pitting bzw. Lochkorrosion kann hier definitiv ausgeschlossen werden. Das trau ich mir auch ohne Bild zu sagen. Bei ca. 20% Cr und ganzen 1% Mo sehr unwahrscheinlich (rechnet euch mal den PREN Faktor aus!). Die M Stähle von vaBöhler werden, zumindest den den wir umgeschmolzen haben, für Formenstähler bei der PVC Verarbeitung verwendet. Wer nicht weiß für was das C in PVC steht = Chlorid d.h. massiv korrosive Umgebung. Dann noch dazu hohe Temperatur + Reibung. Wenn da nach etlichen Betriebsstunden Lochkorrosion entsteht, ok, aber nicht bei einem TFler durch Lagerung.


    Bei einem mit freien Auge erkennbaren Einschluss an der Oberfläche spricht man von Schlackeneinschlüssen oder Zunder, was im Endeffekt auch Schlacke ist, nur ist der Ort der Entstehung ein anderer. Wäre für mich wahrscheinlich dann eine Spur vom Walzen. Kann passieren und dort hat dann Korrosion eine Chance. Jedoch die allgemein bekannte Korrosion mit Wasserstoff und Sauerstoff (es gibt ja etliche Arten).
    Solange der Punkt bloß ein Punkt bleibt, ist doch alles gut.

  • Ich werde jetzt ein wenig unsicher, wenn ich Kohlenstoff für Karbide brauche, wieso bildet er keine bei einem niedriglegierten Stahl unter der eutektoiden Grenze und härtet doch aus?
    Wenn Vanadium, Wolfram und Niob in Verbund mit Chrom die Voraussetzung für Korrosionbeständigkeit sind, wieso rostet dann 1.4034 nicht? Der hat ja keine Karbildbildner in Form von Vanadium und Wolfram.
    Nach dem Härten haben sich doch die Chromkarbide gebildet, wo ist denn da noch freies Chrom in der Matrix?


    Fragen über Fragen...


    Viele Grüße


    Roman

    panta rhei

  • Für ein Karbid ist ein karbidbildendes Element notwendig z.B. Chrom. Verfestigungsmechanismen gibt es aber ein paar. Einschlüsse in der Matrix sind eine davon. Wenn du keine Einschlüsse bildest bzw. alles gelöst ist hast du schlussendlich nur noch die Feinkornhärtung, Mischkristallverfestigung, Versetzungen und natürlich die diversen Phasen von denen du im untereutektoiden Bereich von Ferrit, Perlit, Bainit (oberer, unterer, karbidfreier), Martensit und alle anderen Arten der genannten Phasen (feiner, angelassen, usw.) hast.


    Bei deinem Bsp. ist bei korrekter Wärmebehandlung das Chrom vollständig gelöst und der C vollständig im Ferrit bzw. im
    hexagonal verzerrten Ferrit = Martensit. Wenn du (viel) zu hoch und zu lange anlässt scheidet sich der C aus und der C (oder das Cr) wandern (diffundieren) zueinander und bilden CrC.


    V, Nb für Rostbeständigkeit? Wüsste ich nichts darüber. Cr wie jeder weiß. Ni nur in Verbindung mit Chrom und Mo eben nur bei bestimmten Sorten, ebenso mit Cr.
    Der 1.4034 müsste auch so in der Liga von M310 liegen. Wird ebenso für Kunststoffformen (bei PVC) verwendet. Ist aber wesentlich günstiger (rein von der Legierung her). Gibt es aber auch ESU umgeschmolzen. Haben wir gemacht :D

    Einmal editiert, zuletzt von tacguyxx ()

  • Vom Mobilgerät sind meine Antworten immer ein wenig kürzer:
    NB und V verändern das Korrosionsverhalten nur insofern, dass sie eher Karbide bilden als Cr und infolgedessen weniger Cr in Karbiden selbst gebunden wird.


    Meine Ausführungen bezogen sich auch auf den ZDP 189 mit 3% C und 20% Cr.


    Zu dem Korrosionsverhalten und dem Einfluss des C Gehaltes und der daraus resultierenden Karbidmenge habe ich praktische Erfahrungen mit 1.4021 und 1.2379. Bis auf den C-gehalt sehr ähnliche Chemie, ca. 0,2 zu 1,5 % C.
    Der 1.4021 ist deutlich korrosionsbeständiger als der 1.2379, beide im vergüteten Zustand. Beim 1.2379 bilden sich die Primärkarbide ja bereits in der Schmelze.
    Nachtrag: habe gerade nochmal nach geschaut, 1.4021 hat laut Norm 1% mehr Cr, ist aber in der Praxis immer mit mit knapp über 12% Cr legiert. Das musste ich lernen als ein Kunde 1.4021 mit mindestens 12,5 % Cr wollte und dieser nicht zu beschaffen war. Zu meiner Aussage oben stehe ich.


    Zu dem M390 schrieb ich ja bereits dass ich dies für eine Lunkerstelle halte.

    2 Mal editiert, zuletzt von recurveman ()

  • Als Literatureinstieg in dieses Thema kann ich nur
    Stahl-Metallurgie für Einsteiger: Komplizierte Zusammenhänge verständlich erklärt von John D. Verhoeven
    empfehlen.

  • Das sind zwei völlig verschiedene Konzepte die du da vergleichst recurveman.
    „Primär“karbide bilden sich grundsätzlich aus der Schmelze.


    1.4021 kannst du ganz easy mit mehr Cr haben, aber es wird kaum jemand korrekt analysieren können und deswegen kann es nur mit den Stahlwerks Grenzwerten verkauft werden. Der Großhändler wird das eher selten nachkontrollieren.


    Lunker kannst du beim M390 mal komplett verwerfen. Wo soll der da in der Route entstehen?


    Von solchen „for Dummies“ und „einfach erklärt“ Büchern halte ich mal, nicht böse gemeint, absolut garnichts. Metallurgie (Herstellung) und Metallkunde (Wärmebehandlung, Metallographie, Prüfung) sind eine Wissenschaft und es dauert ganz einfach, bis alle Zusammenhänge verstanden werden können. Sich das selbst beizubringen ist so gut wie unmöglich. Selbst wenn du das könntest, benötigst du für die Praxisnahe Theorie (die Theorie über die Umsetzung der Lehrbuchtheorie) wieder Leute, die in Stahlwerken arbeiten UND gute Arbeit geleistet haben (in Form von Werkstoffentwicklung bis zum Verkauf).

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