Warum wir unser „seltsames“ Hobby haben

  • Ok, ich gebe es ja zu. :)


    Das einzige Messer was bei mir wirklich immer und überall dabei ist und zum Einsatz kommt ist mein Vic. Nomad.
    Ab und an auch ein Fixed. Kommt drauf an.


    Aber warum habe ich die vielen anderen Messer?
    Es ist die Technik die mich interessiert. Backlock, Linerlock, Slipjoint, Axislock, etc. Die verschiedenen Griffmaterialien. Der Selbstbau. Das Design.
    Und wenn ich auf einem Flohmarkt ein Vic. sehe, und sei es das fünfte Camper, das siebente Spartan, etc. nehme ich es mit. :)


    Ähnlich muss es wohl Frauen beim shoppen gehen wenn sie Schuhe oder Handtaschen sehen. :)


    Bin ich deswegen anders als andere mit ihren Hobbys?
    Bischen verrückt ja, aber nicht bekloppt.

    Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen Krieg, bis ich herausfand,
    dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hingehen
    müssen.
    (Erich Maria Remarque)

  • vielleicht ist alles eine Frage des Blickwinkels. Wenn ich fragen würde, wer eine Passion wie Messersammeln merkwürdig findet, dann würden sich ganz andere Sichtweisen auftun.


    Wir leben in einer "portionieren Gesellschaft", möchte ich hier zitieren, das Zitat ist aus dem Film -Fightclub-, der Hauptprotagonist sagt es, bevor sein Verstand Segel setzt und auf eine destruktive Reise geht.


    Alles wird portioniert angeboten, selbst Brot wird auf Wunsch in Scheiben geschnitten, Fleisch gibt es perfekt zugerichtet und lutschzart in Schalen aus Plastik und in Plastik eingeschlagen.


    In dieser Zeit scheint es normal zu sein, sich schlecht fühlen zu müssen bei allem, was immer normal war. Vielmehr scheint es normal zu sein, nur Grünzeug zu essen und Pillen schlucken zu müssen, um einigermaßen einen Allesfresserorganismus am Laufen zu halten.


    Die Gesellschaft entfernt sich immer mehr vom Natürlichen und lebt in ihrer glücklichen digitalen Scheinwelt, während man die Versorgung der "Akkugesellschaft" den Versorgungsprofis überlässt, die für das Beschaffen und Portionieren zuständig ist.


    Dieser Gesellschaft reicht ein Plastikmesser, um das ganze verkochte
    Grünzeug noch kleiner zu portionieren und wabbeliges Fleisch in Stückchen zu drücken.


    Wenn es auch für viele schwer zu glauben ist, das Messer kann man nicht einfach portionieren und als nicht existent deklarieren. Sämtliche Versuche dahingehend sind eigentlich untaugliche Versuche am untauglichen Objekt. Die Versuche sind untauglich, weil sie gar nicht flächendeckend ausgeführt werden können, das Messer ist das untaugliche Ziel, weil es uns seit kurz nach der Faustkeilzeit begleitet, es hat sämtliche Zeiten, Regierungsformen und Verbote überstanden.


    Ich denke nicht, dass der jetzige Gesellschaftszustand dem Messer etwas anhaben kann, der Bezug Mensch-Messer scheint mir mehr Ewigkeitsgarantie zu haben als ein bisschen scheinzivilisiertes Gebrabbel.


    Es geht hier vielmehr um ein Werkzeug, ohne dass wir nicht da wären wo wir sind.
    Sammler und Jäger waren wir, viel länger als wir uns in festen Gesellschaften etablierten, mit welcher Arroganz bilden sich Leute ein, das älteste, immer noch im Gebrauch befindliche Werkzeug, als schlecht einzustufen, nur weil sie eine Hausmauer und eine Heizung von der Natur trennen.
    Mit Verlaub, das ist eine trügerische Sicherheit, auf ein paar Steine und eine elektrische Wärmequelle zu vertrauen.


    Wenn man sich an einer blanken Klinge erfreuen kann, dann ist das nicht seltsam, es ist vielmehr der Sammler und Jäger in jedem, der weiß, das Messer ist Gewähr für Versorgung und Sicherheit. Wenn ich mehrere Messer habe, so ist das zwar keine Garantie für mehr Sicherheit oder Versorgung, aber Ersatz kann kein Fehler sein, Reserve war schon für Herrn Clausewitz unabdingbar.


    Messer sammeln, das ist eigentlich immer der zweite Schritt, sobald der Mensch sich an etwas erfreut. Die Beispiele hierfür sind Geschichte, sammeln ist eine menschliche Eigenschaft, der Zustand stellt sich ein, nachdem man warm hat und satt ist, also kein Grund darin etwas seltsames zu sehen.
    Seltsam finde ich vielmehr, das Verhalten von Verbrechern zu entschuldigen und gleichzeitig bei einem Messersammler die Reinkarnation von Jack the Ripper zu vermuten.


    Wir werden wohl mit unserem ewigen Begleiter auch diese Zeit überstehen, aus den imaginären Augen des Messers betrachtet nicht einmal ein Augenblick.


    Wenn ich den Professoren meines Sohnes Glauben schenken darf, der Mensch wird keine totale Überpopulation erreichen, es gibt anscheinend einen "point of return", wie immer das auch aussehen mag, das Messer wird immer dem Menschen zur Seite stehen.
    Wie sagte einst der Vater von Conan? "Nur dem Stahl kannst Du vertrauen".


    Viele Grüße


    Roman

    panta rhei

  • Roman, du schreibst ja nicht oft etwas (leider), aber wenn doch, dann ist das idR. stets sehr lesens- und denkenswert.


    Danke für die Ausführungen. Dem kann man nichts hinzufügen.


    Beste Grüße,
    Andy

    Member of the "outer Bunch..."

  • Ja, das ist ein sehr schöner Beitrag - aber ich bin ein wenig skeptischer....und vielleicht auch egoistischer.


    Mir mangelt es da vielleicht an philosophischer Gesamtbetrachtung, erst einmal sehe ich , was auf MEINE Generation konkret zurollt.


    Es ist in der Gesamtsicht natürlich tröstlich, daß das Messer wohl auf den Trümmern ideologischer Fehlversuche auch diese Widrigkeiten überleben wird und sich die Menschen dann nach dem Versagen realitätsferner ideologischer Wunschträume und nach einer Befreiung von Zwangserziehung wieder auf den Wert zuverlässiger grundlegender Werkzeuge besinnen werden.


    Aber Romans Vision impliziert ja erst mal genau diese Einsicht auf der Grundlage zerscherbter Wolkenkuckucksheime - und da drunter werde ich dann erst mal liegen, und ihr mit mir.
    So richtig befriedigend finde ich das nicht....


    Und daß man am Ende erkennen wird, daß das alles ein riesiger Mumpitz war, macht mich nicht zuversichtlicher, daß genau dieser Mumpitz nicht erst mal mit aller Gewalt weiter betrieben wird.
    Wäre ja keine Premiere, daß Kulturen mit geblähten Segeln durch Dekadenz und Degeneration in die Klippen gesteuert werden, obwohl man jederzeit vernünftigerweise auch vorher diese Klippen hätte sehen können.
    Es war ja auch kaum vernünftig (und ist momentan phasenweise hoffentlich erst mal wieder für eine kleine Spanne überwunden), daß unsere Gesellschaft in Kriege, Diktaturen, Wirtschaftskrisen und andere Unglücke gesteuert wurde.
    Ist ein schwacher Trost, daß man später einsehen wird, wie blöd das war, wenn man erst mal unter die Räder so eines Irrsinns gerät...


    Eine zunehmend verdummte, manipulierbare und schamlos manipulierte Gesellschaft macht mich einfach nicht optimistisch. Ein Beispiel: Man könnte heute in demselben Online-Magazin am gleichen Tag zwei Beiträge schalten. Beitrag 1: Plädoyer fürs Taschenmesserverbot, weil es da draußen angeblich von irren Schlitzern nur so wimmelt und man unsere Innenstädte einfach zu Hochsicherheitstrakten machen muß und es in Wirklichkeit alles total unsicher und gefährlich ist. Beitrag 2: Vorbereitungen zur Abschaffung des kleinen Waffenscheins, angeschoben von pflichtschuldigst trompetenden Gewerkschafts-Oberen im politischen Auftrag, weil es den Leuten ja am Vertrauen ins staatliche Gewaltmonopol mangelt und die Kriminalitätszahlen ja so toll zurückgegangen sind und es ja in Wirklichkeit alles sehr sicher ist.
    Fast keiner würde es merken, so gut wie keiner würde protestieren, und ändern würde sich an diesen Darstellungen gar nix.
    Noch eins drauf schaltet dann am besten dasselbe Online-Magazin einen Werbelink für ein Multitool mit feststellender Einhandklinge, das nicht mal 42a-konform ist, und ändert das auch nicht nach indezenten Hinweisen....
    Wenn diese ungute Melange aus irrationalem Blödsinn und versteckter Intention des Hilflosmachens der funktionsrelevanten Bürger so gut funktioniert und aus ideologischen Filterblasen so angeschoben und von willfährigen Erfüllungsgehilfen so bedenkenlos befeuert wird, dann hilft mir die Hoffnung auf Einsicht in ferner Zukunft erst mal wenig weiter bei der Angst, erst mal entrechtet zu werden, sorry...

    Einmal editiert, zuletzt von Micha M. ()

  • Micha, jetzt verstehe ich erst deine Affinität zu gutem Essen, Henkersmahlzeit an jedem Tag, bevor die Wolkenschlösser auf uns danieder prasseln.


    Ich wage ja schon gar nicht mehr etwas optimistisches zu schreiben im Angesicht des drohenden Verlustes aller meiner Rechte und der Apokalypse.


    Keine Sorge,es wird keine Aufzählung aller Fehlentscheidungen der Politik jetzt folgen.
    Wir haben die Römer, die Wikinger, die Kreuzzüge, diverse Pestepedemien, das Mittelalter, den dreißigjährigen Krieg und die folgenden 400 Jahre Krieg, despotische Könige und Kaiser, Herrschaften degenerierten Adliger, Religionsterror und was weiss ich nicht noch alles überlebt....mit unseren Messern.


    Und jetzt soll ich mir in die Hose machen wegen so ein paar schrägen Gestalten, das kann keiner von mir erwarten. Die verticken selbst soviel Waffen ins Ausland, dass wir unter den fünf größten Waffenhändlern zu finden sind und bringen unsere Kinder in Gummisäcken aus Kriegsgebieten heim, wo wir wirklich nichts verloren haben.


    Ich denke, die Anzahl meiner Messer und die Grösse des Messers, was ich mitnehmen will, ist meine Sache. Sie sollen dafür sorgen, dass die Messerstecher hinter Schloss und Riegel kommen, anstatt anständige Leute Fehler ausbaden zu lassen, die sie selbst begangen haben.


    Wenn meine Ansicht nicht ganz zur momentanen Gesetzeslage und Weltanschauung passt, dann ist das eben so, wir schaffen das schon.


    Viele Grüße


    Roman

    panta rhei

  • Hallo
    Bast hier und im Legions Einsatzmesser Beitrag (Geschichte und Geschichten)


    Vielleicht ist es das was manche abschreckt. Wir nehmen die Geschichten, Legenden, Storys, Anekdoten und lasen sie einfach nur das sein.
    Wir als Sammler Verherrlichen nicht das Drumherum. Wir nehmen es als Dreingabe. Ob wir es Glauben ; Anzweifeln oder nicht ist jeden selbst überlassen.
    Manches ist nachweisbar an Bilder, manches ist auch wiederlegbar. Wir nehmen es so wie es ist.....

    Wir Missionieren auch nicht. Ich habe noch nie versucht einen Menschen der Messer ablehnend gegenübersteht zu überzeugen.
    Erklären = Ja Überzeugen = Nein.


    Die Ausgeglichenheit, Innere Ruhe von Sammlern Schützen macht diesen Menschen angst. Angst war schon immer ein schlechter Ratgeber.
    Für mich ist Angst nur eine Körperreaktion um diesen vor Schaden zu schützen. Kein Ratgeber um zu leben.
    Wir vermenschlichen auch nicht Tote gegen stände. Ein Gegenstand kann nicht Gut oder Böse sein. Er kann für etwas Gutes oder Böses stehen oder Symbolisieren.
    Dieses liegt aber auch im unterschied des Betrachtes. Es gibt genug Beispiele wo ein Stück Stoff für das Böse Steht und Für andere das Gute / Bessere.


    Wir nehmen auch die Geschichte / History machen aber keine Hysterie daraus.


    Natürlich sind nicht alle Sammler gleich. Aber wir tolerieren viel mehr das anders sein als andere.


    Es gibt diesen schönen Spruch.
    Auf der anderen Seite des Zaunes ist der Rasen immer Grüner.
    Ich sehe das so
    Stimmt er ist Grüner. Aber so wie der da rüber schaut denkt er das Gleiche über meinen Rasen. So sehe ich das als Sammler.


    Was uns auch ausmacht ist das wir noch Werte haben. Nicht in Form von Vermögen, Besitz usw. Wir sehen Wert in Handwerkskunst, Verarbeitung, in der Geschichte und der Verwendung und vieles mehr. Anders kann man die Summen nicht erklären die wir bereit sind zu Zahlen.


    Danke an die vielen Guten Beiträge und Gedanken zu diesen Thema.
    Alleine das wir uns darüber Gedanken machen und versuchen es zu verstehen sind wir schon anders und in der Neuen Doktrin ist anders immer schlecht alle sind gleich und wer nicht gleicher ist wird gleicher gemacht und wenn es mit Gewalt sein muss.


    Gruß Brumbaer





  • Roman Danke für deine Worte, in den heutigen Zeiten in denen alle, egal welche politischen Richtung oder sonstiger Ausprägung das Armagedon hervorbeschwören tut es doch gut so was zu lesen. :thumbup:

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