Christian „BFG“, dessen Testarbeit ich sehr schätze, hatte mich – ja durchaus nicht unüblich bei einem „Patienten mit schwieriger Diagnose“ – um eine zweite Meinung zu seinem Kanetsune gebeten. Dazu mag beigetragen haben, daß er das ausgesprochene Pech hatte, jetzt schon zum zweiten Male in knapper zeitlicher Folge ein Messer in den Dimensionen ganz nach seinem Geschmack – starker zehnzölliger Allrounder nach Art großer Camp Knives – erwischt zu haben, das dann in seinen Tests „geschwächelt“ hat.
Dabei gehört es gerade zu den Eigenschaften seiner Anwendungstests, den Messern aus meiner Sicht nichts Abseitiges abzuverlangen, nicht so lange Zumutungen zu addieren, bis man – weit von realistischer Belastung – es endlich „geschafft“ hat, ein Messer kaputtzubekommen. Zwar schätze ich durchaus, einmal Belastbarkeiten festzustellen, die über durchschnittliche manuelle Einwirkung hinausgehen (sozusagen als beruhigendes „Polster“ in der Einschätzung dessen, was man dem Messer zumuten kann) – aber über die einschlägigen Dummheiten aus der Eishockeymaskenträger-Fraktion schmunzeln wir eben beide. Gerade aber Einsatzmesser oder auch Outdoorer, die als mordsrobuste Allrounder und zuweilen gar als „Doomsday-Tools“ beworben werden, müssen schon mehr abkönnen als die Primäranwendung eines Messers, bloßes Schneiden.
Das Video von Christian habe ich mir mehrfach angeschaut und habe nichts Unzumutbares darin gefunden, die Belastungen waren fast durchweg moderat – und bei der einzigen ernstzunehmenden Belastung, dem Spalten eines astigen Holzabschnitts mit dem Schlagholz, hat dann das Messer prompt versagt. BFGs Testmethoden halte ich noch immer für sehr sachkundig und aussagekräftig, das „Problem“ liegt in beiden Fällen eindeutig bei den Messern.
Das Kari, ich habe meinen Ersteindruck oben vorgestellt, ist eindeutig als Allrounder und robustes Camp-Knife konzipiert, anders sind Klingenform und insbesondere –stärke nicht verständlich. Das schließt dann allerdings auch die hinreichende Belastbarkeit gegenüber den Hebelkräften ein, die z.B. dabei entstehen, wenn ein verkeiltes Messer aus Spaltgut gelöst oder ein Messer, der ungeraden Faserstruktur astigen Holzes folgend, mit dem Schlagholz durch das Spaltgut getrieben wird. Dem hat das Kari bei Christian jedoch nicht wirklich standgehalten.
Auch die Spitze war in der ursprünglichen Form nicht robust genug, erst nach der Nachbearbeitung durch Christian hat sich eine Spitzenform ergeben, die nun auch – bei mir durchgeführt – energischem Bohren in einem Stamm ebenso standhält wie dem Aufprallen auf Spaltgut, das man lediglich mit dem Spitzenbereich trifft. Der neuen Spitze konnte ich jedenfalls nichts Destruktives mehr zufügen, auch nicht bei den erwähnten und durchaus provozierten Belastungen.
Das Messer hackt ordentlich, jedoch nicht überragend. Enttäuscht hat mich der Griff, von dessen hinterer nach unten verlaufender Verbreiterung ich mir gerade in diesem Anwendungsbereich mehr versprochen hatte.
Bei Vergleichen mit meinem Lieblings-Zehnzoll-Allrounder, dem Becker BK 9 (noch aus der Camillus-Produktion und aus 0170-6C / Carbon V) ergab sich im reinen Hackergebnis beim Durchtrennen eines armdicken Stamms nur ein leichter Vorsprung des Becker (meinen Marine-Raider, der durch gerade Haumesser derselben Länge nur schwer zu übertreffen ist, hab ich lieber an der Wand gelassen…), dafür ein großer in der Haptik und im subjektiven Eindruck des Handlings. Was das Kanetsune auf der ergonomischen Seite einbüßte, holte offenbar die beachtliche Schärfe des Messers teilweise wieder heraus.
Das Handling mit dem weit hinten am breiten Teil gehaltenen Griff war relativ enttäuschend, das Messer neigte zum Verkanten und hielt sich insgesamt mit einem subjektiv deutlich „unsichereren“ Gefühl für Halt und Richtungsgebung als beim Becker.
Anschließend wurden die erarbeiteten Abschnitte des Stamms längs einmal gespalten, beide Messer wurden jeweils erst mit einem Holzklotz in das Spaltgut getrieben, danach wurde das Spaltgut am Messer auf eine Unterlage geschlagen, bis es gespalten war.
Auch hier zeigte das etwas dünnere und vor allem viel höher angeschliffene Becker eine bessere „Performance“ als das Kanetsune.
Das anschließende freihändige Zerteilen der gewonnenen Hälften lief etwa gleichauf.
Schließlich habe ich noch aufrechtstehendes Stangenholz im freihändigen diagonalen Hieb gekappt – mit dem Becker konnte ich dabei kraftvoller zuschlagen, offenbar wiederum aufgrund der besseren Handlage.
Das Kanetsune hat alle Versuche schadlos überstanden, auch das relativ kraftvolle Spalten der Holzklötze mit dem eingeschlagenen Messer hat keinerlei neue Schäden erzeugt. Nach allem Hacken und Schneiden waren keinerlei Ausbrüche in der Schneide erkennbar. Und die hat ihre Schärfe ganz beachtlich gehalten.
Insgesamt liegt für mich die Stärke des Kanetsune Kari ausgesprochen in der Primäranwendung eines Messers, dem Schneiden. Das sollte man selbstverständlich nicht vernachlässigen! Viele Tests schieben ja gerade DEN Bereich, der 90 v.H. der Anwendungen ausmachen kann, sozusagen in den sekundären Bereich. Die Schneidlage des Kari hält offenkundig ihre beachtliche Schärfe sehr gut, das Messer schneidet auch nach diversem Hacken sehr gleichmäßig und gut.
Allerdings brauche ich für DIESE Arbeiten fast nie einen massigen Zehnzöller und auch keine 6 mm Klingenstärke. Und im Camp-Knife-Bereich würde ich das nicht einmal halb so teure Becker BK 9 auf jeden Fall individuell vorziehen.
Noch ein Wort zur Scheide: Die hat durchaus pfiffige Gestaltungsdetails, insbesondere auch einen zusätzlichen Niet, an dem man das Sicherungsriemchen geöffnet anknöpfen kann, um es der Gefahr der Kappung durch die Schneide zu entziehen. Das hat mich beeindruckt.
Andererseits ist die Materialqualität m.E. eher schlechter als z.B. bei Kizlyar oder Blackjack. Weniger dürfte es bei einem Messer dieser Preislage auf keinen Fall sein.
Unterm Strich: Christian scheint sich gerade einen Bereich ausgesucht zu haben, in dem der japanische Hersteller nicht so recht zu überzeugen vermag. Für ein Camp Knife zu empfindlich, für eine große „Schneidmaschine“ zu massig und falsch geformt. Mit DIESER Schneidleistung würde ich mir entweder einen kleinen User wünschen – oder ein großes Messer wie ein O-Tanto, ein Wakizashi oder einen anderweitigen großen Fighter, in dessen Anwendungsbereich weniger Mißbräuchliches auftauchen kann.
Das Kari würde bei mir individuell im Vergleich zum Becker oder auch zum ebenfalls nur halb so teuren Marine Raider als Camp Knife immer verlieren – und als schneidleistungsstarker großer Fighter müßte das Messer für mich einfach anders aussehen.