Herr Boegens hat mir freundlicherweise zunächst ein Lindblom 4000 zur
Verfügung gestellt. Schon dieses Messer hat mich angesichts seines
Praxisnutzens und des Preis-Leistungs-Verhältnisses ziemlich beeindruckt. Ich
habe es Kollegen bei Durchsuchungen als Durchsuchungshilfsmittel ausgeliehen,
wir verwenden es danach seit Monaten in Haus und Garten – und insbesondere die
Handlage und die Schneidleistung haben mich bei einem Messer erstaunt, das
insgesamt weniger kostet als ein TekLok eines meiner Einsatzmesser. Von einer
allgemeinen Empfehlung hat mich bei diesem Modell nur die Scheide abgehalten,
die lediglich eine Art Aufbewahrungsbehälter in einer abstrahierten ungefähren
Form des Messers darstellt, in der das Messer aber heftig wackelt und klappert.
Gerade das führt schnell zu einer grundsätzlichen Unterscheidung der –
nennen wir es mal so – „Tragephilosophie“ von Gebrauchsmessern. Viele von uns
führen EIN Messer bei allen Gelegenheiten, haben es ständig dabei, meist am
Körper geführt, und verwenden es universell – eben als „Allrounder“ und „EDC“.
Daneben ist es aber auch nicht unüblich, Gebrauchsmesser an „strategisch“
günstigen Stellen zu deponieren und dort dann bei Bedarf aufzunehmen und im
entsprechenden Bereich einzusetzen – mag das das Reservemesser im Rucksack
sein, in der Angeltasche, das Messer im Handschuhfach des Pkw, im Keller oder
im Gartenschuppen oder dem Balkonregal.
Dazu kommt bei mir z.B. das Vorhalten eines Reservemessers in der
Gerätetasche oder ggf. sogar einer gewissen Anzahl von Messern als
Einsatzleiter, um die häufig ohne zureichende Ausrüstung herumlaufenden
Mitstreiter „arbeitsfähig“ zu machen, wenn im Arbeitsverlauf etwas
aufzuschneiden ist (…was bei uns schon relativ häufig vorkommt…).
Gerade hier punktet natürlich ein Messer, das wenig kostet, wenig wiegt
und ohne große Reue zerstört oder verloren werden kann.
Deponiert man ein Messer im Pkw, ist es meist entweder für den
schnellen Zugriff nicht geeignet – oder wird von außen ggf. gesehen. Das
sichtbare Aufbewahren eines teureren Messers scheidet aber fast schon aus, um
nicht unnötige Aufbruch- und Diebstahlanreize zu schaffen.
Zudem gibt es auch Tragesituationen (z.B. beim Joggen oder Radfahren),
bei denen man häufig ein möglichst leichtes Messer vorzieht – und das sind die
Lindbloms im Vergleich zu meinen sonstigen ERs oder BS allemal.
Gerade in diesen geschilderten Bereichen sehe ich den Nutzen von Messern
wie den Lindbloms und den Moras für Anwender, die eigentlich höherpreisige
Messer kaufen und verwenden – nicht als völligen Ersatz, sondern als sinnreiche
Ergänzung, als einzusetzendes Messer für einen bestimmten Bereich oder
bestimmte Gelegenheiten. Teilt man diese Einschätzung, schmunzelt man natürlich
ein wenig über die „Konkurrenzdiskussion“ der Vergangenheit…
Daneben muß man anerkennen, daß es eine große Zahl von Anwendern gibt,
die auch für ein mitzuführendes Messer, einen wirklichen „Allrounder“ für den
für sie realistisch in Frage kommenden Bereich des gesamten Anwendungsspektrums
KEINE zighundert Euro ausgeben wollen oder können. Die suchen ein Messer für
den Berufsalltag oder die Wochenend-Wandertour – ganz „profan“ nicht für das
Fällen von Bäumen oder als Steighilfe beim Entern von Felswänden, sondern für
das Schneiden von Seilen und Folien, Wurst und Schinken, den geschnitzten
Stock, die auszunehmende Forelle oder die zu öffnende Blisterpackung…..Und die
haben KEINE emotionale Verbindung zu diesem Werkzeug, sondern gehen damit um
wie mit einem Schraubendreher oder einer Haushaltsschere. Auch diese Anwender
haben aber etwas Brauchbares und Praktisches „verdient“!
Auch hier ist die „Konkurrenzdebatte“ völlig verfehlt. Diese Anwender
werden kein 500 €-Messer erwerben, ihre „Schmerzgrenze“ für den
Gebrauchsgegenstand Messer liegt weit darunter, auch hier ist also keine
Notwendigkeit für einen Glaubenskrieg.
An dieser Stelle – sozusagen vorab vor dem näheren technischen Blick –
hier zur Klarstellung: Alle Moras und Lindbloms, die ich bislang in der Hand
hatte (…auch diejenigen, mit denen ich technisch völlig zufrieden war….) haben
mich emotional nicht wirklich berührt, sie sind wirklich Gebrauchsgegenstände
wie der zitierte Schraubendreher (…oder übrigens auch ein SAK…) – aber sehr gut
funktionierende! Daher ist auch meine Zufriedenheit (…man wird sehen, warum…)
überhaupt kein Grund, mit dem Kauf von Customs oder bestimmten Serienmessern
aufzuhören, die mich aufgrund meiner jahrzehntelangen Beschäftigung mit dem
Thema begeistern und die ich mir sozusagen aus „Jungenstolz“ als Neuerwerbung
quasi abends nebenmein Bettchen lege.