Die waffenrechtliche Beurteilung von Messern als mögliche Hieb- und Stoßwaffen ist nach einhelliger Auffassung vieler Waffenrechtsfachleute deutlich schwieriger als die rechtlichen Abgrenzungen bei Schußwaffen. Bislang hat erfreulicherweise das BKA eine noch halbwegs übersichtliche Linie gefahren und sich neben einer klaren „Herstellerzweckwidmung“ an wenigen objektiven Kriterien orientiert – insbesondere der Zweischneidigkeit.
Und genau dort kommt der nach meiner Meinung absolut verurteilenswerte Einfluß des Ostgathe-Aufsatzes ins Spiel. Ich möchte dem Kollegen nicht unterstellen, absichtlich in vorauseilendem Gehorsam den z.B. in der „Berliner Initiative“ vertretenen Gedanken auszubauen, man könne Messer weit über die grundlegenden und seit Jahrzehnten beim BKA bewährten Unterscheidungen hinaus in „böse“ und weniger böse Messer unterteilen. Jedenfalls erzielt er aber durch seinen Aufsatz in der praktischen Umsetzung genau dieses Ergebnis. Man sollte ihn fragen, ob er das so gewollt hat.
FALLS er es so gewollt hat, sollten seine Unterscheidungskriterien etwas taugen und einer fachkundigen realistischen Betrachtung standhalten. Das sehe ich so nicht. Es grenzt an Realsatire, wenn uns die GLEICHEN Politiker erzählen, Bundeswehrsoldaten in AFG seien ja primär flecktarntragende Brunnenbohrer und Schulenbauer – einem Gebrauchsgegenstand mit grüner oder Camobeschichtung aber grundsätzlich unterstellen, ohnehin primäres Mordwerkzeug zu sein. Ach, die Bundeswehr hat keine Werkzeuge, nur Waffen?? Es ist völlig abwegig, jedes Armeemesser auch als Waffe verstehen zu wollen.
Eine grün gestrichene Taschenlampe wird damit dann nach der „Ostgathe-Logik“ zur Waffe? Dann laß ich meinen Kleinwagen oliv spritzen, dann ist er ein Panzer.
Erstens wird durch eine Einbeziehung von Finish in die Waffenbeurteilung der normale Anwender heillos überfordert. Zweitens werden diverse wichtige Faktoren verkannt:
Beschichtungen erfüllen materialtechnische Zwecke, insbesondere Korrosionsschutz
Reflektionsmindernde Beschichtungen machen auch in Anwendungsbereichen Sinn, in denen das Messer nicht als Waffe gegen Menschen vorgesehen ist, z.B. im naturbeobachtenden Bereich bei Gebrauchsgegenständen wie Messern, Ferngläsern usw. – oder sogar im polizeilichen Bereich, in dem das Messer ausdrücklich AUSSCHLIESSLICH als Einsatzwerkzeug und NICHT als Waffe bestimmt ist.
Und insgesamt ist der gesamte „Tactical“-Look mit Beschalung und Beschichtung sowie entsprechenden Scheiden usw. heute in der Breite längst keine Frage der konkreten „Herstellerzweckbestimmung“ des Messers mehr, ebensowenig übrigens eine Frage einer möglichen „Anwenderzweckbestimmung“ (die nur als Tragegrund eine Rolle spielen würde, nicht für die waffenrechtliche Eigenschaft): Längst ist „Tactical“ eine Stilrichtung, eine Geschmacksfrage, die mit der konkreten Anwendung des Messers immer weniger zu schaffen hat. Und anderseits haben legendäre Kampfmesser wie z.B. MercWorx oder Randall ein ziemlich „untaktisches“ Erscheinungsbild.
Was taugt da also rechtlich belastbar und als Grundlage für einschneidende Grundrechtseingriffe die Frage nach dem Finish? M.E. wenig bis nichts…
Und dieses „Spielchen“ könnte man mit allen aufgeführten technischen Kriterien mühelos fortsetzen, ob es die Rutschfestigkeit der Griffmaterialien ist, die heute vernünftigerweise längst ein allgemein spartenübergreifend beliebtes Feature ist, oder ein wirksamer Handschutz, den man z.B. auch an Arbeitsmessern für härteren Gebrauch oder – besonders ausgeprägt – z.B. auch an Rettungswerkzeugen findet. Ist das ASEK primär eine Waffe?? Unsinn!
Andererseits kenne ich Kampfmesser, die gezielt ohne Handschutz hergestellt werden (man lese nach bei James Williams über sein Hissatsu…) oder die sehr schöne glatte Griffmaterialien aufweisen (z.B. bei Al Mar).
Da will der Herr Ostgathe also eine Entscheidungshilfe anbieten, stiftet aber im Ergebnis vermutlich erst mal nichts als Verwirrung. Fatalerweise gibt er dem Kontrollbeamten damit aber wirklich erst mal denAnreiz, das „böse schwarze Messer“ sicherzustellen, weil er ja mal gelesen hat, das könne eine Waffe sein. Und möglicherweise liest der Amtsrichter auch in dem schönen Aufsatz, ebenfalls kein Messerfachmann, und bildet sich eine Meinung….
All das – zurück zur Kontrolle – kann man aber dem Polizisten nicht vorwerfen und ihm abverlangen, vor Ort mehr Durchblick zu entwickeln als die zitierten Fachleute. Also wird er vermutlich sicherstellen und verkennt damit die Sachlage nicht in vorwerfbarer Weise. Die Details klären sich im Verfahren (s.o.). Ohne Häme gegen Jurastudenten oder Leute mit partiell angelesenen Rechtskenntnissen mit und ohne Anführungsstriche: Die „Profis“ unter uns haben einschlägige Erfahrung sowohl mit „Neunmalklugen“ als auch mit der Fraktion „Ey, das darfssu nich, Meista!“ – die verlieren fast immer.
Sachlichkeit punktet, vor Ort wie im weiteren Verfahren. Und dabei hat man sich zunächst mit der Polizei auseinanderzusetzen, zuerst in der Kontrolle, dann als zuständige Verwaltungsbehörde, wird man sich da nicht einig, mit dem zuständigen Amtsgericht – und dann ggf. weiter im Verfahren…Und dann wird es darauf ankommen, ob die Sache vom 42a erfaßt wird – wird sie es, wird man klären müssen, ob der 42a wirklich rechtmäßig ist.
Und das – zurück zum Anfang – werden wir nicht dadurch klären, daß wir uns hier weiter in der Art der letzten zwei Seiten dieses Threads unter uns munter im Kreise drehen.
Also zu damit.
Das alles ist selbstverständlich ausschließlich meine persönliche Meinung und drückt meine Überlegungen für den eigenen Kontrollfall aus, es ist KEINE Rechtsberatung!