Eins vorab: Vom Ranger bin ich auch nicht wirklich überzeugt - aber noch viel weniger von diesem "Review", das sich nicht einmal den Anschein geben möchte, objektiv zu sein und Vor- und Nachteile bestimmter Gestaltungen gegeneinander abzuwägen. Ein (geplanter?) Verriss - und damit imo ungeeignet, zur Meinungsbildung über dieses Messer beizutragen.
Ich stelle mir das Ding - von Marcel Reich-Ranicki vorgelesen - quasi parallel in einer Version über das USMC-Kampfmesser etwa so vor: "Ein lieblos ausgeschnittenes Stück Dosenblech, wegen seines einzigen potentiellen Nutzens zum Nägelreinigen besser im Reisenecessaire rustikalen Landvolks aufgehoben als am Gürtel der kämpfenden Truppe. Ein Wunder geradezu, daß der Gebrauch dieser metallischen Manifestation menschlichen Versagens beim Gebrauch in der Truppe überhaupt das Entstehen von Veteranenverbänden zugelassen hat. Weggestorben wie bei der Großen Pest im Mittelalter müßten die sein, die ihr Leben dieser schöden Eisenerzvergeudung je anvertraut hätten...." ....und so weiter.....Süffisant und einigermaßen unterhaltsam, aber nicht wirklich informativ.
Ich mag mich kaum mit dem ganzen Geplänkel über die Umstände des Zustandekommens und die Beteiligung, in welchem Maß oder welcher Funktion auch immer, von aktiven oder ehemaligen Fernspähern aufhalten. KSK'ler hängen sich nicht unbedingt ein Firmenschild um, abgesehen davon wimmelt der Markt von Modellen, die "Ranger", "Special Forces", "Recon" oder "SWAT" heißen - und nicht Ordonnanzwaffe geworden sind, sondern allenfalls von einigen Truppenangehörigen selbst gekauft werden. Schlimmstenfalls schenkt man ihnen ein paar Exemplare und hofft auf schöne Fotos. Und selbst die Einführung als Ordonnanzwaffe ist nicht wirklich aussagekräftig - sonst müßte ja das putzige "Bundeswehrkampfmesser" tatsächlich ein herausragender Fighter der 70er gewesen sein. Damit geraten derartige Diskussionen zu einem separaten Nebenkriegsschauplatz ohne jeden Aussagewert über den Wert des Messers.
Darüber hinaus aber grundsätzlich in Abrede zu stellen, daß es Sinn macht, erfahrene Anwender mit einer Vielzahl von Erfahrungen auch im robusten, belastenden und umfassenden Gebrauch eines Messers in die Detailgestaltung eines neuen Modells einzubinden, ist schlichtweg dummes Zeug. Die beteiligten SE-ler müssen ja nicht den Entwurf von Grund auf gestalten (wohl wahr...), können aber auf jeden Fall wertvolle Hinweise zu Detaillösungen beisteuern. Professionelle Gestaltung ist stets anwenderorientiert, das gilt vom Pkw bis zur Tütensuppe - warum also meint Kristof da, die Einbindung von SE-lern "müsse zur Vorsicht mahnen"? Also Schluß damit.
Was sagt den Kristof aber nun zur technischen Gestaltung?:
Zunächst einmal hält er 250 g für ein knapp 25 cm langes Messer für "absurd" schwer, obwohl es sich dabei um ein absolut gängiges Einsatzmesser-Gewicht in dieser Größenklasse handelt. Fehlt ihm der Vergleich? Wenn mit dem Messer tatsächlich alle im Aufklärungseinsatz anfallenden Werkzeuganwendungen erledigt werden sollen, z.B einschließlich Hacken zur Sicht- und Schußfeldbereitung, Unterstandbau usw. müßte man doch praxisorientiert - was Kristof für sich in Anspruch nimmt - eher überlegen, ob das Messer nicht zu kurz und leicht dimensioniert und zu fragil ist - und nicht umgekehrt.
Er erwähnt die legale Führbarkeit (wg. Gesamtlänge und fehlendem oberen Anschliff) sowie die nach seiner Meinung völlig verfehlte Aufteilung in glatten und Wellenschliff, wirft aber nicht die absolut naheliegende Frage auf, ob die offenkundige Orientierung am zivilen 42a bei gleichzeitigem Anspruch, ein SE-Messer zu gestalten, nicht vielleicht gerade ausschlaggebend für die ganze möglicherweise zweifelhafte Aufteilung war. Ein Wellenschliff auf der Oberseite - wie beim GTK wäre ja hier wirklich die bessere und naheliegendere Lösung gewesen.
Auch die beschriebene Reduzierung der Durchstichleistung ist wenig konsequent dargestellt. Es stellt sich doch viel eher die Frage, warum man auf eine untere Tantoform zurückgreift, wenn man die Klinge vorn bis auf 2 mm ausdünnt. DADURCH büßt man die Spitzenstabilität ein, die üblicherweise herausragendes Merkmal von American-Tanto-Formen ist.
Und die Wechselwirkung von eingemitteter Spitze, fehlendem Rückenanschliff und verminderter Penetrationsleistung ist nachlässig dargestellt und hinterfragt. Das Einmitten ist für die Penetrationsleistung durchaus nicht kontraproduktiv und führt zu einem ruhigeren Stichverlauf (kein Abkippen beim Auftreffen der Spitze). Der Verzicht auf den Rückenanschliff führt aber zu einem Auswandern der Mittelachse in Richtung der schneidenden Seite, da der Stichkanal sich auf Klingenbreite nur zu dieser Seite hin verbreitert, zumindest bei widerstandsfähigem Schneidgut.
Auch hier wird die sich eigentlich aufdrängende Frage, ob man dem 42a hier nicht technische Leistungsfähigkeit geopfert hat, nicht einmal gestellt.
Die in vielen Details durchaus nachvollziehbare Kritik an der Klingengeometrie des Messers bzw. die Aufteilung in glatten und Wellenschliff wird durch übertriebene Aussagen teils wieder entwertet oder unglaubwürdig gemacht: Warum soll denn bitte schön eine halbhoch angeschliffene American-Tanto-Klinge „in keinster Weise geeignet“ zur Nahrungszubereitung sein? Die Nahrungsbereitung mit derartigen Messern konnte bislang mein Übergewicht nicht reduzieren, die Menge derart zubereiteter Nahrung würde vermutlich ein ganzes Rudel der sehnigen Burschen durch einen langen Einsatz bringen…
Warum sich Böhler N 695, das in den wesentlichen Eigenschaften dem 440C entspricht, gegen jeden Schärfungsversuch wehren soll, erschließt sich mir nicht.
Die Schlußfolgerung, das „Auseinanderklaffen“ der Kydexscheide würde Zweifel am dauerhafen festen Halt des Messers aufkommen lassen, läßt wiederum bei mir Zweifel aufkommen, ob sich Kristof die Funktionsweise solcher Scheiden erschließt. Gerade dieser federnde Andruck des beim Ziehen aufgespreizten oberen Teils hält ja das Messer ohne weitere zusätzliche Sicherung. Das Tipup-Tragen durch dieses Aufspreizen auszuschließen, ist oberflächlich – Kriterium ist hier stumpfweg der Ziehwiderstand.
Ich hab Kydexscheiden von Werner, die ebenfalls bei Ziehen einigermaßen gespreizt werden – und die müßte man vermutlich nach Sprüngen von SEHR hohen Balkonen nachträglich aus der Scheide an meinem zerschellten Kadaver herausziehen…
Einteilige Kydexscheiden sind zugegeben auch nicht meine Lieblingslösung, auch wenn sie schmaler sind als zweiteilige. Ich würde Kristof aber gern zeigen, wie man auch so etwas mit Paracord oder Kabelbindern schnell und sicher an einem Molle-Träger oder einer Schußweste fixiert, mit meiner ebenfalls einteiligen GTK-Kydexscheide geht das jedenfalls problemlos selbst bei mir, der sich mit Konfetti und Jubelrufen schon für eigenes Anschließen einer Wohnzimmerlampe feiern läßt.
Insgesamt finden sich in dem Review viele interessante Ansatzpunkte für kritische Überlegungen, es wird in seinem Informationswert und seiner Glaubwürdigkeit aber für mich durch einen sehr tendentiösen Charakter und diverse Übertreibungen ebenso weitgehend entwertet wie durch einige nach meiner Meinung offensichtliche technische Fehlbewertungen.