Volle Zustimmung, Kanif.
Außerdem glaube ich – wie gesagt – daß wir teilweise hier aneinander vorbei diskutiert haben.
Natürlich kann man Militärmesser in Lederscheiden anbieten. Es wäre ja unsinnig, Jahrzehnte der Erfahrung mit dem Fairbairn-Sykes, dem SOG Bowie, dem KA-BAR Combat Knife und natürlich den Generationen der Randall-Fighter in Bausch und Bogen zu verwerfen. Für bestimmte militärische / polizeiliche Sonderanwendungen kann eine GEEIGNETE Lederscheide sogar die bessere Wahl sein, weil sie Ziehgeräusche vermeidet, vor allem aber Kontaktgeräusche beim Berühren durch Umgebungsgegenstände, andere Ausrüstung usw. Die Entscheidung des SEK NRW für Cordura statt Kydex für ihr AF-Black ist da erhellend.
Aber die Scheide muß eben ins Gesamtkonzept des Messers passen und für militärischen Gebrauch geeignet sein. Nein, mehr noch, sie muß nicht nur irgendwie geeignet sein, sie muß ihren Job auch noch möglichst optimal erledigen, um sich im breiten Angebot "taktischer Messer" noch irgendwie positiv positionieren zu können. Und seit den 40ern bis 70ern, aus denen die Konzeptionen dieser Scheiden stammen, hat sich im Bereich militärischer Ausstattung, Ergonomieforschung und auch dem Ausstattungsstandard taktischer Einsatzmesser eben auch allerhand getan. Wer dazu einmal Details sehen möchte, dem sei ein Besuch auf der HP von Extrema Ratio empfohlen, einem diesbezüglich beispielhaften Profi-Ausrüster, der viel Arbeit in die Optimierung von Messern und Scheiden investiert und dabei neben umfangreichen eigenen Versuchen z.B. auch mit Instituten zweier Universitäten kooperiert.
Die Lederscheide auf den Abbildungen im TF, die für ein im Zivilbereich eingesetztes Messer eine durchaus akzeptable und praktische Lösung darstellt und sich im Anwendungsspektrum des GEK ja auch bestens bewährt hat, erfüllt diese Voraussetzungen im militärischen Anforderungsspektrum leider nicht:
In den Oberrand der Köcherscheide wird man beim Zurückstecken des Messers bald einschneiden. Da man das Messer auch nicht entlang des oberen Randes an einem ungeschärften Rücken zurückführen kann, wird man im längeren Gebrauch vermutlich auch bald in den unteren Rand / den Bereich der Lasche einschneiden. NATÜRLICH kann man Dolche in Lederscheiden stecken. Dann sollte Eickhorn aber vielleicht mal Herstellern wie Kizlyar über die Schulter schauen, die natürlich bei Stalker oder KO-2 die Scheide am Mund auf beiden Seiten mit Nieten versehen, um das jedem Praktiker bekannte sonst fast unvermeidliche Geschnippel auszuschließen.
Der tiefe Sitz in der Scheide läßt ein Ergreifen des ganzen Griffs beim Ziehen nicht zu, man muß also zwangsläufig im Ziehen nachfassen und hat das Messer nicht sofort beim ersten Ergreifen stressfest in der Hand.
Vermutlich wird die nur auf einer Seite angebrachte Gürtellasche nur das Durchführen normaler bis mittlerer Gürtel zulassen - ich befürchte das jedenfalls. Einsatzkoppel haben eine Breite von 45 - 55 mm. Eine mit Druckknöpfen gesicherte enge Schlaufe wird sich beim seitlichen Hebeln am Messer (durch Hängenbleiben des unteren Messerteils an Umgebungsgegenständen, im Fahrzeug usw.) u.U. aufdrücken, außerdem sitzt das Messer beim Tragen am Koppel auf 3 Uhr so hoch, daß es oben mit dem Griff ständig gegen Schutz- und Materialwesten drücken wird. Sitzen im Fahrzeug mit Schussweste oder Splitterschutzweste bei so einem Messersitz verleidet einem das Tragen am Koppel, ich weiß durchaus, wovon ich da rede. Wir wollen doch jedenfalls hoffen, daß zumindest eine gerade Schlaufe angebracht ist und nicht ausschließlich eine Diagonalschlaufe, die nur in EINER Trageposition Sinn macht....
Ich habe keine Vorstellung, wie weit ich mich bei dieser Scheide auf einen sicheren Sitz tipup verlassen könnte, jedenfalls nicht ohne die Zusatzsicherung des Druckknopfs. Öffnet der sich bei stärkerem Zug am Messergriff selbständig? Muß ich beim Zurückstecken des Messers bei Tipup-Trageweise dann in Einsatzhandschuhen zum Schließen wieder am Druckknopf fummeln, statt es einfach in die sichere Rast der Kydexscheide stecken zu können? Man KANN ja eine Einsatzmesser-Lederscheide für ein einschneidiges Messer selbst als Köcherscheide so bauen, daß es dieses Gefummels nicht bedarf und man das Messer trotzdem sehr sicher tipup tragen kann. Herr Peltonen macht das mit seinem Sissipuukko beispielhaft vor, auch er eben mit langjähriger praktischer militärischer Erfahrung gesegnet.
Vor allem läßt die Scheide aber viele Trageweisen gar nicht zu, weil die Gürtelschlaufe die einzige Befestigungsmöglichkeit ist und nicht mal auf die andere Seite umgesetzt werden kann. Wie soll ich denn in DIESER Scheide das Messer z.B. als Rechtshänder tipdown mit der Hauptschneide nach vorn tragen, um es reverse zu ziehen - eine sehr gängige Trageweise. Wie soll ich es als Rechtshänder tipup an den Gürtel machen, um es unter Jacken- oder Westensäumen auf engem Raum hervorzuziehen. Erstens kann ich den Griff nicht fassen, zweitens liegt der Verschlußknopf auf der falschen Seite, dritttens müßte ich es HINTER den Gürtel stecken, weil die Befestigungslasche nicht umsetzbar ist. Tolle Lösung!
Man kann ja nicht einmal die Spitze der Scheide mit irgend etwas fixieren, um bei verschiedenen Trageweisen, insbesondere tipup, ein Pendeln der Spitze auszuschließen, z.B. an der Einsatzweste. Und was ist mit der heute fast selbstverständlichen Linkshändertauglichkeit?
Kurzum: Die Scheide meines Kizlyar Stalker, meines Al Mar SOF Attack oder meines SOG Recon Bowie würde ich jederzeit mit in den Einsatz nehmen, sehe aber auch bei ihnen bei aller netten Nostalgie ergonomische und technische Nachteile gegenüber professionellen modernen Kydex-Lösungen oder Kombischeiden.
DIESE Lederscheide kommt mir nicht ans Koppel!