Posting 2:
Es ist immer wieder eine gute Sache, mich mit meinem Freund Eberhard „Ama-Ebi“ über unsere gemeinsamen Interessen auszutauschen – zu denen neben gutem Essen und Kochkunst eben insbesondere Kampfmesser und Blankwaffen gehören. Zuweilen kumuliert das zu einem „Arbeitsessen“ mit einem Tisch voller Leckereien, aber auch Zeichnungen, Eberhards tollen Holzmodellen, diversen Vergleichsmessern…friedliche und angeregte Fachsimpelei zwischen scharfen Saucen und scharfen Klingen…
In der letzten Zeit haben wir beide uns ja mit entsprechenden Projekten beschäftigt: Während ich mein „Tiger“-Projekt langsam vorangebracht habe, hat Eberhard sein beeindruckendes „HDZI“ entwickelt, der Meinungsaustausch dazu hat (hoffentlich) beide Projekte gefördert, meines auf jeden Fall. Insbesondere bei der Beschäftigung mit dem HDZI-Entwurf haben wir aber wieder einmal bemerkt, wie vielfältig die Formgebung europäischer, insbesondere aber auch ostasiatischer Blankwaffen ist. Andererseits werden aber gebrauchstüchtige Exemplare interessanter Blankwaffen meist entweder von den häufig auf Messer-Mainstream fixierten großen Anbietern nicht gefertigt, sind in belastbarer Einzelanfertigung zuweilen sehr hochpreisig (BS war da mit dem HDZI eine sehr angenehme Ausnahme!) oder weisen in den ostasiatischen Originalversionen und von dortigen Händlern für hiesigen Gebrauch untaugliche Formgebung von Griff und Scheide und außerdem viel zuviel Zierrat auf.
Konkreter wurden diese Überlegungen bei Recherchen im Nachgang zur Beschäftigung mit aufwärts geneigten Persian- oder Scimitar-Formen. Wir haben ja zeitweise beide einen Al Mar Warrior besessen, Eberhard hat dazu ein sehr lesenswertes Review verfasst (Geschichte und Daten des Al Mar Warrior), in dem er auch auf Entstehungsgeschichte und Hintergründe dieses Messers eingeht.
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Bei Recherchen zu diesem Thema bin ich dann auch auf Artikel gestoßen, die sich mit der Formgebung des Messers kritisch auseinandersetzten und in denen der Ansatz vertreten wurde, die Formgebung der Hauptschneide sei zwar günstig für bogenförmige Schnitte, auch folge das Messer durch seine Form wie von selbst entsprechenden Schwüngen (was ich allerdings bestätigen kann…) – andererseits zeige die Klingenspitze für Stöße bei ergonomisch günstiger Gelenkhaltung eher in die falsche Richtung, nämlich vom Ziel weg, und zudem gefährlicherweise auch noch zum Anwender hin. Abwehrtechniken, die auf den Anwender das eigene Messer lenken, sind ja hinlänglich bekannt…
Worauf das hinausläuft, ist klar: Klingenbiegung okay – aber in die andere Richtung, sprich neudeutsch: Hawkbill. Diese Form kennen wir ja sicher von den gleichnamigen Messern alle, sie ist als Sichel eine der ältesten Klingenformen und weltweit verbreitet, in kleinerem Format wird sie als Hippe und unter anderen Bezeichnungen sehr verbreitet genutzt. Aber auch als Fighter sind abwärts gebogene kleinere Klingen (mittlerweile) sehr anerkannt. Fast alle hier gängigen Karambits greifen darauf zurück, aber auch sehr wirksame Messer ohne Griffring – wie z.B. das Spyderco Civilian oder das Hawkbill-Backup von Al Mar. Auch die BS-Raptoren machen sich ja mit ihrer „Unterspitze“ und Recurve- Hauptschneide hinsichtlich ihrer Schlitzwirkung letztlich das gleiche Prinzip zunutze.
In größerer Ausführung wird das Angebot aber drastisch dünner, obwohl interessanterweise Kopis oder die große „Falcata“ auch in Europa traditionell bekannte Klingenformen sind. Es hat mich allerdings fast nicht gewundert, auf szaboinc. com eine „Schlachtensichel“ zu finden, Lacy Szabo ist immer wieder eine Quelle der Inspiration.
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(hier als Proto, noch nicht fertig bearbeitet)
Im FMA-Bereich hingegen sind derartige Kampfkunst-Messer mit abwärts gebogener Klinge auch im großen „Kaliber“ keine Seltenheit. Rich Derespina und mineralmountain.com als westliche Anbieter schlagen dorthin sozusagen ein Brücke mit ihren großen Karambits, kombinieren aber stets die Klinge mit einem Griff mit Ring.
Auch „konventionelle“ Griffe werden aber bei klassischen FMA-Messern mit großen Klingen dieser Form kombiniert. So etwas habe ich z.B. bei valiantco.com gefunden, dort und auch ansonsten im entsprechenden Kampfkunst-Bereich werden diese Messer üblicherweise als „Kuku Macan“ bezeichnet, was „Tigerklaue“ bedeutet, eine naheliegende Assoziation. Die dort angebotenen Modelle mit ca. dreizehnzölliger Klinge und etwa achtzölligem Griff machten einen hochinteressanten Eindruck, scheiden für mich aber schon wegen der dekorativen Gestaltung ihrer Griffe und Scheiden so ziemlich aus…
Für mich als eher westlich-militärisch orientiertem Anwender gewann die Recherche über willkommenes Lernen zu gebogenen Klingen hinaus an Spannung, als ich einen (nicht unumstrittenen…) Artikel darüber fand, daß W.E. Fairbairn, der mit E.A. Sykes das nach ihnen benannte legendäre Kampfmesser gestaltet hat, kurz vor seinem Tod angeblich auf genau diese Klingenform für ein eigenes Modell zurückgegriffen hat. Das Modell „Cobra“ unterscheidet sich in Größe, Form, Stil und Anwendung drastisch vom absichtlich ziemlich konventionellen Fairbairn-Sykes, könnte aber theoretisch aufgrund seiner asiatischen Messerkampfausbildung tatsächlich von ihm gestaltet worden sein. Ich werde später noch einmal ausführlicher darauf eingehen…
Jedenfalls war spätestens jetzt mein Interesse geweckt, mich nicht nur durch Recherche mit diesem Thema zu beschäftigen, sondern eine solche Gestaltung praktisch zu erproben – allerdings nicht mit einem hübsch beschnitzten indonesischen Originalmodell. Der dortige Zierrat hat im ostasiatischen Bereich vorwiegend seinen Ursprung in der mystischen Verehrung, ja Verklärung, der Klinge. So wird der Kris dort mit einem großen, oft reichverzierten „Klingenhalter“ ausgestattet, um die mystischen Mächte der Klinge im Zaum zu halten. Allerdings sollten wir im weiteren Verlauf der Beschäftigung mit dem Kuku Macan feststellen, daß Dekoratives durchaus auch funktionale Bedeutung haben kann – hier zur Verhinderung des „Rollens“ der im Querschnitt traditionell runden Griffe (s. Posting 6).
Was lag näher, als Eberhard für das Projekt zu interessieren, der ja erstens auch Interesse an Blankwaffen hat, zweitens und vor allem aber aufgrund langer und intensiver Beschäftigung viel kundiger im FMA-Bereich ist als ich. Außerdem kann er beschämenderweise im Gegensatz zu meinen Kindergartenzeichnungen (die Martin von BS vermutlich nur nach Orakeldeutung von Tiereingeweiden und Vogelflug zu verstehen vermag) allgemeinverständliche, maßstabgerechte und präzise Modellzeichnungen zu Papier bringen, was eine praktische Umsetzung schon wesentlich begünstigt. Glücklicherweise fiel das auf sehr fruchtbaren Boden.
Auch hier war und ist nicht unsere Vorstellung oder unser Anspruch, mit einer solchen Gestaltung jetzt DIE optimale Fighterklinge entdeckt zu haben. Wir vertreten ja beide die Auffassung eines gleichwertigen Nebeneinanders ganz verschiedener Stile und der sie jeweils unterstützenden Messergestaltungen. Eberhard ist ja sozusagen mit seinen Präsentationen so „gegensätzlicher“ Klingenwaffen wie seinem sehr kompakten „Loro“ und seinem „HDZI“ plastisches Beispiel dieser Bandbreiten. Und so ist es übrigens auch kein Widerspruch, wenn wir demnächst auch etwas in der erwähnten Persian-Form präsentieren werden, sondern der Wunsch nach möglichst breit angelegter Erfahrung und Vergleichsmöglichkeit.