Obwohl ich sonst keinem Hype hinterherrenne, muß ich eine Lanze für Leatherman brechen. Ich habe mittlerweile eine kleine Sammlung verschiedener Leatherman Tools (Blast, Surge, Charge, Super Tool 300, Skeletool) und keines davon mußte bisher wegen irgendwelcher Mängel eingeschickt werden, obwohl ich sie alle regelmäßig benutze. Interessanterweise stammen diese Modelle laut Produktionsstempel aus dem Jahr 2010. Möglicherweise arbeitet Leatherman bei den neu gefertigten Modellen mit einer besseren Qualitätskontrolle?
Auch Rost ist kein Thema. Die Tools werden nach Gebrauch kräftig mit WD-40 eingesprüht und nie direkt am Körper sondern immer im Holster getragen. Die Rostanfälligkeit ist wohl hauptsächlich auf die sandgestrahlten Oberflächen mancher Werkzeuge zurückzuführen und nicht so sehr auf den 420HC selbst. Auch haben gerade Leatherman Tools einige Ritzen und Kanten mehr als z.B. das SwissTool, wo sich dann Feuchtigkeit absetzen kann. Leatherman Tools sind vielleicht die Multitools mit dem höchsten Pflegeaufwand. Der hält sich allerdings dann doch in Grenzen, wenn darauf geachtet wird, daß das komplette Tool im Prinzip ständig mit etwas Ballistol oder WD-40 bedeckt ist. So mache ich es übrigens auch bei der Klinge meines Cold Steel Spartan, die angeblich ebenfalls schnell Flugrost ansetzt.
Ich lese zuweilen, daß Leatherman sich verschlechtert hat, weil nun in China gefertigt wird. Ich weiß nicht, wo die betreffende Person das gelesen hat, aber Leatherman baut seine Tools nach wie vor in Oregon zusammen. Die Holster kommen teilweise aus China, das stimmt. Die Bits kommen aus Taiwan. Aber die Werkzeuge selbst läßt Leatherman in den USA, Mexiko, Kanada und Europa fertigen.
Übrigens, Klappern sagt bei Leatherman Tools nix über mögliche Mängel aus. Mein Super Tool 300 läßt sich auch als Musikinstrument benutzen. Trotzdem rasten alle Werkzeuge satt ein und haben null Spiel. Mein erstes Surge klapperte ebenfalls wie verrückt, war stabil. Ich habs dann mit einem Kumpel gegen ein anderes Multitool getauscht und mir neulich wieder ein Surge geholt. Das klappert nicht, ist aber auch stabil.
Das getauschte Surge funktioniert nach wie vor tadellos, klappert halt.
Bei den Bits könnte Leatherman definitiv nachbessern. Sie funktionieren, aber sind nicht besonders wertig. Warum Leatherman keinen Adapter für Standard-Bits verbaut, sondern dafür nur den Leatherman Bit Driver Extension Aufsatz anbietet, weiß wohl nur der Hersteller selbst.
Victorinox ist zweifellos auch super, aber ich würde jetzt nicht behaupten, daß Leatherman generell so viel schlechter ist. Allerdings sollte Leatherman vielleicht mal an der Ergonomie arbeiten - im Vergleich zum SwissTool ist beispielsweise das Surge schon arg kantig. Aber ist halt ein Tool für Männer, da darf es offenbar schon mal weh tun.
Ich schätze, kein Multitool ist für den harten Baustelleneinsatz gemacht, insofern sollte man durchaus auch die Grenzen dieser Tools sehen. In den USA werden Leatherman Tools von den Arbeitern großer Baufirmen eingesetzt und sind auch sehr häufig Ausrüstungsbestandteil der US-Armee. Daß da einiges zu Bruch geht und entsprechend häufig bemängelt wird, ist logisch. Deshalb sollte man das Multitool-Bashing in US-Foren etwas distanzierter betrachten und daraus nicht gleich ableiten, daß dieses oder jenes Tool prinzipiell nix taugt.
Meine Bekannten sammeln teilweise auch Multitools, deshalb kenne u.a. ich auch die Produkte von Gerber und SOG. Allgemein würde ich behaupten, daß sich die Tools qualitativ nicht mehr so riesig voneinander unterscheiden. Vor allem, wenn man sich auf die Garantie verlassen kann (und die funktioniert sowohl bei Leatherman als auch bei Victorinox), sollte weniger nach Hersteller, sondern nach Verwendungszweck bzw. den verbauten Werkzeugen ausgewählt werden. Wer ab und zu mal einen Karton aufschneidet, eine lose Schraube festzieht und zusätzlich noch mit einem stattlichen Folder rumläuft, benötigt möglicherweise kein Leatherman Surge am Gürtel.