Ich hab mir das Video von Thomas Gast mal angesehen und mache mal den Versuch, es aus meiner Sicht zu analysieren.
Eins nochmal vorweg:
Mantracking = der Mensch sucht den Menschen / Fährtenlesen bzw. Spurenlesen wie die Indianer
Mantrailing = ein Personenspürhung (Amtsdeutsch) verfolgt eine Person anhand deren Individualgeruch
Zwei unterschiedliche Dinge, die man sehr gut kombinieren kann: Dazu später mehr.
Alles was ich nun schreibe, basiert auf meiner Meinung und Erfahrung auch als Mantrailer (bis vor kurzem). Es gibt beim Mantrailing kaum wissenschaftliche Evidenz, daher wird man über das, was ich schreibe diskutieren können. Es ist also lediglich mein eigenes Erfahrungswissen.
Zunächst bekenne ich mich hier auch als Thomas Gast Fan. Absolut cooler Typ. Und man kann erkennen, dass er weiß, wie man einem Hund entkommt.
20 Minuten Vorsprung, das ist nicht viel. Bei Rettungshundeeinsätzen vergehen oft 5-8 Stunden (oder mehr), bis der erste Hund angesetzt wird. Zum einen sind frische Spuren teils schwieriger zu Arbeiten, zum anderen Teil vergrößert sich aber natürlich auch der Suchbereich mit der verstrichenen Zeit. Als Faustregel kann man sagen, dass sich der theoretische Suchbereich mit jeder Viertelstunde verdoppelt (bei normaler Gehgeschwindigkeit). Mindestens jedoch einmal in der Stunde.
Um das Verhalten des Hundes und des Hundeführers (die meisten Fehler machen die Hundeführer) 100% beurteilen zu können, müsste man eine komplette Videosequenz haben und die beiden gelaufenen Spuren (Thomas und Hund) per GPS übereinander legen. Dann noch Windrichtung, Wetter etc.
Was mir am Hund aufgefallen ist:
Er ist sehr schnell unterwegs. Das zeigt, dass er motiviert ist, birgt aber auch die Gefahr, einen Abgang oder eine Richtungsänderung zu überlaufen.
Der Hund zeit das, was z.B. Kevin Kocher als floating negative bezeichnet. Er pendelt in der Vorwärtsbewegung auf dem Weg hin- und her. Das zeigt an, dass er im Geruchsband arbeitet.
Was mit an Thomas aufgefallen ist:
Sehr schnell unterwegs
macht viele Richtungsänderungen (oft scheitern die Hunde am Ausarbeiten von Richtungsänderungen)
Hat mit dem Fahhrad einen Backtrail gelegt (also die Strecke, die er zuerst gelaufen ist, danach mit dem Rad zurück gefahren). Ich denke, davon hat der Hund sich aber nicht beeindrucken lassen, denn praktisch alle erfahrenen Mantrailer, die ich kenne, ignorieren den Backtrail einfach und laufen in die endgültige Richtung weiter.
Mehrere Hindernsse überwunden (Bauzaun, Törchen etc.). Ich hätte gerne gesehen, wie der Hund anzeigt, dass Thomas über den Zaun geklettert ist.
Thomas nutzt Wasser zur Verschleierung. Man muss wissen, dass Wasser (generell Feuchtigkeit) die Geruchspartikel des "Opfers" bindet. Entferne ich mich im Wasser gegen die Fließrichtung, ist die Change gegeben, dass der Hund in Fließrichtung arbeitet. Des weiteren durchqueren viele Hunde ungern Wasser (oder andere Hindernisse) und versuchen dann einen anderen Weg zu finden. Dem Hundeführer kann das entgehen, wenn er das Verhalten nicht kennt oder so etwas nie geübt hat.
Zu einigen Schlüsselsequenzen:
Das Abseilen war (wie auch hinterher bestätigt) schon der Punkt, an dem der Hund die Spur verloren hat. Das ist einerseits zu erwarten, aber so (glaube ich) nicht ganz korrekt.
Ich glaube, es ist so abgelaufen (Monk):
Der (vielleicht zu schnelle) Hund übersieht die Richtungsänderung im Steinbruch. Thomas ist unten und je nach Thermik und Wind, wird sein Geruch über die Kante hoch geweht. Der Hund nimmt sog. Airscent (Hochwind) statt die am Boden vorhandenen Partikel (weil frische Spur, ist diese noch nicht gesetzt). Ich denke, der Hund wusste, das Thomas unten ist, hat es auch angezeigt (man kann es im Video nicht sehen) nur der HF hat es nicht erkannt.
Beim Gang in das Kanalrohr:
Ich nehme an, dass Thomas gegen die Fließrichtung in das Rohr hinein gelaufen ist. Dadurch könnte es ihm in diesem Falle "auf die Füße fallen", wenn es der Hund tatsächlich im Wasser bis dahin geschafft hätte (unwahrscheinlich). Würde ein Hund genau auf solche Situationen trainiert, könnte er den Eigengeruch des Opfers auch aus dem Urin anderer Leute etc. herausfiltern. Das Thomas in den Dom geklettert ist, halte ich für gut. Ich denke, er kann seine Geruchssignatur so vermindern. Denn in den Röhren herrscht immer Luftzug. Normal folgt der Luftzug ("Mikroklima") der Fließrichtung des Wassers. Bei solch großen Rohren kann aber auch ein Injektor entstehen und ein starker Luftzug geht in Richtung x raus.
Das alles werden Hunde (wenn sie in der Nähe sind) registrieren. Das Problem ist nur, man müsste den Mantrailer darauf gezielt trainieren, damit er anzeigt und der HF diese Anzeige auch versteht.
Meine Beobachtungen, Gedanken allgemein:
Wenn ich mich abseits des Weges bewege, mit vielen Hindernissen, habe ich als verfolgte Person die Chance, dass der Hund sich verletzt. Ein Dorn in der Pfote reicht und der Kamerad ist raus.
Hindernisüberwindung stellt für Hund und HF eine Herausforderung dar, einerseits rein praktisch weil man rüber kommen muss und andererseits, weil der Hund anzeigen muss, dass die Person hier rüber ist. Viele Hunde verfallen dann in einen Suchmodus: Ich such mal einen besseren Weg. Und sind dann weg von der Spur.
Wenn ich weiß, dass nur ein Hund hinter mir ist, kann ich den einfach "ausrennen". Dass der Hund 3 Stunden durchgearbeitet hat, ist ultrahart. Wenn der wirklich so lange konzentriert gearbeitet hat, Respekt. Ich denke aber, bis zum Steinbruch hat Thomas keine drei Stunden gebraucht. Danach hat der Hund vermutlich einfach nur noch nach einem Geruch (irgendwann) gesucht, diverse Male negativ gezeigt, über Hochwind gearbeitet etc. Das ist aber jetzt alles Spekulation.
Allgemein trainieren fast alle Mantrailer ausschließlich im urbanen Bereich. Waldwege sind auch noch okay, aber wenn es vom Weg runter geht, scheitern eigentlich die Mantrailer. Dafür gibt es dann wieder andere Spezialisten: die Flächenhunde.
Jetzt der Bezug zu meinem Thema Mantracking (Spurenlesen):
Wäre der HF als Tracker ausgebildet, oder ein Tracker dabei gewesen, hätte der sicher die Stelle erkannt, an der Thomas sich abgeseilt hat. Dann hätte man den Hund kurz aus der Arbeit genommen, das Hindernis umschlagen und den Hund wieder auf der Spur angesetzt. Denn kein Mensch kann fliegen und wenn er da war, muss er auch weg gekommen sein. Und dabei hat Thomas auf dem sandigen Boden sicher gut lesbare Spuern hinterlassen.
Und das ist der Ansatz, den wir mit unserer Arbeit verfolgen (ich weiß, billige Eigenwerbung *lol*).
Jedenfalls ist mir folgendes ganz wichtig:
Ich will keinesfalls die Kompetenz des Hundeführers oder die Eignung des Hundes in Frage stellen. Man sieht hier einfach die Einsatzgrenzen des Mantrailers, die völlig normal sind. Und ich denke, kein normaler (ziviler oder polizeilich geführter) Mantrailer hätte das hier besser gemacht. Und es macht m.E. (außer für Militär und ggf. Polizei) keinen Sinn, auf so etwas zu trainieren.
Beide Teams, also Thomas und das Hundeteam haben meinen größten Respekt.
So, ich hab jetzt mal alles rausgehauen, was mir in der Kürze eingefallen ist. Man kann es diskutieren und es ist sicher nicht abschließend und auch nicht die absolute Wahrheit.
Machts gut.