Wie schon angekündigt, kommt nach der Vorstellung das Review, das sich auf die in Beitrag #1 genannten vermuteten Lastenheft-Anforderungen bezieht.
Schauen wir uns mal die Haltbarkeit an - da lohnt meist ein Blick der auf links gewendeten Hose, um sich mal die produktionsseitige Verarbeitungsqualität anzuschauen.
Als allererstes fällt auf: das ist alles sehr sorgfältig gemacht. Da sind nirgendwo noch lose Fädenenden zu sehen, da sind alle Nahtanfänge und -enden verriegelt, an allen belasteten Stellen (ich hab bei 30 aufgehört zu zählen) sind sorgsam Riegelnähte plaziert, das ist 'ne ganz feine Geschichte.
Kleine Abschweifung für Textilnerds: Man liest es in Reviews immer mal wieder: angeblich sei die Verarbeitung nicht so hochwertig, weil ja überall noch lose Fadenenden rumhängen: Das ist nicht automatisch so! Lose Fadenenden sind nicht per se ein Zeichen geringerer Verarbeitungsqualität - eine Naht, die normal verriegelt ist, hat ihre Haltbarkeit. Egal, ob danach jemand den überschüssigen Faden bündig abgeschnitten hat oder nicht. Baumelnde Fäden sind nur ein indirekter Hinweis darauf, wie diszipliniert die Fertigungsmannschaft arbeitet oder wie genau die Qualitätskontrolle hinschaut. Also nur ein Hinweis für eine mögliche unsaubere Verarbeitung - kein Beweis.
So weiter geht's:
Wendet man also die Hose auf links, findet man im wesentlichen zwei verschiedene Arten an Nahtverarbeitungen:
- Entweder Nähte "rechts-auf-rechts" (was ist das?), z.B. die Taschenbeutel oder die Beininnennaht (siehe Bild 1)
- oder einfache Kappnähte mit zweifacher (doppelter) Naht (und was ist das nun schon wieder?), z.B. die Beinaußennaht (siehe Bild 2).
Bild 1 - Beininnennaht: Naht "rechts-auf-rechts" und versäubert (oben horizontal im Bild)
Bild 2 - Beinaußennaht: Einfache Kappnaht mit doppelter Naht (mittig vertikal)
Wenn man nach der "alten Schule" der Schneiderei geht, dann gilt der Spruch ""Es ist immer besser, den Stoff der Beanspruchung auszusetzen als das Nähgarn." Dem folgend könnte man sich hier
- überlegen, ob man die Schrittnaht, Gesäßnaht und eine der beiden Nähte Beinaußennaht oder Beininnennaht als doppelte Kappnaht (und was ist das jetzt?) verarbeitet. Gerade Schritt- und Gesäßnaht sind doppelseitig Belastungsn ausgesetzt. Zum einen werden beide beim Hinsetzen (von außen) beansprucht und durch das Arbeiten der Beine im Schritt auch beim Marschieren (von innen).
- und ob man die Taschenbeutel verstürzt (meiner Erfahrung nach sind die dann weniger anfällig dafür, dass sich Schlüsselbärte nach unten sägeartig durcharbeiten).
Diese beiden Modifikationen wären zum einen in der Herstellung einfach möglich und auch in der Branche der taktischen Hosen absolut gängig (auch günstigere taktische Hosen wählen diese Art der Verarbeitung) - und zum anderen könnte man dadurch die Langlebigkeit ggf. steigern.
Alle Nähte als doppelte Kappnähte zu arbeiten, wäre natürlich super (ich hab eine taktische Hose mit viel Aufwand schon mal so genäht - hier), aber zum einen unbezahlbar aufwändig in der Herstellung (die Striker HT hat viele Teile und somit viele Nähte), zum anderen würde dies, wenn es wirtschaftlich sein soll, spezielle Nähmaschinen erforderlich machen - die an der Produktionsstätte nicht unbedingt zur Verfügung stehen. (Die einzige Firma, die bei den weniger komplexen Hosen konsequent alle Nähte als doppelte Kappnähte arbeitet, ist m.W. Leo Köhler.)
Als nächstes fällt mir noch sehr positiv auf, dass an manchen Stellen - an denen eine extrem hohe Belastung erwartet werden muss (im gesamten Kniebereich), sogar mit Zusatz-Stoffstücken gearbeitet wird, die in die Riegelnähte integriert sind. Das sorgt dafür, dass die Gefahr des Ausreißens von Nähten wirklich minimiert wird, auch bei extremen Belastungen. Siehe Bild 3.
Bild 3 - Zusätzliches Stück Stoff zur Verstärkung der Riegelnaht in der Knieprotektortasche
Was ich hingegen ein wenig vermisst habe, ist die in dieser Klasse durchaus übliche Dopplung des Stoffs im Po-Bereich. Da würde mich schon interessieren, warum darauf verzichtet worden ist (ist das verwendete braune Schöller-Stretch hier doppelt so beständig wie das PenCott NyCo?) Hier muss ich über die Lebenszeit der Hose mal beobachten, ob sich das Stretch langsam auflöst.
Fazit zum Thema Verarbeitung und Haltbarkeit: Mit den kleinen Abstrichen Hosentaschenverarbeitung, Schritt-/Gesäßnahtverarbeitung sowie der nicht vorhandenen doppelten Stofflage am Hosenboden eine grundsolide Sache in dieser Disziplin.
Nächste Disziplinen folgen bald.