was macht einen Folder sozialverträglich und was nicht?
Je nach Umfeld kann sozialverträglich freilich anders ausgelegt werden - für mich bedeutet es das tägliche Leben in der Großstadt und im Büro. Also nichts, wo das Tragen von Werkzeug oder Messern eher "dazugehören" würde.
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Aber es gibt noch so viele andere Aspekte, schildert mir eure Erfahrungen!
(Flipper vs. Einhandöffnung vs. Zweihandöffnung, Klingenlänge, Griffmaterialien, etc. pp)
Es gibt sicher ein objektives Umfeld, ich nenne das mal Rollensituation (auf Arbeit, im Supermarkt, beim Spazierengehen, im Garten, im Baumarkt usw.) und die subjektive Komponente, die mit meiner Person und dem Gegenüber zu tun hat. Alles hängt zu zusammen, wie ein Gegenüber reagiert, wie man auftritt, welche Kommunikation geführt wird, die genannten Überraschungseffekte und ganz am Schluß die objektiven Eigenschaften des Klappmessers.
Putzige kleine, rotschalige SAKs werden als nützliche, ungefährliche Taschenmesser akzeptiert. Danach kommt lange erstmal nichts, weil die Situation Küche und Zubereitung von Essen selten ist, wenn dann drinnen mit Gästen, Bekannten, Freunden. Doch um deren Reaktionen ging es weniger, so ich das verstanden habe.
Fremde Personen reagieren auf blitzende Stahlklingen meiner Erfahrung nach dann besonders stark, wenn ihnen unklar was das ist und wie es funktioniert. Es fehlt Erfahrung im Umgang, im Messergebrauch, in Zeiten von Fertigpizza kein Wunder. Ein Springer bzw. Automatikmesser ist den meisten Mitmenschen doch inzwischen völlig fremd geworden, höchstens die modernen Teppichbodenmesser mit Sicherungsautomatik sind noch in Erinnerung.
Weiche Materialien, helle Farben, weder schwarze noch blitzblanke Klingen würde ich als sozialverträglich im Sinne richtungsweisender Kriterien bezeichnen. Schnörkelloses Design, alles was an Omas gutes altes Schnippelmesser im Küchenfach erinnert, das kennen noch viele, haben selbst eins und wissen, die Klinge ist sehr biegsam und meist stumpf.
Beim Aufklappmechanismus würde ich all jene sozialverträglich bezeichnen, die umständlich sind und Zeit brauchen, also klar Zweihandmesser. Besser noch sie klemmen, man bricht sich den Fingernagel ab und der Zuschauer entwickelt ein Helfersyndrom, bietet Hilfe an und dann kommt man ins Gespräch.
Das sind meine Erfahrungen. Habe selbst ein kurzes, abgerocktes Glock Feldmesser im Werkzeugkasten, das kriegt jeder mit, der mir Reparaturaufträge aufschwatzt, Messer sind eher kein Thema für mich sondern Werkzeuge. In der Hose ist ein legaler Springer, klein genug, um eher Interesse zu wecken, gibt man dem Ding eine Namen wie "Ameise" prägen sich solche Geschichten viel positiver ein und es wird abgehakt, na ja der arbeitet damit und irgendwie süß ist das Teil ja. Trotz Kalashnikov im Namen, den kann man ja weglassen. Letzten Endes zählt immer der Mensch hinter dem Messer. Das ist schon schwierig genug.
Für die Großstadt, für´s Büro nehme ich geeignetes Schneidwerkzeug mit, das ist in erster Linie ein Tool, werkzeug- statt klingendominiert, damit kann ich alles schneiden, was anfällt, je kleiner die Klinge umso harmloser. Als ich einmal einen Folder mit Titanschalen mitnahm fiel die Farbe sofort auf und ich musste mir Sprüche in Richtung "wasn das für ne Teflon Beschichtung" anhören, nö das ist Titan durch und durch, ach was, zeig mal. Die Leute kennen das nicht, woher auch, aus dem Baumarkt? Die kennen höchsten die Optik Kevlar und Carbonfaser, aus dem PKW und Tuningbereich. Im Büro muss ich aufpassen nix liegen zu lassen, plötzlich war ein altes Taschenmesser mit Hornschalen weg. Nee falsch, dauerausgeliehen. Möge der Eigentumsanteilnehmer damit glücklich werden, ich war´s. Fazit: Hornschalen will der messergeneigte Mitmensch, das ist irgendwie tierischen Ursprungs, da werden Instinkte geweckt, neugieriger Mensch will anfassen, wer hat Angst vorm schwarzen Mann mit Hornschalenmesser? Niemand. Der ist Jäger und sticht nur Tiere ab. O.k. mit den Vegetariern und Veganern hat man sich´s verdorben. :gaah:
Probleme habe ich eigentlich nur bei Kindern, genauer gesagt mit den Eltern von neugierigen Kindern, Erstere sind ganz scharf auf scharfen Kram, Feuer und Flamme auf von den Eltern "verbotenes", wollen gleich bekrabeln, drauflos schnitzen und ich sag natürlich darfst du aber aufpassen, die Eltern kriegen dann die Krise. Weil sie ihren Kindern zwar gezeigt haben, dass ein Herd heiß ist, Streichhölzer saugefährlich sind aber meist zu dumm sind ihre Küchenmesser scharf zu halten, dann wird natürlich jeder Brieföffner zum todbringenden Instrument. Erwachsene sind in dieser Hinsicht schwieriger als die Kleinen, wobei abgeschnittene Finger wachsen denen doch nach? In dem Alter? Na ja, 10 Finger sind sowieso viel zu viel, in der Schule braucht man nur den Zeigefinger beim Melden, bis die mal groß sind fahren Autos autonom.
Zusammengefasst, nichts überzeugt die Ängstlichen mehr als ihre Ängste Schritt für Schritt abzubauen. Das ist doch mit allem so, was ich nicht kenne das bereitet mir Unwohlsein, ist die Situation unsicher für die Betroffenen, der forsche Auftritt distanzverletzend, dann löst jeder Gegenstand in der Hand Angst aus, was hat der da, was will der damit usw. Stimmt die Situation, Brotzeit auf dem Berggasthof, ist die Machete für den Brotleib gerade lang genug.
Beobachtet mal wie Frauen das machen. Die nehmen ihre Handtasche und räumen bei der Suche alles raus, Handy, Lippenstift, Deo, Taschentücher, Tampons, Pfefferspray, Hackbeil, Spyderco ... ach nee, irgendwas war da falsch, ich glaub die Tampons, die sind wegen Mißbrauchsgefahr verboten worden. Die verstopfen nämlich Toiletten und können für Unbeteiligte lebensgefährlichen Überschwemmungen auslösen, da droht hohes Bussgeld wenn sie in der Handtasche auf öffentlichen Toiletten geführt werden, solche mit Einhandbedienung sind die schlimmsten.
Also muss man es mit der Herrentasche einfach den Frauen nachmachen, die kennen sich aus mit menschenverträglichen, sozialverträglichen, männerverträglichen, frauenverträglichen (jetzt aber) mitführbaren Gegenständen am Körper. Ich könnte jetzt auf die analogen Gegenstände der Herrentasche eingehen, aber das würde doch zu weit führen. In den EDC Diskussionen ist schon alles genannt. Hauptsache keine Tampons, merkt euch das. Und falls sie euch damit erwischen: die gehören meiner Frau!
Ganz im Ernst, ich hab den Glauben verloren, dass die Menschheit, unsere Gesellschaft, von sich aus vernünftig wird. Ohne Medien, ohne Politiker, ohne Bürokraten ... vielleicht. Wer sich sein Brot beim Bäcker per Automat schneiden lässt, hat doch schon den Bezug zur Realität verloren. Zu retten wer noch zusehen darf, wie ein Käselaib per Messer geteilt wird, das sind aussterbende Künste, die Frauen und Männer hinter der Theke benötigen dafür sicher einen Waffenschein und werden vor und nach Schicht auf Schmuggel kontrolliert. Es ist schon traurig in der modernen Welt. Entweder sich anpassen oder Position beziehen. Beides sind riskante Entscheidungen. Doch niemand wird gezwungen jeden Tag auf´s Neue ein Bekenntnis PRO Messer sind Werkzeuge abzulegen. Einfach machen und einen vernünftigen Messerumgang vorleben. Der Mensch zählt und darf sich nicht auf Gegenstände in seinem Besitz reduzieren lassen. Doch der Mensch hat auch Verstand. Bitte gebrauchen, dafür ist er da. Sonst wären Jahrzehntausende umsonst gewesen. Glückauf!